DIE LEBER – STOFFWECHSELZENTRALE DES KÖRPERS
Stoffwechsel – also die Aufnahme, der Transport und der chemische Abbau beziehungsweise Umbau von Nahrungsstoffen – bedeutet Leben. Und weil die Leber unser größtes Stoffwechselorgan ist, ist ein Leben ohne eine funktionsfähige Leber nicht möglich. Tatsächlich ist die Leber an fast allen essenziellen Stoffwechselprozessen beteiligt: an der Steuerung des Eiweiß-, Fett- und Kohlenhydrat- bzw. Glukose-(»Zucker«)-Stoffwechsels ebenso wie an der Regulierung des Mineralstoff- und Vitaminhaushalts.
CHEMIEFABRIK MIT ZAHLREICHEN FUNKTIONEN
Über die Pfortader, in der sich die kleinsten Blutgefäße (Kapillaren) der Darmwände vereinen, bevor sie in die Leber mündet, wird Blut mit den Nahrungsbestandteilen aus dem Magen-Darm-Trakt, mit den Abbauprodukten der Milz (Bilirubin siehe >) sowie mit den Hormonen der Bauchspeicheldrüse (etwa Insulin) zur Leber geführt. Etwa 75 Prozent ihres Blutes erhält die Leber durch die Pfortader. Innerhalb der Leber verzweigt sich die Pfortader wieder in ein feines Kapillarnetz. Auf diese Weise gelangen die bereits im Darm zerkleinerten Substanzen wie Zucker, Fette, Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und Aminosäuren zu den einzelnen Leberzellen, wo sie verarbeitet, gespeichert und bei Bedarf an den Organismus abgegeben werden.
Entgiftungszentrale Leber
Sämtliche Stoffe, die im Magen-Darm-Trakt aufgenommen (resorbiert) werden, gelangen über die Pfortader zuerst zur Leber, bevor sie über den großen Blutkreislauf im Körper verteilt werden – das nennen die Mediziner Pfortader-Kreislauf. Auf diese Weise werden ständig Substanzen in die Leber gespült: unverzichtbare Nährstoffe, aus denen die Leber dann verwertbare Substanzen für den Organismus bildet und bei Bedarf speichert, aber auch Schad- und Giftstoffe, die ebenfalls mit der Nahrung aufgenommen wurden, wie Medikamente, Alkohol, Bakterien sowie Pestizide und andere Umweltschadstoffe. Diese zu filtern, zu entgiften beziehungsweise zu inaktivieren und dann wieder auf schnellstem Weg hinauszubefördern – das kann in unserem Körper mit dieser Breitenwirkung nur die Leber. In den Leberzellen (Hepatozyten siehe >) stehen hierfür spezielle Enzyme bereit, die schädliche Substanzen chemisch so bearbeiten, dass am Ende ungefährliche Bestandteile übrig bleiben, die problemlos »entsorgt« werden können. Ähnlich verfährt die Leber mit körpereigenen Substanzen, so etwa mit nicht (mehr) benötigten Östrogenen, Steroid- und Schilddrüsenhormonen oder mit überalterten beziehungsweise defekten Körperzellen. Oder aber sie »recycelt« verbrauchte Stoffe in wieder verwertbare Substanzen.
DER FIRST-PASS-EFFEKT
Durch ihre Einbindung in den Pfortaderkreislauf filtert beziehungsweise verstoffwechselt die Leber alle Stoffe, die vom Verdauungstrakt kommen. Auch vor Arzneistoffen macht sie nicht halt. Dadurch können Medikamente erheblich an Wirkung einbüßen, etwa weil sie von der Leber zu stark »bearbeitet« und dann ausgeschieden werden, bevor sie wirken können. Um diesen sogenannten First-Pass-Effekt zu vermeiden, werden einige Arzneimittel am Magen-Darm-Trakt vorbei, zum Beispiel als Spritze oder Spray, verabreicht.
Bunkern, verteilen …
Die Leber ist unser Vorratsorgan: In ihren winzig kleinen Speicherkammern bunkert sie viele überzählige Nährstoffe aus dem Blut, um sie sofort abzugeben, wenn sie irgendwo im Körper gebraucht werden. So wandelt sie zum Beispiel nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit überschüssigen Blutzucker zu Glykogen, der Speicherform des Zuckers, um. Wird im Körper wieder Glukose benötigt, öffnet die Leber ihr Depot und bildet umgehend aus Glykogen Glukose. Denn nur aus Glukose können Gehirn, Nerven oder Muskeln ihre Energie gewinnen. Reicht der Glykogenvorrat nicht aus, um den Energiebedarf zu decken, bildet die Leber aus Eiweißbausteinen (Aminosäuren) und Fettabbauprodukten energieliefernde Glukose und schleust sie in den Organismus – das nennt man Glukoneogenese.
Sind die Glykogenspeicher dagegen voll und es befindet sich noch Glukose im Blut, dann wandelt die Leber diese in Fett um. Außerdem speichert die Leber das Fett, das mit dem Essen aufgenommen wurde, sowie die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K, das wasserlösliche Vitamin B12 und Folsäure oder so wichtige Mineralstoffe wie Eisen, Mangan, Zink und Kupfer.
EIWEISSFABRIK LEBER
Die Leber stellt die meisten der im Blut benötigten Eiweißkörper her, so zum Beispiel Albumin, Akute-Phase-Proteine und Blutgerinnungsfaktoren. Häufiges Nasenbluten könnte deshalb ein Hinweis auf eine Leberschwäche sein.
… und selbst produzieren
Die Leber speichert jedoch nicht nur, sondern sie produziert auch selbst, allen voran wichtige Eiweiße. Hierfür zerlegen die Leberzellen Proteine aus der Nahrung in ihre Einzelbausteine und setzen sie dann zu körpereigenen Eiweißen wie Enzymen, Antikörpern oder Blutgerinnungsfaktoren, die das Blut bei einer Verletzung gerinnen lassen, zusammen. Dies ist auch der Grund, weshalb der Arzt bei einer plötzlich aufgetretenen Blutungsneigung oft mithilfe verschiedener Untersuchungen einen Leberschaden ausschließt.
Darüber hinaus produziert die Leber Eiweiße für den Transport von Fetten oder von Hormonen im Blut sowie einen Großteil des körpereigenen Cholesterins (siehe >), das dann zur Bildung der Gallenflüssigkeit (siehe >) verwendet wird.
Außerdem baut sie aus den Aminosäuren auch noch täglich etwa zwölf Gramm Albumin auf, den Haupteiweißbestandteil des Blutplasmas. Albumin bringt im Körper wasserunlösliche Stoffe an ihren jeweiligen Zielort. Es kann Wasser binden, ist für den Gewebedruck unerlässlich und hält die Flüssigkeitsverteilung zwischen Blut und Gewebe konstant. Fehlt Albumin, kommt es zu Wassereinlagerungen im Gewebe (Ödeme).
CHOLESTERIN – EINE LEBENSWICHTIGE SUBSTANZ
Der Fettstoff Cholesterin ist für uns so wichtig, dass er vom Körper, allen voran von der Leber, zu drei Vierteln selbst hergestellt wird; der Rest wird über die Nahrung (hauptsächlich über tierische Fette) aufgenommen.
Tatsächlich würde die Cholesterinproduktion des Körpers ausreichen, um den eigenen Bedarf zu decken – selbst dann, wenn wir uns komplett cholesterinfrei ernähren würden.
Cholesterin ist nicht nur für die Bildung des Gallensafts (siehe >), sondern auch als Ausgangsstoff für Hormone wie Testosteron, Östrogen oder Cortisol sowie für Vitamin D3 unverzichtbar. Zudem ist es eine wichtige Bausubstanz für die Zellwände und Nervenfasern.
Wie alle Fette ist Cholesterin kaum wasserlöslich. Deshalb wird es für den Transport im Körper an spezielle Eiweißteilchen, die Lipoproteine, gebunden. Die bekanntesten Lipoproteine sind LDL (Low Density Lipoprotein), das eine niedrige Dichte hat und einen Großteil des Cholesterins von der Leber zu den weiter entfernten Körperzellen bringt, und HDL (High Density Lipoprotein), das eine hohe Dichte hat und Cholesterin aus den Körperzellen zurück zur Leber transportiert. Diese beiden Lipoproteine spielen bei der Diagnostik und Therapie von Fettstoffwechstörungen, aber auch in der Prävention und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine besonders wichtige Rolle.
»Gutes« und »schlechtes« Cholesterin: Dass HDL auch als »gutes«, LDL dagegen als »schlechtes« Cholesterin bezeichnet wird, hat viel mit der Wirkung zu tun, die die beiden Lipoproteine auf unsere Blutgefäße haben können. Bei einem Überangebot im Blut lagert sich nämlich LDL-Cholesterin an den Innenwänden der Arterienwände ein und leistet so der Entstehung einer Arteriosklerose Vorschub. Natürlicher Gegenspieler des LDL-Cholesterins ist das HDL-Cholesterin, welches das LDL-Cholesterin, das sich an die Arterienwände angeheftet hat, aufnimmt und abtransportiert. Zwar weisen neuere Untersuchungen darauf hin, dass auch Menschen, die hohe HDL-Werte aufweisen, Herz-Kreislauf-Krankheiten erleiden können. Personen mit erniedrigten HDL-Konzentrationen wird jedoch weiterhin ein deutlich erhöhtes Arterioskleroserisiko zugeschrieben.
Partner des Immunsystems
Was nur wenige wissen: Das erste Organ, das den Embryo mit Blut und Immunzellen versorgt, ist die Leber. Und kaum ist das Baby auf der Welt, unterstützt sie dessen Immunsystem im Abwehrkampf gegen Krankheitserreger. So stellt die Leber zum Beispiel umgehend sogenannte Akute-Phase-Proteine zur Verfügung, um Eindringlinge zu eliminieren, wenn im Körper eine Entzündungsreaktion in Gang gesetzt wird. Prominentester Vertreter ist das C-reaktive Protein (siehe CRP-Wert, > und >): Zum einen bindet sich CRP selbst an eingedrungene Erreger, zum anderen leitet es wichtige Schritte der Immunabwehr ein. Je früher CRP in Aktion tritt, desto besser. Deshalb stellen die Leberzellen den Eiweißstoff bereits in den ersten Stunden nach Beginn einer Infektion bereit. Wie eng Immunsystem und Leber miteinander verknüpft sind, zeigt sich auch daran, dass wir anfällig für Infekte werden, wenn die Leber nicht mehr ausreichend in der Lage ist, Bakterien, Viren oder Schadstoffe zu filtern und zu eliminieren. Deshalb profitiert immer auch das Immunsystem von einer Entgiftungs- und Reinigungskur der Leber und ist nun (wieder) schlagkräftig genug, den Abwehrkampf gegen Krankheitserreger für sich zu entscheiden. Ebenso sieht die ganzheitliche Therapie von Autoimmunerkrankungen eine gezielte Stärkung der Leber vor.
Abfallentsorgung auf zwei Wegen
Die Abfallprodukte, die bei den Stoffwechselprozessen anfallen, sind zum Teil in Wasser...