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Lehrbuch für das Uhrmacherhandwerk - Band 1

Arbeitsfertigkeiten und Werkstoffe

VerlagHEEL Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl250 Seiten
ISBN9783958430020
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Die ersten Uhrmacher waren Schlosser und Schmiede, also Metallhandwerker. Alle ihre Grundfertigkeiten basierten zunächst auf der Kenntnis von Werkstoffen und den handwerklichen Möglichkeiten ihrer Bearbeitung. Erst in der weiteren Entwicklung bildete sich der Uhrmacher als eigenständiger Beruf heraus. Der Beruf beinhaltet weiterhin die Fehlersuche, Wartung, Pflege, Prüfung und Justage von modernen und historischen Uhren aller Art. Dies ist dann auch heute der Schwerpunkt der niedergelassenen Uhrmacher. Aber auch Musikwerke, Messgeräte, Barometer u.a. gehen durch ihre Hände. Da der Uhrmacher seine Arbeiten weitgehend selbstständig durchführt, muss er umfassend technologisch ausgebildet sein. Dieses Lehrbuch für die Uhrmacherausbildung aus dem Jahre 1951 gibt Zeugnis von den Ansprüchen an den Handwerksnachwuchs und beschreibt detailliert die zu beherrschenden Fertigkeiten und Arbeitstechniken sowie die mechanische Ausbildung, die Uhrmacher absolvieren. Inhaltlich umfasst das Lehrbuch die Grundlagen der Uhrmacherlehre, beginnend mit der Werkstoffkunde/-behandlung über wichtige Arbeitstechniken (Drehen, Bohren, Gewindeschneiden, Schleifen, Polieren, Feinstellen der Uhren usw.) bis hin zum konstruierten Fachzeichnen. Aber auch die Grundlagen zum Regulieren von Groß- und Kleinuhren finden sich in diesem didaktisch aufgebauten Lehrbuch Ältere Fachbücher sind oft in ihren Bezeichnungen und Normen nicht mehr aktuell und deshalb in der heutigen Zeit nur schwer verständlich. Darum wurden in diesem kommentierten Reprint alle physikalischen Einheiten auf den neusten Stand gebracht und viele Anmerkungen verweisen auf heute gültige Normen und Bezeichnungen. Mit seiner Überarbeitung sorgt Uhrenfachbuchautor Michael Stern dafür, dass das 'Lehrbuch für das Uhrmacherhandwerk' auch in der heutigen Zeit noch voll und ganz den Anspruch als Lehrbuch erfüllt und sich als aktuelles Fachbuch für Auszubildende präsentiert.

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Leseprobe

Grundlagen der Werkstoffkunde1


Mit den immer weitergehenden Forderungen an die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Zeitmessung wächst die Verantwortung des handwerklichen Uhrmachers für die von ihm erstellten oder reparierten, d. h. wieder gebrauchsfähig gemachten Uhren. Dies bringt es mit sich, daß von jedem Berufsangehörigen eine umfangreiche Fachkenntnis sowohl des Aufbaus der Uhr als auch der Beschaffenheit und des Verhaltens der zu ihrer Herstellung verwendeten Werkstoffe gefordert werden muß (Abb. 1).

Abb. 1

Jedes einzelne Teil muß den vielfältigen Anforderungen gewachsen sein. Die Feder soll z. B. genügend Kraft entwickeln, die sie allmählich und gleichmäßig abgibt, ohne dabei zu ermüden, die Gleitflächen der Lager sollen der Bewegung geringsten Widerstand entgegensetzen, keine Abnutzung zeigen, das Öl nicht ungünstig beeinflussen; während von diesem wieder ein kleiner Tropfen jahrelang frisch bleiben, seine Schmierfähigkeit behalten und im Lager zusammenbleiben soll. So muß jedes einzelne Teil eine größere Zahl von wertvollen Eigenschaften aufweisen, von denen keine zu entbehren wäre.

Rohstoffe – Werkstoffe – Hilfsstoffe


Der Vielseitigkeit der Anforderungen entspricht es, daß wir für die Herstellung jedes Teiles nur den geeignetsten Baustoff verwenden. In der Hauptsache sind es Stahl, Messing, Leichtmetalle und Zinklegierungen, auch Edelmetalle und Rubin. Diese und die zur Bearbeitung notwendigen Stoffe liefert uns die Natur aus ihren reichen Bodenschätzen, die in Form von Erzen, Erden, Kohle, Salzen und anderen zutage gefördert werden. Es sind dies die natürlichen Stoffe oder Rohstoffe. Durch umfangreiche Weiterverarbeitung und Veredlung werden sie für unsere Zwecke brauchbar gemacht und ergeben hierdurch die Werkstoffe. Alle Stoffe, die nun nicht zum eigentlichen Aufbau der Uhr Verwendung finden, sondern bei der Arbeit Hilfe leisten, bezeichnen wir als Hilfsstoffe (Reinigungsmittel, Öl, Schleif- und Poliermittel usw.).

Aufbau der Stoffe


Da die Eigenschaften der Werkstoffe in der Hauptsache von ihrem Aufbau und ihrem Zustand abhängen, wollen wir im folgenden ein Stück Metall näher betrachten. Lassen wir auf dieses einen Druck (eine Kraft) einwirken, so wird es etwas kleiner werden, vermindern wir den Druck (die Kraft), so wird es sich wieder ausdehnen. Das gleiche geschieht, wenn wir das Stück abkühlen bzw. erwärmen. Dies beweist, daß das Metall vorher nicht den ganzen Raum ausgefüllt haben kann, sondern daß Zwischenräume vorhanden sein müssen, die durch den Druck (die Kraft) oder die Temperaturänderung vergrößert oder verkleinert werden können.2

Molekel – Atom


Trotz des scheinbar vollkommen dichten Gefüges, so wie wir das Stück beim Betrachten mit bloßem Auge erkennen, besteht es aus einer großen Zahl kleinster Massenteilchen, aus Molekeln3 (molecula = Teilchen; Verkleinerungsform von moles = Masse) und Atomen (atomos = unzerschneidbar). Von diesen können wir uns erstere als solche kleinste für sich bestehende Massenteilchen vorstellen, die wir aus dem anscheinend zusammenhängenden Stoff durch Feilen oder Zerstampfen und nachfolgendes Zerreiben, also auf mechanischem Wege, in die kleinstmögliche, für uns nur in der Vorstellung erreichbare Größe zerteilt haben und von denen jedes Teilchen noch alle kennzeichnenden Eigenschaften des Ausgangsstoffes besitzt. Das vom Uhrmacher verwendete Polierrot z. B. ist Ferritoxyd = Fe2O3 (Verbindung von 2 Teilen Eisen mit 3 Teilen Sauerstoff). Das einzelne Kleinstteilchen dieses roten Pulvers besitzt den Durchmesser von etwa 1 µm4. Auch durch die äußerste Zerkleinerung haben diese Teilchen ihre ursprüngliche chemische Zusammensetzung jedoch nicht geändert. Entsprechend der Art des Stoffes bilden die Molekeln immer noch chemische Verbindungen aus zwei oder mehreren der bekannten Grundstoffe oder Elemente. Ein Molekel Wasser besteht immer aus zwei Atomen Wasserstoff und einem Atom Sauerstoff – H2O –. Zersetzen wir aber angesäuertes Wasser durch den elektrischen Strom (Elektrolyse, Abb. 2), so erhalten wir immer zwei Raumteile Wasserstoff – 2H – und einen Raumteil Sauerstoff – O –. Es müssen also auch in jeder Molekel – H2O – zwei Stoffteilchen Wasserstoff und ein Stoffteilchen Sauerstoff enthalten sein. Diese durch Trennung auf chemischem Wege erhaltenen kleinsten Einheiten der Molekel heißen Atome.

Die Elektrolyse des Wassers. Das Wasser wird durch den elektrischen Strom in doppelt soviel Wasserstoff als Sauerstoff zerlegt.
Abb. 2

Sie nehmen infolge ihrer Ausdehnung in Länge, Breite und Höhe einen Raum ein und sind daher Körper. Jede Molekel ist aus Atomen zusammengesetzt. In den Atomen erkennen wir somit die kleinsten chemischen Bausteine aller Molekeln und damit auch aller Körper.

Kristall


Nach Feststellungen im Röntgenbild zeigen die Stoffe im festen Zustand durch die gegenseitige Bindung der Molekeln (Kohäsion = Anziehungskraft zwischen den Molekeln ein und desselben Körpers) eine vollkommen regelmäßige Anordnung. Es haben sich beim Aufbau infolge der jeweiligen chemischen Zusammensetzung Kristalle gebildet. Diese sind durch ebene Flächen gesetzmäßig begrenzte Körper, deren Form in erster Linie von der chemischen Zusammensetzung des Stoffes abhängt.

Eines der einfachsten Beispiele hierfür ist der Steinsalzkristall, bestehend aus dem Metall Natrium und dem Gas Chlor – Natriumchlorid – NaCl –. Die Atome liegen nebeneinander, immer ein Chlor- neben einem Natriumatom in regelmäßigem Abstand, einen Würfel bildend (Abb. 3). Ein Na-Atom ist immer von sechs Cl-Atomen umgeben. Dieser Atomfeinbau wird als Raumgitter oder Kristallgitter bezeichnet. Die gegenseitigen Spannungen der Atome halten das Ganze im Gleichgewicht zusammen. Es verbleibt jedem Atom nur noch der Raum, um geringe Schwingungen um seinen Ort ausführen zu können.

Steinsalzgitter

Abb. 3

In dieser Weise ist jeder feste (Metall-) Körper5, der Wertigkeit seiner Grundstoffe entsprechend, symmetrisch in den verschiedenartigsten, oft kompliziertesten Kristallformen aufgebaut. Die Wertigkeit ist die Fähigkeit eines Elementes, eine gewisse Zahl andersartiger Atome an sich zu binden. Beim Wasser – H2O – besitzt der Sauerstoff doppelt soviel Bindekraft wie der Wasserstoff; O ist also zweiwertig, H ist einwertig (H – O – H). Natriumchlorid = Steinsalz – NaCl –. Natrium ist einwertig, Chlor ebenfalls, Na – Cl. Andere Stoffe sind dreiwertig, vierwertig usw. Einige Elemente jedoch sind mehrwertig, d. h. sie können sowohl ein als auch zwei oder drei andersartige Atome binden.

Bei den uns in der Hauptsache interessierenden Metallen ist dieser Aufbau bis ins Große nicht so vollkommen durchgeführt wie etwa bei Quarz (Abb. 4), Diamant und anderen Edelsteinen, sondern die Kristallstruktur ist durch gegenseitige Behinderung der Kristallbildung während der Abkühlung, durch Unterbrechung und Neubeginn des Baues verwischt. Es liegen kleine abgetrennte Gebiete unregelmäßig durcheinander (Abb. 5).

Quarzkristalle

Abb. 4

Messing mit 40 % Zn (nach dem Walzen bei 850° C geglüht)

Abb. 5

Infolge der den Atomen innewohnenden Energien geht im Innern des Kristalls ein ständiges Schwingen vonstatten. Es wird mit Wahrscheinlichkeit angenommen, daß das Atom wiederum in sich aus einem positiv elektrisch geladenen Kern, dem Atomkern, und einer der Ordnungszahl des Elementes entsprechenden Anzahl um diesen Kern kreisender Elektronen (negativ elektrisch geladen) besteht, also aus einer größeren Zahl kaum vorstellbar kleiner Teilchen, die, den sie beherrschenden Kräften folgend, unaufhörlich mit ungeheurer Geschwindigkeit um den Kern des Atoms schwingen (Abb. 6). Zwischen diesen kleinsten Teilen bestehen die schon erwähnten Zwischenräume, die ein Durchdringen der Masse ermöglichen. Diese wahrnehmbaren Zwischenräume dürfen wir aber nicht mit den Hohlräumen eines durch Gießfehler porös gewordenen Gußstückes verwechseln.

Wasserstoffatom bestehend aus dem Kern und dem Elektron.

Kohlenstoffatom; Ordnungszahl 6 = 6 Elektronen in 2 Schalen.

Abb. 6

Die innerhalb jedes Atoms wirkenden elektrischen6 Kräfte bewirken nun durch ihre Spannung, daß der Körper einer Verformung, Trennung oder einem Zusammenpressen Widerstand entgegensetzt. Durch...

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