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E-Book

Leistungsbeurteilung und Anreizsysteme

Motivation - Vergütung - Incentives

AutorHerwig W. Kressler
VerlagRedline Verlag
Erscheinungsjahr2001
Seitenanzahl214 Seiten
ISBN9783864147982
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Leistungsorientierte Bezahlung, Anreiz, Bonussysteme und Stock Options sind immer Gesprächs- und Konfliktstoff. Mitarbeiterzufriedenheit, Arbeitsmotivation und Leistung sind mit den Vergütungsstrategien der Unternehmen eng verknüpft. Aber Leistung und Potential müssen ebensowenig identisch sein wie Motivation und Anreiz. Der Autor zeigt die Unterschiede klar auf und erklärt, welche Instrumente wozu verwendet werden können: Enttäuschte Erwartungen, Missverständnisse und Ineffizienzen werde so vermieden. Umfassend und doch konzentriert stellt er die verschiedenen Anreizsysteme (Bonus, ergebnisabhängige, erfolgsorientierte, variable Bezahlung) dar und ergänzt diese durch eine Auswahl an Vergütungsstrategien incl. der gegenwärtigen Trends. Daneben geht er ebenso auf das Beurteilungsgespräch selbst wie auf die besten Voraussetzungen dafür ein.

Dr. Herwig W. Kressler war für den Unilever Konzern in (tm)sterreich, den Niederlanden und England tätig; unter anderem im Vorstand der österreichisch en Unilever, als Personalverantwortlicher für die Gesellschaften in Lateinamerika, Afrika, Asien und mit weltweiter Verantwortung für Remuneration und Industrial Relations. Er ist heute Präsident des ZBP (Zentrum für Berufsplanung) an der Wirtschaftsuniversität Wien. Außerdem ist Dr. Kressler Lehrbeauftragter der Universität Wien und hat bereits zahlreiche Bücher und Fachartikel zum Thema Personalmanagement veröffentlicht.

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Leseprobe

2| Beurteilen von Leistung und Potential


1. LEISTUNGSBEURTEILUNG


Über Sinn und Zweck


Der Sinn des Beurteilens einer Leistung liegt darin, zu überprüfen, inwieweit diese Leistung dem Vereinbarten entspricht, inwiefern sie die - wohl auch vereinbarte – Gegenleistung wert ist. Soweit bewegt sich das Beurteilen auf der Ebene konkreter oder zumindest verifizierbarer Fakten. Darüber hinaus schwingt jedoch noch sehr viel mit, was mit der eigentlichen Leistung zwar nur indirekt zu tun hat, aber von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Es wird nämlich – ausgesprochen oder unausgesprochen – zugleich auch eingeschätzt, auf welche Weise die Leistung vollbracht wurde, ob die Rahmenbedingungen schwierig oder günstig waren, welche Fähigkeiten, Stärken oder Schwächen zu Tage getreten sind, ob ähnliche, höhere oder geringere Leistungen auch in Zukunft erwartet oder gefordert werden, welche Rückkoppelung dem/der Leistenden gegenüber sinnvoll oder vielleicht auch opportun wäre, ob er oder sie eher zu ermutigen oder eher zu bremsen ist, ob diese bestimmte Leistung vielleicht auf Kosten anderer Aufgaben erbracht wurde: derartige und zahllose andere Überlegungen spielen eine mehr oder weniger sichtbare Rolle.

Beurteilen ist keineswegs ein Phänomen, das nur der Arbeitswelt vorbehalten ist. Im Gegenteil: Das Bilden von Urteilen, das Einschätzen von anderen Menschen, von Situationen, von Möglichkeiten, Erwartungen, Bedrohungen, Chancen, Gefahren ist ein so selbstverständlicher Teil unseres Lebens, dass man mit Sicherheit sagen kann: Man kann nicht nicht beurteilen. Dieses „Beurteilen“ ist geradezu Teil der menschlichen Überlebensstrategie. Da wir nicht nur in unserer beruflichen Arbeit, sondern in unserem gesamten Leben mehr oder weniger alltäglich Entscheidungen treffen müssen, was wir tun und was wir nicht tun oder welche von mehreren Möglichkeiten wir wählen, haben wir ständig zu urteilen und zu beurteilen. Manchmal ist es sehr schwierig, die richtige Wahl zu treffen. Es ist auch nicht immer leicht, über die relevanten Beurteilungs- und Entscheidungskriterien zu verfügen. Oft aber läuft unser Beurteilungsprozess wie von selbst ab, ohne dass wir uns darüber ständig Rechenschaft geben.

Man sollte also annehmen dürfen, dass das Beurteilen von Leistungen, die andere erbracht haben, aufgrund unserer großen Routine und Erfahrung keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Dass dem nicht so ist, hat eine Reihe von Gründen. Die wichtigsten sind:

  • Die Leistungsbeurteilung erfolgt nicht nur für den Beurteiler selbst, sondern sie hat – unter Umständen beträchtliche – Auswirkungen auf die Interessen der/des Beurteilten. Da geht es um Einkommen, Weiterbeschäftigung, Beförderung und natürlich auch um das Selbstwertgefühl, Sicherheit, Status.
  • Über die Leistungsbeurteilung gibt es Feed-back, wie deutlich oder undeutlich dies auch ausfallen mag. Das bedeutet für Beurteiler und auch Beurteilte eine oft nicht leicht zu erfüllende Aufgabe und möglicherweise ein Problem von Kommunikation und Wahrnehmung.
  • Beurteilung erfolgt auf einer Interaktionsebene, die infolge der in der Regel bestehenden Macht- und Interessenunterschiede einiges an Konfliktpotential aufweist.

Es ist also nicht verwunderlich, wenn das so unumgängliche und im Grunde völlig normale Be-Urteilen an alle Beteiligten hohe und nicht so ohne weiteres erfüllbare Anforderungen stellt.

Beurteilen im Unternehmen


Es sei vorweggenommen, dass die Grundsätze des Beurteilens, wie sie hier behandelt werden, nicht nur für Wirtschaftsunternehmen gelten, sondern auf alle Arten von Organisationen anwendbar sind, in denen Menschen zusammenarbeiten, um Leistungen zu vollbringen und damit Ziele zu erreichen. Diese Organisationen mögen auf Gewinn ausgerichtet oder Non-Profit-Organisationen sein, karitative Einrichtungen, Spitäler, Theater, Krankenkassen, Interessenvertretungen, politische Parteien, Genossenschaften, um nur einige zu nennen.

In Unternehmen und Organisationen jeglicher Art ist das Beurteilungswesen ein wichtiges Instrument der Führung. Es hat große Bedeutung für die Effizienz des Unternehmens, für den Einsatz der verfügbaren Mittel, für die Steuerung der Unternehmensprozesse und letztlich für die Erreichung der Unternehmensziele selbst.

Zugleich ist das Beurteilungswesen eine der Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Personalpolitik – vorausgesetzt, es funktioniert. Das „Funktionieren“ hängt wiederum von einer Reihe von Variablen ab, vor allem von

  • Unternehmenskultur,
  • Führungsstil,
  • der Form und den Zielsetzungen des gewählten Systems,
  • der Rolle, welche die Beurteiler und die Beurteilten in der konkreten Umsetzung spielen,
  • der Art, wie Beurteilungsergebnisse verwendet werden,
  • der Unterstützung und Begleitung durch Berater und Helfer.

Das Beurteilungswesen – darunter verstehen wir die Grundsätze, nach denen vorgegangen wird, und das Beurteilungssystem selbst – ist für alle Beteiligten wichtig und berührt wesentliche Interessen.

Das „funktionelle“ Beurteilen „von oben nach unten“

Die Beteiligten sind grundsätzlich alle Mitglieder der Organisation, egal in welchen Funktionsbereichen oder auf welchen Ebenen sie arbeiten. Sie sind, mit Ausnahme derer „ganz oben“ und derer „ganz unten“, sowohl Beurteiler als auch Beurteilte. Dies ergab sich traditionell aus der hierarchischen Relation, in der jemand gegenüber den an ihn oder sie berichtenden Mitarbeiter/innen als Beurteiler auftritt, der nächsthöheren Ebene gegenüber aber Beurteilte/r ist.

Die Beurteilung „von oben nach unten“ ist ein Muss, dem sich keine Organisation, kein Unternehmen entziehen sollte, da es ein Prozess ist, der sowohl für die wirtschaftliche wie auch für die personalpolitische Effizienz ein wichtiger Erfolgsfaktor ist. Es muss daher alles getan werden, um diese Methode so erfolgreich wie möglich zu installieren und alle Beteiligten für die Erfüllung dieser wichtigen Aufgabe vorzubereiten.

Wir werden uns in der Folge hauptsächlich mit dieser typischen Form der Leistungsbeurteilung beschäftigen, die auch Unternehmens- und personalpolitisch essentiell und als solches die funktionelle Form der Beurteilung ist.

Es gibt zwei Varianten des Beurteilungswesens, in denen diese Positionen auch umgekehrt oder abgewandelt werden, die interessant und einer kurzen Erörterung wert sind:

Das Beurteilen „von unten nach oben“

Dies kommt nicht sehr häufig vor und wenn es angewandt wird, dann zusätzlich zu dem Beurteilen „von oben nach unten“.

Bei Umkehrung der Beurteiler-Beurteilten-Relation verändern sich Wesen, Gegenstand und vor allem Zielsetzung der Beurteilung. Bewertet wird dann nicht primär die fachliche Leistung oder der Beitrag des/der Vorgesetzten zum Geschäftsergebnis, sondern vor allem die Art, wie er/sie als Leiter/in der Abteilung oder des Teams funktioniert. Es geht um Dinge wie Kommunikation, Motivation, Durchsetzung, Glaubwürdigkeit, Ausbildung, aber auch Effizienz, Zielsetzung, Kontrolle, Feed-back.

Meist werden diese und ähnliche Faktoren nicht als Leistung im Vergleich zu einer Zielsetzung beurteilt, sondern im interpersonalen Verhältnis von Mitarbeiter/in zu Vorgesetzter als subjektive Mitteilung, Rückkoppelung und Kritik – positiv oder negativ – zur Diskussion gestellt. Es kann dann durchaus zu einem Einverständnis zwischen den beiden Kontrahenten über Änderungen im Vorgesetzten- und/oder Mitarbeiterverhalten kommen.

Die Art und Weise, wie mit dem Beurteilen „von unten nach oben“ umgegangen wird, kann den Zusammenarbeitsstil in der Abteilung, der Gruppe oder auch im gesamten Unternehmen stark prägen. In einem Fall, den der Autor selbst erlebt hat, gab der Leiter der Abteilung all seinen Mitarbeiter/innen am Ende der Beurteilungsgespräche aus seiner Sicht eine Zusammenfassung der Kommentare und Kritikpunkte, die ihm mitgeteilt worden waren, und knüpfte daran Absichten und Erwartungen darüber an, was er beibehalten und was er verändern wollte.

Mehr noch als das Beurteilen „von oben nach unten“ ist der umgekehrte Vorgang stark abhängig von Struktur und Kultur der Gruppe sowie den zwischenmenschlichen Verhältnissen, die darin herrschen. Die Beurteilung „von unten nach oben“ sollte daher nicht zur unbedingten Verpflichtung gemacht werden, da es sich dabei um Kriterien handelt, die noch viel weniger objektivierbar sind als die unternehmensspezifischen Leistungszielsetzungen und dadurch die Bereitschaft und vor allem die Fähigkeit des Beurteilens viel stärker von der interpersonalen Kompetenz der Partner – die das auch genuin sein sollten – abhängt als im Verhältnis „von oben nach unten“. Wenn Letzteres schon schwierig genug ist, dann ist Ersteres in manchen Konstellationen schlicht...

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