Wer von den Erfolgsstrategien anderer profitieren möchte – egal ob im Sport, in der Musik, beim Kochen, im Beruf oder eben beim Lernen –, der muss die Erfolgreichen zunächst sehr genau analysieren. Auf diese Weise gelingt ein rascher Expertise-Transfer ohne Streuverluste.
Die folgende Beschreibung des minimalistischen Erfolgreichen basiert nicht nur auf jahrelanger Lerncoaching-Praxis, sondern auch auf einem Modelling-Projekt: Hier wurden „Leistungsstarke“ mit „Leistungsschwachen“ verglichen, damit entscheidende Unterschiede identifiziert werden können.
Um ein möglichst ganzheitliches Bild aus der Sicht des Experten zeichnen zu können, haben wir die etwas modifizierten Veränderungs- ebenen – auch „Dilts-Ebenen“ genannt, nach Robert Dilts, einem US-amerikanischen Verhaltenstherapeuten, Trainer und einem der frühen Wegbereiter des NLP – angewendet.
HINTERGRUNDWISSEN
NLP (neurolinguistisches Programmieren) ist ein psychologisches Konzept für gelungene Kommunikation, Selbstmanagement und persönliche Veränderung. Es wurde in den 1970er-Jahren von dem Psychologen Richard Bandler und dem Linguisten John Grinder durch die Analyse erfolgreicher Therapeuten und Coaches entwickelt und zu einem fundierten Modell mit einer Vielzahl von pragmatischen psychologischen Methoden zusammengefasst. Heute wird NLP im Beruf, im Sport, in der Pädagogik, im Coaching und Training und natürlich im Lernbereich erfolgreich eingesetzt.
WAS VERÄNDERUNG NACHHALTIG MACHT
Robert Dilts geht davon aus, dass Veränderung nur dann langfristig Bestand hat, wenn sie auf mehreren verschiedenen Ebenen erfolgt. Wer zum Beispiel lernen möchte, so exzellent wie ein Sternekoch zu kochen, dem wird es nie gelingen, wenn er nur einfach das Verhalten des Vorbilds nachahmt. Viel wichtiger ist es herauszufinden, was sich im Kopf dieses Kochprofis abspielt: Welche Werte hat er, welche Überzeugungen hat er und welche mentalen Strategien wendet er an? Nur unter Berücksichtigung all dieser Faktoren kann man sich nach und nach zu einem Experten entwickeln.
Die folgenden grundsätzlichen Ebenen lassen sich abgrenzen und in der Veränderungsarbeit nutzen.
Umwelt-Ebene: alles, was außerhalb des Körpers liegt, also die Umgebung, der Ort, der Raum, der Schreibtisch und die Kleidung, aber auch andere Personen oder Materialien.
Verhaltensebene: von außen beobachtbares Verhalten.
Fähigkeiten-/ Strategie-Ebene: vor allem mentale Prozesse, Denkweisen und Emotionen. Oft spiegeln sich diese dann in offensichtlichen Verhaltensweisen wider.
Glaubenssätze/Einstellungen: generalisierte Erfahrungen, die zu inneren Überzeugungen werden – über sich selbst, über andere, über Situationen oder Aufgaben.
Werte: als Motor für unser Denken und Verhalten geben sie uns eine Orientierung, was richtig oder falsch, erstrebenswert oder vernachlässigbar ist.
In dem Modelling-Projekt „Lernen für Faule“ wurden nun die einzelnen Lernstile (siehe Kapitel 1 ab Seite 14) nach diesen Veränderungsebenen abgeklopft. Die Gestalt des minimalistischen Erfolgreichen kristallisierte sich zunehmend heraus, sodass sich jetzt ein klares Expertenbild beschreiben lässt, welches Grundlage für die Schlüsselfaktoren für Effektiv-Lernen darstellt.
HINTERGRUNDWISSEN
Beim professionellen Expertise-Transfer geht man der Frage nach, was Experten im Vergleich zu Anfängern anders machen. Dazu werden Kriterien bestimmt, die die Expertise beziehungsweise Leistungsschwäche definieren, und dementsprechend Probanden ausgewählt. Bei der Analyse sind vor allem die Gemeinsamkeiten unter den Experten und zugleich die Abgrenzungen von Experten zu Anfängern interessant. Es wird also der Frage nachgegangen: Was haben die Experten gemeinsam und was ist unterschiedlich im Vergleich zu den Anfängern? Diese Unterschiede, die das Lernergebnis maßgeblich prägen, lassen schließlich das Erfolgsrezept deutlich werden.
SO TICKEN MINIMALISTISCHE ERFOLGREICHE
Umwelt-Ebene
•Minimalisten haben keine besonderen Lernorte, sie schaffen sich überall kleine Lerninseln, egal ob im Zug, beim Warten an der Supermarktkasse, in der Hängematte oder am Schreibtisch.
•Minimalisten, die erfolgreich sind, haben ein unterstützendes Lernumfeld, das sie so akzeptiert, wie sie sind, ohne sie ständig zu ermahnen oder verändern zu wollen.
Verhaltensebene
•Minimalisten lernen grundsätzlich eher wenig, oft betreiben sie lediglich 10 Prozent des Zeitaufwandes eines disziplinierten Erfolgreichen.
•Minimalisten lernen meist nicht lange am Stück, sondern eher in kleinen, intensiven Häppchen.
•Minimalisten erstellen meist Kurzzusammenfassungen und arbeiten dann nur noch mit diesen.
•Minimalisten lesen schnell und arbeiten in hohem Tempo.
•Minimalisten tun nur das Notwendigste.
Fähigkeiten- und Strategie-Ebene
•Minimalisten können sich auf den Punkt genau konzentrieren, egal wo und wann.
•Minimalisten können Lernstoff gut sondieren, minimieren und ordnen.
•Minimalisten erkennen sehr schnell Muster im Lernstoff und bei ihren Lehrern und Professoren.
•Minimalisten haben einige wenige, aber dafür sehr clevere Lernmethoden.
•Minimalisten motivieren sich auf sehr spezielle Weise zu kurzen Höchstleistungen.
•Minimalisten machen sich strategische Gedanken zu Prüfungen.
Glaubenssätze/Überzeugungen
•Minimalisten haben überdurchschnittlich häufig folgende Glaubenssätze im Kopf:
•„Minimalziele sind okay.“
•„Ich muss nicht perfekt sein!“
•„Ich kann selbst entscheiden, wie tief ich in den Lernstoff einsteigen will.“
•„Ich bin okay, auch wenn ich nicht Bestleistung zeige.“
•„Aus Halbwissen kann man viel machen!“
•„Ich darf strategisch an Prüfungen herangehen.“
•„Ich muss nicht vorbildliche, mustergültige Lernmethoden einsetzen.“
•„Ich darf schnell lernen.“
Werte
•Auf die Frage, was ihnen wichtig im Leben ist, antworten Minimalisten sehr häufig:
•Erfolg (Disziplin dagegen rangiert in der Werteskala ganz unten)
•Anerkennung (durch Zertifikate, gute Noten oder durch andere, für sie wichtige Menschen)
•Zugehörigkeit (zu bestimmten Gruppen/Peers und Familie)
•Cleverness (im Sinne von: schlaue, schnelle Lösungen finden, die auch aus dem „Normalen“ ausbrechen können)
Wir haben auf verschiedenen Ebenen wesentliche Erkenntnisse über unsere Vorbilder, die minimalistischen Erfolgreichen, gewonnen. Wir haben herausgefunden, wie sie denken, fühlen, sich grundlegend verhalten und mental vorgehen, und zwar im Gegensatz zu den weniger Erfolgreichen. So erlangten wir wertvolle Hinweise für den Start einer vielschichtigen Veränderung. Diese Kenntnisse bilden zwar ein gutes Fundament, doch darüber hinaus ist es notwendig, herauszufinden, WIE genau sie beim Lernen vorgehen – das wissen wir an dieser Stelle ja noch nicht.
Im Hauptteil des Buches geht es daher darum, die sieben Schlüsselfaktoren für leistungsstarkes Minimal-Lernen kurz zu beschreiben und eine Vielzahl von Methoden und Strategien anzubieten, um diese à la Minimalist selbst anwenden zu können. Dabei brauchen sie nicht Zeit „verschwenden“, indem sie an allen Stellschrauben drehen. Denn sie können sich genau die Themen heraussuchen, die für sie relevant sind. Die den Unterschied machen, damit sie mit minimalem Aufwand viel erreichen können.
VON DEN ERFOLGREICHEN LERNEN
•Es ist viel zielführender zu lernen, was Erfolgreiche richtig machen, als zu vermeiden, was Erfolglose falsch machen.
•Nachhaltige, erfolgreiche Veränderung braucht einen ganzheitlichen Mehr-Ebenen-Ansatz.
•Die Veränderungsebenen für Erfolg sind: Umwelt, Verhalten, Strategien und Fähigkeiten, Glaubenssätze und Überzeugungen und Werte.
Daraus lassen sich die sieben Schlüsselfaktoren für erfolgreiches Lernen mit minimalem Aufwand herauskristallisieren.
Für jeden Schlüsselfaktor gibt es praxisorientierte Methoden und Ansätze, die jeder erlernen und weiterentwickeln kann.
TAGEBUCHEINTRAG: In der Schulzeit ist es mir oft schwergefallen, meine Art zu lernen zu akzeptieren. Es hat zwar meistens funktioniert, aber ich hatte immer das Gefühl, nicht gut genug zu arbeiten. Dass ich mich nicht richtig vorbereiten würde. Dass ich es einfach nicht richtig machte und dass ich, wenn ich mich nur anstrengen würde und ein bisschen diszipliniert wäre, auch lernen könnte wie alle anderen. Und wie es Lehrer von einem zu...