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Let's Go (So We Can Get Back)

Aufnehmen und Abstürzen mit Wilco etc.

AutorJeff Tweedy
VerlagVerlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783462316360
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
So komisch, warmherzig und gleichzeitig tiefgründig wurde selten über Musik geschrieben! Wilco ist eine Rockband aus Chicago, deren Frontmann Jeff Tweedy für seine Musik vergöttert wird. Endlich spricht er offen und unfassbar humorvoll über seinen Werdegang und sein Leben. Doch das eigentliche Thema dieses Buches ist die Musik und ihre Kraft, Leben zu verändern. Es gibt nicht viele Bands, die solch treue Anhänger haben wie Wilco. Und das ist vor allem ihrem Frontmann Jeff Tweedy zu verdanken. Wilcos Songs wurden von Fans und der Kritik endlos analysiert, doch Jeff Tweedy hat stets nur sehr wenig über sich selbst und seine Arbeit preisgegeben. Bis jetzt! In seinem von Fans lang ersehnten Memoir schreibt Tweedy über seine Kindheit in Belleville, Illinois, über seinen liebsten Plattenladen in St. Louis, seine ersten Auftritte in Clubs mit der legendären Alternative-Country-Band Uncle Tupelo und später mit Wilco, und wie all das seine Musik beeinflusst hat. Tweedy spricht schonungslos offen über seine Tablettensucht, seine Eltern und seine Familie. Jeff Tweedy schenkt uns wahre Einblicke in sein Leben und seine musikalischen Prozesse, teilt Geheimnisse mit uns und beweist, dass auch seine literarische Stimme überzeugt. Und am Ende bleibt nur zu sagen: was für ein musikverrücktes Genie!

Jeff Tweedy ist der Frontmann der amerikanischen Rockband Wilco und einer der gefeiertsten amerikanischen Songwriter, Musiker und Performer. Seit der Geburt seiner Band Wilco 1994 hat er Songs für zehn Alben geschrieben, und mit dem Sänger Billy Bragg drei Alben mit Woody Guthrie inspirierten Songs aufgenommen. 2014 veröffentlichte Tweedy einen Song mit seinem Sohn, dem Drummer Spencer Tweedy. Tweedy hat mit WIlco einen Grammy gewonnen. Er lebt mit seiner Familie in Chicago.

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Leseprobe

Einleitung


Niemand will das Auge der Katze essen.

Ich bin kein sonderlich abergläubischer Mensch, aber das verstehe ich. Wenn auf Tour mysteriöserweise einfach so ein Red Velvet Cake mit einem Katzengesicht in der Glasur im Backstage auftaucht, der Kuchen am darauffolgenden Abend unerklärlicherweise wieder da ist und fünf Tage und zwei Städte später immer noch, mit zwei herausgeschnittenen Stücken, aber weitestgehend unversehrtem Katzengesicht und vor allem vollständigen Augen – also da finde ich es nicht unverhältnismäßig, wenn man ein wenig vorsichtig wird. Was, wenn es ein dämonischer Katzenkuchen ist? Ist es wahrscheinlich nicht, aber niemand in der Band weiß, woher dieser Kuchen kam, oder kann sich erklären, wie er uns so weit folgen konnte, weswegen ich die Möglichkeit nicht völlig auszuschließen vermag, dass es sich hierbei um eine Art übersinnliche Süßspeise handelt.

Ich befinde mich in der Garderobe des Kings Theatre in Brooklyn, sitze auf einem Sofa, klimpere gedankenverloren auf meiner Gitarre herum und versuche, den Blickkontakt mit dem Katzenkuchen zu vermeiden. Nels Cline, der Gitarrist meiner Band Wilco, hat sich wagemutig bereit erklärt, als Erster einen Bissen zu probieren.

»Schmeckt überhaupt nicht nach dem Album«, verkündet er.

Das finde ich beruhigend.

Seit der Veröffentlichung des Albums ist uns zu Ohren gekommen, dass in den Häusern der Eltern oder Großeltern einiger unserer Anhänger Reproduktionen von exakt diesem Gemälde hängen. So konnten wir also einigen glücklichen Fans einen zwar unbeabsichtigten, aber dennoch befriedigenden Freak-Out als Bonus liefern. Wir haben versucht, den Künstler ausfindig zu machen (und mit »wir« meine ich Mark, meinen guten Freund und Studio-Manager, von dem auch die Idee zu dem Cover stammt). Das Bild wurde von jemandem namens Tamara Barett signiert, aber niemand mit diesem Namen will sich zu diesem Katzenporträt bekennen. Wir haben ein halbes Dutzend Tamara Baretts kontaktiert in der Hoffnung, dass eine von ihnen die Urheberschaft für sich beanspruchen würde, aber alle gaben sich ahnungslos. Wir haben sogar E-Mails ausgetauscht mit Tamara Burnett, einer Haustier-Porträtistin, deren Stil beinahe identisch ist mit dem von Tamara Barett. Aber Burnett ließ uns wissen, dass wir die falsche Tamara hatten, gestand jedoch: »Es sieht aus wie etwas, das ich gemalt haben könnte.«

Als wir das Bild auf unser Albumcover packten, hofften wir, ihre Aufmerksamkeit zu erregen – die der echten Tamara –, zumindest so weit, um sich einen Anwalt zu nehmen und uns mit einer Klage wegen unerlaubten Benutzens ihrer Kunst zu drohen. Dann hätten wir sie bezahlen können. Hat aber nicht funktioniert. Wir hörten nichts, keinen Piep. (Wir haben nicht mal was von George Lucas gehört, dabei war ich sicher, dass wir zumindest eine Unterlassungsaufforderung bekommen würden, weil wir das Album Star Wars genannt hatten. Wir hatten sogar ein Ersatz-Artwork in der Hinterhand, um das Album in Cease and Desist – Unterlassung – umbenennen zu können, für den Fall, dass er uns juristisch nachstellen würde. Aber nix. Alles umsonst.)

An diesem Punkt fragst du dich wahrscheinlich: »Geht das jetzt das ganze Buch über so weiter? Wird er fast 300 Seiten lang kitschige Katzenkunst übererklären?« Vielleicht. Es ist noch ein bisschen zu früh, um das sagen zu können. Sorry, wenn das hier nicht das sein sollte, was du erwartet hast. (Und sollte es das sein, tja, also … Hut ab, ich bin beeindruckt.)

Vielleicht denkst du außerdem: »Apropos Katzen, ich wette, es gibt eine überaus durchdachte und interessante Erklärung dafür, dass Wilco eine Perser- oder möglicherweise auch Langhaar-Katze auf ein Albumcover packen.« Zuerst einmal: Vielen Dank für diese Vermutung. Lass mich deine Frage beantworten, indem ich sie nicht wirklich beantworte. Das Katzenbild hängt, wie bereits erwähnt, im Loft, wo wir proben und zuweilen auch aufnehmen, wir sehen es also jeden oder beinahe jeden Tag.

Das Loft ist jedoch ein weitläufiger Raum, in dem sich eine Menge Kunst befindet. Das Katzenbild hängt in der Küche, also sehen wir es nur während des Mittagessens und in den Snack-Pausen zwischen den Jamsessions. (Ja, genauso reden professionelle Musiker. »Jemand Bock auf ’ne Jamsession?« »Klar, warum nicht, lass uns bisschen jammen.« »Also dann, es sei Jam!«) Im Aufnahmebereich, auf dem Mischpult, stehen zwei gerahmte, signierte Schwarz-Weiß-Fotos von Bob Newhart und Don Rickles. Es sind die zentralen Objekte des Raums. Beide sind mit Für Wilco signiert, aber nur Dons Signatur ist noch sichtbar. Newharts Signatur ist nicht mehr da. Und damit meine ich nicht etwa ›verblasst‹. Sie ist weg. Verschwunden. Seine Handschrift wurde ausgelöscht von der Kraft traurigen Mid-Tempo-Rocks. Ich weiß, dass dies keine befriedigende Erklärung ist, aber mehr habe ich nicht.

Zwischen den Newhart- und Rickles-Porträts befindet sich ein genauso großartiges (und ebenfalls signiertes) Foto von Rich Kelly & Friendship. Solltest du mit diesem Ensemble aus New Jersey nicht vertraut sein, möchte ich, dass du etwas für mich tust. Lege dieses Buch zur Seite, gehe zum nächsten Gerät mit einer Internetverbindung, dirigiere deinen Browser zu YouTube und suche nach »Rich Kelly & Friendship« und »I’d Like to Teach the World to Sing«. Und dann guck’s dir an. Und zwar ganz. Solltest du es eilig haben, spule vor bis zu Minute 1:35, wenn der Bassist in ein fröhliches Fuß-Solo ausbricht. Alles an diesem Video, aber vor allem das Tanzen, macht mich glücklich. Ich liebe es, wie der Gitarrist seinen Mikrofonständer aus dem Weg stellt und damit suggeriert, dass der fröhliche Fuß-Freak-Out des Bassisten ansteht. Ich liebe es, wie sie, wenn es vorbei ist, seinen Namen rufen – »Tom Sullivan!« – und damit erneut bestätigen, dass das eben, jawohl, ein Solo war, und nicht einfach nur der Moment, an dem Tom Sullivans Diätpillen reinknallten. Das ist nicht nur ein grobkörniges Video der besten Lounge-Band, von deren Existenz du bis gerade eben noch nichts wusstest, sondern nichts weniger als magischer Realismus. Jetzt habe ich natürlich kein abgeschlossenes Studium der Kunstgeschichte vorzuweisen, weiß also nicht, ob das technisch korrekt ist, aber auf jeden Fall wirkt es wie magischer Realismus auf mich, weil es etwas ist, das wirklich geschehen und somit real ist – und es ist verdammt noch mal magisch.

Dieses gerahmte Foto von Rich Kelly & Friendship in uniformen Smokings, flankiert von den Porträts von Don Rickles und Bob Newhart, bildet das bestimmende Element im Loft. Man könnte es sogar die Heilige Dreifaltigkeit unseres Aufnahmebereichs nennen. Man kann es unmöglich ignorieren oder so tun, als sei es nicht da, nicht mit all diesen Augenpaaren, die einem überallhin folgen. Das wäre, als würde man in die Basilika Santa Chiara in Italien gehen und nicht das San-Damiano-Kreuz bemerken. Natürlich bemerkt man es. Da hängt ein riesiges, historisch bedeutsames Kruzifix an der Wand! Genau dieses Gefühl wollen wir den Leuten geben, wenn sie das Loft betreten. Man blickt auf Bob, Don und Rich, wie man hoch zum Damiano-Kreuz starren würde – in stummer Ehrfurcht, mit offenem Mund und voller Bewunderung ob der überwältigenden, unbegreiflichen Unendlichkeit des Universums.

Das also sahen wir, als wir das Star Wars-Album aufgenommen haben. Jeder Song, jeder Ton entstand unter ihrem wohlwollenden, kollektiven Blick. Ich erinnere mich, wie ich die Zeile »Orchestrate the shallow pink refrigerator drone« sang, aufblickte und das Gefühl hatte, als würde Don meinen Blick erwidern und sagen: »Pink refrigerator drone? Junge, geht’s noch?!«

Der springende Punkt ist, dass es keinen faszinierenden oder ästhetisch anspruchsvollen Grund dafür gibt, dass wir eine Katze auf das Cover unseres Albums genommen und es Star Wars genannt haben. Das Album brauchte einen Titel und ein Cover. Das Katzen-Gemälde hätte genauso gut das Don-Rickles-Porträt sein können. Und statt Star Wars hätten wir das Album auch Jerry Maguire oder E.T. nennen können, und es hätte genauso viel Sinn ergeben. Ich versuche hier nur, das für dich alles in den richtigen Kontext zu setzen. Es wäre absolut plausibel, wenn Wilco ein Album namens Wrath of Khan gemacht hätten mit einem Albumcover, das lediglich aus einer alten Schwarz-Weiß-Nahaufnahme von Don Rickles im Smoking besteht.

Und das kann immer noch passieren.

 

Ich bin generell eher ein gehemmter Mensch, und zwar aus vielerlei Gründen, die ich dir später hoffentlich noch werde erläutern können, und ein Buch über einen selbst zu schreiben macht die Sache nicht gerade besser. Man ist im Grunde die Hauptfigur seiner eigenen Geschichte. Wie soll man sich da nicht in einem fort fragen: »Für wen halte ich mich eigentlich?« Und: »Sieh dich an, schreibst du also ein Buch. Bist was ganz Besonderes, hä?!« Es soll kein Roman werden, also gehe ich mal davon aus, dass es meine Pflicht ist, die Wahrheit zu sagen. Ich bin mir aber auch absolut darüber im Klaren, dass ich nicht vollkommen objektiv sein kann. Ich meine, ich kann dem Protagonisten ja keinen fatalen Fehler andichten, von dem wir alle wissen, dass er im letzten Kapitel die Ursache seines Untergangs sein wird. Also, ich meine, hoffentlich kann ich das nicht im Falle dieses Buches, wie auch immer. Vielleicht gibt es da ja einen fatalen Fehler in meinem Leben, und ich bin der Einzige, der ihn nicht sieht. Vielleicht schreibe ich mich hier geradewegs...

Blick ins Buch

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