25. September 2002
Wolfgang holt sich ein Gartengerät von Heiderose Henke zurück. Als er sie nur flüchtig begrüßt, fragt sie, ob er eine andere habe und er erzählt von seinem Mailkontakt in Dresden. Da fällt sie ihm um den Hals und sagt unter Tränen: „Ich liebe dich doch.“ Das tut ihm leid und er lädt sie zum Abend ein. Sie sagt „Stell den Sekt kalt“. Auf dem Heimweg begreift er, was er damit wieder begonnen hat und sagt zu sich: „Fyps, du spielst ein gefährliches Spiel.“
25. 9. 2002 Lieber Wolfgang,
die Neugierde eines weiblichen Wesens ist auch mir zu eigen. Also habe ich mich nur meiner Schuhe entledigt und den Computer angeworfen. Zuerst vielen Dank für die, ganz ehrlich, erhoffte Mail, und nun möchte ich Ihnen noch einige Gedanken verraten, die mir heute in den Sinn gekommen sind: Es ist so bereichernd, sich mit Ihnen auszutauschen. Außerdem haben Sie schon wahre Wunder an mir vollbracht. Ich gehe alles ruhiger an und schaue aufgeschlossener in die Zukunft, in der ja alles offen ist. Vielleicht war ich auch zu lange allein. ... Mir kommen zwei Sprüche in den Sinn, die mir wichtig sind: Mein Vater schrieb in mein Poesiealbum: „Tue recht und scheue niemand, das gibt Dir auf Deinen Lebensweg Dein Vati.“ Unser Kantor der Dresdner Martin-Luther-Kirche, in dessen Chor ich seit dem 10. Lebensjahr an die Musica sacra herangeführt wurde, schrieb: „Menschen zu finden, die mit uns fühlen und empfinden, ist wohl das höchste Glück auf Erden. So steht’s auch in der Musik. Nur was vom Herzen kommt, dringt zum Herzen.“ Zu meinen Eltern hatte ich eine innige Beziehung, mein Vater starb 1985, meine Mutter folgte 1996. Ich habe meine Erziehung voll akzeptiert und sie so an meinem Sohn fortgeführt, was mit seinem egozentrischen Vater nicht möglich gewesen wäre. ... Bekomme ich heute noch eine Mail als Belohnung? Herzliche Grüße, Rosana
Als Heiderose anruft, sie mache sich auf den Weg, überlegt Wolfgang, ob er absagen soll. Doch so hart kann er nicht sein. Mit schlechtem Gewissen beantwortet er noch schnell Rosanas Mail:
25. 9. 2002 Liebe Rosana,
Ihrem netten Wunsch nach Belohnung kann ich natürlich nicht widerstehen, es wird aber nur eine kurze Mail. Ich bereite nämlich eine Lesung vor, die ich morgen aus meinem Buch „Die unendliche Kostbarkeit der Frauen“ halte. Ich werde morgen zu einer ausführlicheren Antwort kommen und wünsche Ihnen jetzt erst mal eine gute Nacht.
Herzliche Grüße, Wolfgang
„Auf unsere Liebe“, will Wolfgang zu Heiderose sagen, als sie mit Sekt anstoßen, aber es kommt ihm nicht über die Zunge, denn Rosana ist in seinen Gedanken. Zwar findet er mit Heiderose wieder zärtlich zueinander, doch er sagt ihr sehr ernst, sie müsse ihr Verhalten grundlegend ändern, wenn ihre Liebe weiter bestehen solle.
26. 9. 2002 Liebe Rosana,
jetzt habe ich Zeit, Ihre Mail ausführlich zu beantworten. Meinen Lesungstext muss ich nur noch kurz lesen. Ich habe schon Autoren erlebt, die beim Lesen fürchterlich stotterten.
Um Ihren familiären Hintergrund beneide ich Sie. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich 10 Jahre alt war und ich glaube, dass ich nur durch die Gemeinschaft bei den Christlichen Pfadfindern zu einem einigermaßen brauchbaren Zeitgenossen geworden bin. Diese Erziehung in der Gemeinschaft junger Menschen hat wohl bewirkt, dass ich nicht so egoistisch geworden bin, wie Sie es von dem Vater Ihres Sohnes schildern. Man musste ja alles miteinander teilen. Es spricht für Ihre Selbstständigkeit, dass Sie sich von dem Mann getrennt haben. Mit meiner Frau, die auch aus einer zerbrochenen Ehe kam, war ich mir einig, dass wir unseren Kindern so etwas nie antun würden.
Neugierde, die Sie als Betreff Ihrer Mail gewählt haben, ist beileibe nicht nur eine weibliche Eigenschaft und ja nichts Schlechtes. Für ein Kind ist sie lebensnotwendig, es muss doch seine Umwelt erforschen und begreifen lernen. Auch ich bin sehr neugierig und habe auf unseren Reisen immer wieder gerne neue Gegenden und Städte kennen gelernt.
Ich schicke Ihnen das Bild einer Bougainvillea mit, das ich letztes Jahr in der Türkei gemacht habe. Ich wünsche Ihnen noch einen guten Abend und grüße Sie herzlich, Wolfgang
26. 9. 2002 Lieber Wolfgang,
... Über den Blumengruß habe ich mich gefreut. Ich hoffe, Ihre Lesung hat große Resonanz gefunden. Ich bin heute blitzartig zum Zahnarzt, weil ich tolle Zahnschmerzen hatte. ...
Mir gehen mal wieder viele Dinge durch den Kopf, die ich erst ordnen muss. Vielleicht vertraue ich mich Ihnen einmal an, lassen Sie mir Zeit. Noch eines: ich denke auch, dass wir einmal eine Flasche Rotwein miteinander leeren, aber vorher sollen Sie mich, der Gerechtigkeit willen, erst einmal im Bild sehen, und das geht erst nach dem Urlaub meiner jungen Leute. Herzliche Grüße, Rosana
Diese Mail rührt Wolfgang an, er weiß nicht mehr, wo er zwischen diesen Frauen steht. Mit Rosana fühlt er sich immer vertrauter, aber Heiderose ist ihm wieder nahe gekommen.
26. 9. 2002 Liebe Rosana,
Ich komme gerade von der Lesung zurück. Ich war zufrieden und hörte, dass es gut war. Über Ihre Mail habe ich mich gefreut und schreibe jetzt nur kurz, um Ihnen eine gute Besserung zu wünschen. Vielleicht schauen Sie morgen früh noch in die Box, bevor Sie zur Arbeit gehen. Auf Ihr Bild bin ich gespannt und lasse Ihnen gerne Zeit. Wir sind so alt geworden, dass wir nichts mehr überstürzen müssen.
Herzliche Grüße, Wolfgang
27. 9. 2002 Lieber Wolfgang,
... Wie gut Sie mich schon kennen. Natürlich habe ich heute früh noch in die Mailbox geschaut und mich über Ihre nächtliche Mail gefreut, nur zur Antwort blieb keine Zeit mehr und eine lieblose Mail sollte es nicht werden. Vielleicht schreibe ich noch etwas. Inzwischen herzliche Grüße, Rosana
Zum Abend ist Wolfgang bei Heiderose und bleibt die Nacht bei ihr.
27. 9. 2002 Lieber Wolfgang,
es ist 23 Uhr, die Mailbox ist leer. Bin schon ganz schön verwöhnt, was? Trotzdem eine recht gute Nacht! Bis bald. Herzliche Grüße, Rosana
Samstag früh findet Wolfgang über Heiderose PC Rosanas gestrige Mails in seinem Mailserver und schickt ihr eine kurze Antwort:
28. 9. 2002 Liebe Rosana,
danke für beide Mails. Bin nicht zu Hause, antworte bald.
Herzliche Grüße, Wolfgang
28. 9. 2002 Liebe Rosana,
endlich habe ich Zeit, Ihnen zu schreiben, es tut mir Leid, dass ich Sie so lange ohne Antwort gelassen habe. Gestern war ich bei Freunden und weil es spät wurde, habe ich dort übernachtet. Wenigstens hatte ich heute früh Gelegenheit, Ihnen von dort eine kurze Nachricht zu senden.
Ich habe Donnerstag aus dem Roman „Die unendliche Kostbarkeit der Frauen“ eine Liebesgeschichte gelesen und die Hörer waren beeindruckt. Morgen Nachmittag werde ich ein Konzert hören. Es gibt hier ein gutes Akkordeonorchester und einen hervorragenden Männerchor, die gemeinsam musizieren. In der Hoffnung, dass Sie mir mein langes Schweigen nicht übel nehmen, grüße ich Sie herzlich, Wolfgang
28. 9. 2002 Hallo, meine liebe Heidi,
die Tage mit Dir waren schön und auch die Nacht, wir waren zusammen und haben uns Liebe gegeben. Ich danke Dir dafür, das müssen wir uns bewahren. Jetzt wünsche ich Dir eine gute Nacht. Mit einem Kuss grüße ich Dich herzlich, Dein Wolf
28. 9. 2002 lieber wolfi,
vielen Dank für deine Mail. ja, unser Beisammensein war schön und auch ich freue mich auf morgen. Ich wünsche mir so sehr, dass ich in dir einen Menschen gefunden habe, dem ich vertrauen kann, dem ich alles sagen kann, was ich denke und fühle, und der mich liebevoll so annimmt, wie ich bin. Ich will ja nicht provozieren, aber manchmal reitet mich ein kleines Teufelchen. Im Gegenzug würde ich diesen Menschen lieben und achten und ich wäre sicher, dass er sich jederzeit auf mich verlassen kann. glaubst du, wir kriegen das hin?
Und nun sende ich dir einen dicken Kuss, deine heidi
28. 9. 2002 Lieber Wolfgang,
vielen Dank für Ihre Mail. Von Beschäftigungsmangel kann man bei Ihnen ja wirklich nicht sprechen. Ich hoffe, dass ich im nächsten Jahr mehr Zeit für Kultur und Muse finde. Als junges Mädchen habe ich Liebesgedichte geschrieben und auch gern gelesen. Poesie liegt mir mehr als Prosa. Leider existieren nicht mehr viele davon. Ich habe Sie mit den Liebesbriefen meiner Verehrer im Badeofen verbrannt und mich dann im warmen Wasser gebadet. So habe ich die Herren der Schöpfung über die Esse zum Teufel gejagt. ... Ich freue mich über jede Mail von Ihnen und trinke heute Abend wieder ein Gläschen auf Ihr Wohl. Herzliche Grüße, Rosana
Als Wolfgang abends diese beiden Mails findet, weiß er überhaupt nicht mehr, wo er zwischen den beiden Frauen steht. Rosana rührt ihn immer mehr an mit ihrer frischen, natürlichen Art, aber Heiderose fühlt er sich auch wieder verpflichtet. So antwortet er beiden.
29. 9. 2002 Guten Morgen, liebe Heidi,
ich danke Dir für Deine liebe Mail. Ich will gerne der Mensch sein, dem Du alles sagen kannst, der Dich liebevoll annimmt, wie Du bist. Nur muss das auf Gegenseitigkeit beruhen. Auch ich möchte gerne alles sagen, was ich denke und fühle, ohne etwas zurück halten zu müssen. Auch ich habe Eigenschaften, die Du ablehnst und die ich gerne reduzieren will. Ich denke, wenn wir uns beide anstrengen, können wir das hin kriegen. Ganz wichtig ist, dass wir Achtung voreinander haben, den anderen nie verletzen wollen, auch nicht, wenn wir uns geärgert haben. Ich sende Dir einen Kuss, herzlich Dein Wolf
29. 9. 2002 Liebe Rosana,
vielen Dank für die Mail von gestern Abend....