Kreisklasse oder Champions League: Wie erkenne ich den Richtigen?
Juchuuu! Nun ist es doch endlich passiert, wer hätte das gedacht. Es fühlt sich an wie das erste Tor für einen Stürmer, nachdem er monatelang immer nur am gegnerischen Gehäuse vorbeigetroffen hat. Wie der Rausch des Jubels nach tausend torlosen Minuten …
Da ist sie wieder, die Euphorie, die Leichtigkeit, die Vorfreude. Und so wie Miroslav Klose unter einer Traube von Mitspielern versinkt beim Torjubel, genauso möchten Sie die ganze Welt umarmen.
Sie glauben, Sie haben endlich Mr. Right getroffen. Oh, wie herrlich der SMS-Klingelton (oder haben Sie sich schon Torjubel als Rufzeichen aus dem Netz runtergeladen?) auf dem Handy sich nun anhört, da Ihr Verehrer sich beharrlich und zuverlässig meldet. Wie köstlich doch diese hässliche Plörre plötzlich schmeckt, die die in der Bäckerei erstaunlicherweise als Kaffee verkaufen (Frechheit!). Wie großartig, dieser Dauer-Nieselregen an der Bushaltestelle, warum gucken nur all die anderen so bedrückt?
Sie haben also ein Date vereinbart. Noch im Stadion oder beim ersten Rückruf, nachdem Sie ihm Ihre Handynummer mit Kuli auf den Arm schreiben durften … An dieser Stelle zunächst: herzlichen Glückwunsch!
Doch nicht jeder verliebt sich im Stadion. Fußballfans gibt es ja auch im richtigen Leben. Ich vermute, dass Sie sich bei der Arbeit kennengelernt haben, dort nehmen nämlich mittlerweile sechzig Prozent aller Beziehungen ihren Lauf. Er hat in Ihrer Firma ein interessantes Projekt vorgestellt und, als er Ihnen seine Karte gegeben hat, noch verstohlen seine Handynummer draufgekritzelt. Da mussten Sie nicht lange überlegen. Ein gehauchtes: »Bist du auch auf Facebook?«, und Sie sind gerade so viel errötet, wie es gemeinhin vom männlichen Gegenüber als zuckerrübensirupsüß empfunden wird. Als dann ein wenig später seine Freundschaftsanfrage aufblinkt, nicht sofort, sonst würden Sie ja glauben, er habe sonst nichts zu tun und/oder keine sozialen Kontakte, schicken Sie ihm kurzerhand Ihre Handynummer. (Die Sache mit Facebook kann sich später übrigens noch übel rächen, aber dazu mehr im Kapitel »Die Eröffnung: Jetzt sind Sie dran«).
Am nächsten Morgen kommt zuverlässig eine erste SMS, darin verborgen auch nur ein kleiner Rechtschreibfehler. Stellen Sie sich nicht an, das ist doch total okay. Ob »Augenweide« oder »Augenweite«, das spielt doch wirklich keine Rolle, da wollen wir jetzt nicht gleich unseren mütterlichen Zeigefinger heben. Außerdem machen diese Smartphones (und er hat natürlich eines) beim Eintippen ja mittlerweile sowieso, was sie wollen. Kürzlich wollte ich ein harmloses Wörtchen eingeben, und mein iPhone schlug »Nazidruck« vor. Woher kennt das Ding solche merkwürdigen Begriffe? Aber das nur am Rande.
Sie denken an sein Lächeln, seine Grübchen und wie humorvoll er sich dem Thema »Marketingstrategien für Solaranlagen« genähert hat. Auch noch einer, der sich um die Umwelt kümmert! Ha! Sie haben das perfekte Exemplar gefunden, das spüren Sie, da sind Sie ganz sicher. Gute Zähne, gerade Nase, angenehme Manieren.
Der wird Sie ganz sicher auf Händen tragen, auch wenn er sich dabei einen Bandscheibenvorfall holt. Keine Frage. Vor Ihrem inneren Auge lernen Sie jetzt schon seine Familie kennen, natürlich auch alle irrsinnig nett, die Kinder wohlgeraten, er hat einen Uni-Abschluss, und Sie haben das Ende Ihres Singledaseins vor Augen. Wie herrlich!
Da ist nur ein klitzekleiner Haken: Er ist Fußballfan. Gut, das hat er mit 90 Prozent aller deutschen Männer gemein. Wenn Sie bedenken, dass allein der Deutsche Fußball-Bund 6,7 Millionen Mitglieder hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Angebeteter die Namen aller Nationalspieler auch nachts rückwärts aufsagen kann, relativ hoch. Es wird Sie vielleicht überraschen, aber es spielen mittlerweile auch über eine Million Mädchen und Frauen Fußball. Tendenz: steigend.
Ihr Auserwählter interessiert sich also für den Sport Nummer eins in Deutschland. Das macht ihn nicht automatisch zu einem langweiligen Opportunisten, nein, Sie können sich sogar freuen! Wer an Fußball interessiert ist, der hat viele Gleichgesinnte, kann im Endeffekt also kein allzu ausgeprägter Eigenbrötler oder kompletter Computer-Nerd sein. Im Smalltalk findet er immer ein Thema (wird Schalke jemals wieder Deutscher Meister, welche deutsche Mannschaft schafft es das nächste Mal ins Champions-League-Finale, und was macht eigentlich »Eisenfuß« Uli Borowka?), sollte er selbst Fußball spielen oder gespielt haben, dann ist er vermutlich sozial kompetent und kann sich auch in eine Gruppe einordnen. Der Mann hat Freunde, ist kein Einzelgänger, und Sie werden sicherlich auch viel Spaß mit ihm haben.
Doch Achtung – schließlich wollen Sie ja keine bösen Überraschungen erleben, deshalb stellen Sie ihn gleich auf die ultimative Probe. Forscher haben herausgefunden, dass sich die Charakterzüge eines Menschen in Stresssituationen verstärken. Und Sie wollen doch keine Zeit verschwenden, wenn ER es am Ende doch nicht wert ist. Deshalb machen Sie den Test: Gehört er nur zur Kreisklasse oder in die Champions League? Das herauszufinden ist viel einfacher, als Sie denken. Wochenlanges Dating? Vergessen Sie’s! Fünfzehn Dinner beim Italiener? Alles Quatsch! Die ultimativ einfache Lösung: Sie schauen sich einfach mit Ihrem Auserwählten gemeinsam ein Spiel seiner Lieblingsmannschaft an!
Denn Sie können sicher sein: Da wird sich sein wahrer Charakter offenbaren. Würden Sie die Menge des Stresshormons Cortisol in seinem Blut messen, wäre die vermutlich ähnlich hoch wie bei einem Formel-Eins-Piloten, der im Starterfeld auf Grün wartet. Nach diesem Experiment werden Sie eine Menge mehr über den Mann wissen, der vor Ihrem geistigen Auge schon mit Ihnen zum Altar marschiert.
Der Hitzkopf
Natürlich sollen Männer und übrigens auch Frauen beim Fußball aus sich herausgehen, Spannungen abbauen und Aggressionen loswerden. Das ist doch der Sinn der Übung und sorgt dafür, dass sich Probleme des Alltags wieder leichter und befreiter lösen.
Wenn Ihr Ausgewählter aber schon nach wenigen Minuten wüst durchs Lokal pöbelt und kaum mehr an sich zu halten weiß wegen dieses »Sch…schiedsrichters« und des »Deppen, der das Tor nicht trifft«, dann sind Sie vermutlich an einen echten Hitzkopf geraten.
Aber: Gemach!, das muss grundsätzlich noch gar nichts bedeuten. Es kann durchaus sein, dass dieser Mann außerhalb des Nahkampfbereichs Fußball ein wahres Lämmchen ist, dass er Ihnen ruhig und freundlich das Abseits erklärt und Ihnen nach einem langen Arbeitstag eine Badewanne einlässt und liebevoll Ihre Füße massiert.
Es ist aber beim Grundtypus Choleriker doch eher zu befürchten, dass er auch im Alltag alte Damen im Straßenverkehr anpöbelt, auf der Autobahn ständig links fährt und sich wichtiger nimmt als Sie und/oder die Beziehung. Und wer will denn das?
Wer keine Antennen hat für andere, wer keine Rücksicht nimmt und nur an sich denkt, der hat noch einen weiten Weg vor sich. Meist leiden diese Hitzköpfe unter einem Aufmerksamkeitsdefizit und haben auch einen ausgeprägten Hang zum Narzissmus. Um dies zu kurieren, gibt es Heerscharen von ausgebildeten Therapeuten, da sollten Sie sich nicht die Finger schmutzig machen. Dazu sind Sie schlichtweg auch nicht ausgebildet.
Denken Sie immer daran: Niemals würden wir uns selbst an eine Operation am offenen Herzen wagen –, aber in unseren Beziehungen doktern wir wie wild am Gegenüber herum und wagen uns auf psychologisch sehr dünnes Eis. Lassen Sie es sein. Jeder Mensch ist die Summe seiner Erfahrungen, und helfen können Sie nur sich selbst.
Vermutlich wird sich der »Hitzkopf« im Verlaufe des Spiels, sollte sein Team verlieren, auch noch wimmernd im Selbstmitleid suhlen. »Es ist ja sooo bitter, o mein Gott, womit habe ich das verdient …« Trösten Sie ihn auf gar keinen Fall! Empathie verdient nur, wer selbst dazu fähig ist.
Choleriker sind auf lange Sicht in einer Beziehung sehr schwer zu ertragen. Wenn Ihr Kandidat nach mehrmaliger Aufforderung, sich doch bitte wieder zu beruhigen oder zumindest hinzusetzen, immer noch nicht wieder zur Rückkehr in den Club der Erwachsenen bereit ist, sollte die erste gemeinsame Fußballübertragung/der erste gemeinsame Stadionbesuch auch definitiv die/der letzte gewesen sein.
Die Heulsuse
Die Heulsuse zeigt ein Verhalten, das in Dortmunder Kreisen auch gern »Andy-Möller-Gedenkhaltung« genannt wird. (Andy Möller war ein äußerst erfolgreicher Fußballer mit den schönsten Beinen der Bundesliga, doch war er bei den Dortmundern nach seinem Wechsel zu Schalke 04 komplett unten durch und wurde wegen seiner theatralischen Mimik von Borussen-Fans gerne als »Heulsuse« bezeichnet.) Eine Heulsuse erkennt man in der Regel schon äußerlich recht leicht, denn sie fällt beim Gegentor sofort in sich zusammen. Wenn Sie genau hinhören, kommt vielleicht ein leises »Mutti, Mutti!« über die vom Leid gekräuselten Lippen. Hilfe! Ein Dreijähriger, gefangen im Körper eines 35-Jährigen!
Natürlich liegt da die Frage nahe: Wie konnten Sie überhaupt an den geraten? Aber halt! Heulsusen haben ihre positiven Seiten, und die sollte man nicht übersehen.
Im Alltag mit ihm haben Sie viel weniger Stress, denn diese Spezies ist konfliktscheu und wird Ihnen viel weniger Probleme bereiten als der Hitzkopf. Die Heulsuse ist sensibel, reagiert im Leben eher passiv und lässt...