Aufwachen aus dem Traumland, Teil eins:
Vier Persönlichkeitstypen, mit denen Partnerschaft nicht funktioniert
oder Finger weg von giftigen Beziehungen
Es gibt Verhaltensstrukturen, die Partnerschaft schwierig machen. Es gibt Persönlichkeitstypen, die den Alltag in einer Beziehung zur Hölle machen beziehungsweise die einen Alltag zulassen, der mit einer erfüllenden Partnerschaft nichts oder nur sehr wenig zu tun hat. Die Wahrheit ist: Nicht jede Beziehung ist zu retten, und nicht jede Beziehung ist es wert, gerettet zu werden.
Ich möchte Ihnen in diesem Kapitel kurz vier Persönlichkeitstypen vorstellen, bei denen ich mittlerweile sehr skeptisch bin und kaum mehr daran glaube, Paaren in solchen Konstellationen helfen zu können, eine bessere Beziehung zu leben.
Lesen Sie die folgenden Seiten, und befragen Sie sich ehrlich: Erlebe ich meinen Partner anhaltend in einer dieser vier Persönlichkeitstypologien, oder bin ich etwa selbst ein echter Beziehungskiller, da ich in einer dieser vier Strukturen vertiefend und stetig agiere?
Achten Sie bitte während der Lektüre auf folgende zwei Punkte:
- 1.In jedem von uns stecken diese vier Persönlichkeitsmerkmale. Neigen Sie bitte entsprechend nicht zu vorschnellen Urteilen, nur wenn Ihr Partner mal betrunken ist, mal selbstverliebt agiert, mal vor Wut schweigend den Raum verlässt oder mal einen Teller an die Wand wirft. Wir sind keine Maschinen, und wir machen immer wieder Fehler, verlieren die Kontrolle über unsere Gedanken, Gefühle oder Handlungen, begegnen unseren dunkelsten Seiten. Seien Sie also sehr vorsichtig mit der Lieblingsdiagnose: Mein Partner hat eine Störung! Von einer Störung oder einer eindeutigen und problematischen Struktur sprechen wir nur, wenn der Alkohol, die Droge, das Schweigen, die Selbstverliebtheit oder das Ausrasten maßgeblich die Beziehung prägt und wiederholend immer wieder die einzige Strategie ist, mit der wir uns oder unser Partner sich einer belastenden Situation entzieht und gleichzeitig damit nichts zur Lösung der Herausforderung beiträgt. Wir oder unser Partner also über einen längeren Zeitraum verlässliche falsche Verhaltensmuster erkennt oder anwendet, die immer wiederkehren und unsere Beziehung belasten.
- 2.Natürlich kann eine Therapie Menschen mit einer Suchtproblematik, mit einer Borderline-Symptomatik, Narzissten oder Passiv-Aggressiven helfen. Der Impuls hierfür muss aber von den Betroffenen ausgehen und ist dann meist Gegenstand einer einzeltherapeutischen Begleitung. Als Paartherapeut habe ich ja einen anderen Blick auf diese Herausforderung. Meist kommen Paare zu mir, und ein Partner beschwert sich über den Narzissmus, die Alkoholsucht, das Schweigen des anderen, und dieser sitzt ohne eigenen Leidensdruck, ohne eigenen Veränderungswillen, ohne eigene Einsicht in meiner Praxis und ist der Meinung, sein Partner würde maßlos übertreiben, hysterisch überzeichnen, was doch eigentlich ganz normal oder eine Ausnahme sei. Und genau bei diesen Konstellationen bin ich mittlerweile extrem skeptisch und glaube als Paartherapeut kaum noch daran, solchen Paaren helfen zu können, weil eben einer sich gar nicht helfen lassen will, weil einer sich überhaupt nicht verändern möchte. Hat jemand Einsicht und Veränderungswille, sieht das sofort ganz anders aus, und man kann mit diesen Menschen wunderbare Veränderungen und Fortschritte erreichen und die Qualität von Partnerschaften wesentlich verbessern.
Die vier Persönlichkeitstypen, die eine Beziehung sehr schwierig bis unmöglich machen, sind:
- 1.Menschen mit einer Suchtproblematik,
- 2.Menschen mit einer Borderline-Symptomatik beziehungsweise einer ausgeprägt mangelnden Affektkontrolle,
- 3.passiv-aggressive Persönlichkeiten und
- 4.Narzissten.
Zu diesen vier Persönlichkeiten finden Sie eine Unzahl von Ratgebern, die Ihnen erzählen, dass es besondere Tricks und Umgangsformen gäbe, mit solchen Menschen erfüllende und glückliche Beziehungen zu führen. Glauben Sie diesen Büchern nicht! In Summe sprechen wir bei diesen Persönlichkeitstypen in Paarbeziehungen immer von unmöglichen, dysfunktionalen oder giftigen Beziehungen, und die seriöseste Empfehlung, die Ihnen ein Paartherapeut geben kann, wenn Sie sich in Partnerschaft mit einem solchen Menschen befinden und dieser keine Einsicht und keinen Veränderungswillen zeigt, ist: Beenden Sie schnellstmöglich diese Beziehung.
Menschen mit einer Suchtproblematik
Sie erleben einen Partner, der in einer starken Fixierung zu Alkohol, einer Droge wie Kokain oder Marihuana, zum Glücksspiel, Wetten und so fort seinen Alltag organisiert. Die Sucht bringt gesundheitliche Probleme mit sich, Ausfallerscheinungen, Entzugserscheinungen, die Sucht sorgt für immer gleiche Abläufe der Freizeitgestaltung, es kann zu finanziellen Problemen kommen, ein Abend oder ein Wochenende ohne die Droge ist kaum vorstellbar, die Erholung von Exzessen nimmt Zeit in Anspruch und dient doch nur der Vorbereitung der nächsten Eskapade.
Die Sucht kommt nicht immer im Gewand des Bettlers und Ausgestoßenen, gerade im urbanen und wohlhabenden Milieu kommt die Sucht auch im Glitzerkleid und sozial-kulturell vollkommen akzeptiert und geradezu schick daher. Die Sucht kann auch einfach dazu dienen, verlässlich Leistungen am Arbeitsplatz zu erbringen. Eine solche Sucht stabilisiert damit einen sozialen Status und zerstört ihn nicht.
Warum gibt sich der Süchtige seiner Sucht hin? Für den Süchtigen ist die Substanz seiner Sucht seine Strategie, mit den Belastungen des Alltags umzugehen, Entspannung zu finden, negative Gefühle weniger zu spüren. Während Meditations- oder Sportsüchtige eher akzeptiert werden, ist eine Entlastungsstrategie via Alkohol, Kokain, Marihuana, Glücksspiel et cetera eine Strategie, die Partnerschaft und Beziehung deutlich belasten, außer zwei Süchtige haben sich gefunden und koksen und trinken in gleichen Quantitäten.
In seiner Sexualität ist der Süchtige nicht spezifisch. Wir finden also bei Süchtigen viele Varianten sexueller Vorlieben oder Ausdrucksformen. Spezifisch ist maximal der Umstand, dass Süchtige eher unter dem Einfluss der Droge, also im Rausch, zu sexueller Aktivität neigen als ohne die Droge. Auch dies entspricht der grundsätzlichen Motivation, überhaupt zur Droge zu greifen: Die Unfähigkeit, sich ohne die Substanz oder ohne die Ablenkung zu entspannen, greift auch hier. Nur unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen ist der Süchtige in der Lage, sich auszudrücken, sich seinen Emotionen, Bedürfnissen zu stellen. Ein Teufelskreis, solange der Süchtige glaubt, dies ginge nur mit der Substanz.
Der Beziehungsalltag in einer Partnerschaft mit einem Süchtigen ist weniger von Beziehungsunsicherheiten geprägt als vielmehr von der Selbstzerstörung eines Partners, der oft mit zunehmender oder anhaltender Sucht gleichzeitig umso stärker an der Beziehung festhält. Der Süchtige liefert meist anhaltende Liebesversprechen und Liebeswünsche. In einer Suchtkonstellation gibt es also kein Achterbahnfahren der Gefühle wie zum Beispiel bei den Borderlinern, sondern meist eine stabile Beziehungserfahrung. Der Nichtsüchtige ist zudem primär von Sorge um den Partner erfasst, er hat anfänglich auch Mitleid. Der Süchtige wird als schwach und hilfsbedürftig wahrgenommen. Je länger eine Beziehung mit einem Süchtigen anhält, desto dringlicher gerät die Selbstbefragung des Nichtsüchtigen in den Vordergrund, ob man mittelfristig eine Veränderung oder einen Weg findet, mit den Belastungen der Sucht umgehen zu können beziehungsweise die Sucht hinter sich zu lassen. Aus Mitleid wird Wut.
Die Liebe zueinander wird meist nicht infrage gestellt, weder vom Süchtigen noch vom Nichtsüchtigen. Ein typischer Satz eines Süchtigen lautet: »Wir lieben uns weiterhin sehr, und du übertreibst, es ist gar nicht so schlimm, ich bin doch nicht süchtig.« Und der Partner eines Süchtigen sagt gern: »Wir lieben uns weiterhin sehr, aber die Sucht hat vieles zerstört.« Im Zentrum der gemeinsamen Paarproblematik steht nicht die Liebe, sondern die Sucht und ihre Herausforderungen und der unterschiedliche Blick auf diese.
Menschen mit einer mangelnden Affektkontrolle beziehungsweise einer Borderline-Symptomatik
Sie neigen zum Kontrollverlust ihrer Gefühle, Gedanken und Handlungen. Wir erleben einen Partner, der regelmäßig ausflippt und komplett von seinem schlechtesten Selbst gesteuert wird. Das können passive Ohnmachtsgefühle sein, Wut, Eifersuchtsgefühle, Verlustängste oder Jähzorn. Das können immer wiederkehrende Gedankenschleifen sein wie »Du liebst mich nicht«, »Ich bin wertlos«, »Ich werde alles zerstören«, »Ich will alles ganz genau wissen«, »Ich werde keine Ruhe geben, bis ich nicht sämtliche Mails von dir gesehen habe/du mir alles ganz genau erklärt hast«, und das können unkontrollierte Handlungen sein wie Sturmklingeln, WhatsApp-Hassnachrichten, autoaggressive Handlungen, das Zerstören von Dingen oder Gewalt gegenüber dem Partner beziehungsweise den Kindern. Alles ist absoluter Kontrollverlust. Oftmals eine Stunde, einen Tag später von tiefer Reue und Scham gefolgt und dem Versprechen, dass das nie wieder passieren wird, bis es dann doch wieder geschieht. Wir haben es mit einem Menschen zu tun, der ein durchgängiges Instabilitätsmuster aufweist, dem es schwerfällt, allein zu sein, und der ein gestörtes Identitätsgefühl zeigt. Trauer und Euphorie wechseln sich ab, neue Pläne werden geschmiedet und wieder verworfen.
Was passiert da in...