Bevor Du in die Tiefen der Secondhand-Insidertipps abtauchst und zu einer Secondhand-Fashionista wirst, findest Du hier zunächst einmal die Grundlagen, Insights und das Hintergrundwissen, damit Du weißt, woher dieses sogenannte „Secondhand“ eigentlich kommt.
Der Begriff „Secondhand“ ist Dir sicherlich schon bekannt. Doch was bedeutet er eigentlich? Secondhand ist, wie Du wahrscheinlich sowieso schon weißt, gebrauchte Kleidung oder Mode aus zweiter Hand - oder eben etwas liebevoller gesagt: (pre)loved Fashion. All diese Begriffe stehen im Prinzip für dasselbe, nämlich das, was Du vielleicht bis vor einigen Jahren noch mit Ramsch, schmuddeligen Kleidungsstücken und leicht nach dem Dachboden Deiner Uroma riechendenden Uraltkostümen verbunden hast. Dieses Image konnte nur noch übertrumpft werden von dem der Ökotante, die in ihrer Teenagerzeit während der 1970er stehen geblieben ist und sich nun ausschließlich in ungewaschene Kleidung aus der Altkleidersammlung oder von sehr dubiosen Flohmärkten wirft und auch heute noch diese Stücke nur mit Gallseife wäscht. Aber genau das ist es heute nicht mehr und in diesem Buch wirst Du erfahren, wieso, was dahintersteckt, worauf Du bei Secondhand-Mode achten solltest, welche Tipps und Tricks es gibt und wie Du step by step zur absoluten Secondhand-Fashionista wirst.
Secondhand ist ja eigentlich auch kein neuer Trend oder etwas, das es erst seit kurzem gibt. Secondhand gibt es schon seit Jahrtausenden. Bereits, wenn Du den Pullover Deiner großen Schwester bekommst, weil er ihr zu klein wird, trägst Du im Prinzip Secondhand-Mode. Genauso war es natürlich auch zu früheren Zeiten. Kleidung wurde von allen Kindern in einer Familie getragen, bis das gute Stück auseinanderfiel. Anders war es damals finanziell oft einfach nicht möglich. Die Sachen wurden geflickt, repariert oder sogar etwas aufgehübscht, aber es blieb ab der zweiten Person, die es bekam, ein Secondhand-Stück.
Ob die heutige Bewegung im Bereich Secondhand, die dieses Thema so richtig ins Rollen gebracht hat, ihren Ursprung in Frankreich oder in Belgien hatte, ist nicht ganz sicher. Vermutlich verlief die Bewegung auch relativ parallel, wie das bei vielen Trends und Bewegungen eben so läuft. Im 19. Jahrhundert sollen dort jedenfalls bereits die ersten Flohmärkte entstanden sein. Auch der Begriff Flohmarkt soll aus dem
Französischen kommen. Trödel- oder Flohmarkt heißt dort: Marché aux Puces, was nichts anderes bedeutet als Flohmarkt. Und wieso genau jetzt Flohmarkt? Der Begriff „Flohmarkt“ stammt in einer überlieferten Version wohl eben noch aus jener Zeit, in der Hygienebedingungen noch eher Sache der Oberschicht waren und gebrauchte Kleidung, also Secondhand, oft übersät von Flöhen war. Klar, denn die Mittel- und vor allem die Unterschicht konnte es sich nicht leisten, Neukleidung zu kaufen, und Hygiene war früher auch eines der weniger essentiellen Themen. Nachdem 1890 in Paris dann jedoch eine große Plage hierdurch hervorgerufen wurde, wurden die Händler von gebrauchter Kleidung und Produkten an einen zentralen Ort in den Norden von Paris verbannt, wo dann auch der erste sogenannte „Flohmarkt“ abgehalten wurde.
Die zweite Version der Geschichte, die es zur Entstehung von Secondhand- bzw. Flohmärkten gibt, besagt, ein Mann habe - ebenfalls in der Zeit des 19. Jahrhunderts - beim Anblick dieser Secondhand-Märkte gerufen: „Hier sieht es aus wie auf einem Markt voller Flöhe!“ Dieser Mann sprach von Märkten, auf denen Händler auf festen, von der Stadtverwaltung zugewiesenen Plätzen Gegenstände verkauften, die sie nachts in den Straßen aufgekauft hatten. Bis heute ist einer dieser Pariser Plätze, nämlich der Les Puces de Paris Saint-Quen, einer der größten Flohmärkte für allerhand Antiquitäten und alles, was schon einmal geliebt wurde.
Grundsätzlich kann aber auf jeden Fall einmal festgehalten werden, dass sich Flohmärkte und Secondhand als Bewegung oder Trend zwischen 1880 und 1900 entwickelt haben. Also eigentlich ein Trend, der schon relativ lange anhält, mit Ursprüngen in den Orten rund um Paris. Dies macht Paris nicht nur zur Stadt der Mode, sondern auch zur Stadt der Secondhand-Mode.
Neben Paris bzw. Frankreich beansprucht jedoch auch Belgien den Titel als das Ursprungsland des Secondhands oder zumindest der Flohmärkte. Hier soll es sogar bereits seit 1873 im Brüsseler Stadtteil Marolles einen Markt geben, auf dem gebrauchte Gegenstände und Produkte verkauft werden. Marolles war zu dieser Zeit eines der Armenviertel Brüssels, hat sich jedoch in jüngster Vergangenheit durch anziehende Mieten sehr gewandelt.
Nach Deutschland kam der Trend erst rund 100 Jahre später. Modetechnisch kann sich Deutschland ja oftmals ein Scheibchen oder zwei von seinen Nachbarländern abschneiden. Der erste Flohmarkt Deutschlands wurde von einem Aktionskünstler namens Reinhard Schamuhn initiiert und fand in Hannover statt. Er war eigentlich zunächst einmal ein Kunstprojekt und weniger eine konkrete Art, seine nicht mehr geliebten Stücke zu Geld zu machen oder nach vergessenen Raritäten zu suchen. Reinhard Schamuhn hat aber dennoch in Deutschland den Anstoß für den Secondhand-Trend, dieses Buch und Dich als Secondhand-Fashionista gegeben.
Heutzutage findest Du glücklicherweise in den meisten deutschen Städten, ob klein oder groß, Flohmärkte in sämtlichen Ausführungen und Spezialisierungen. Flohmärkte nur für Mädchen, Flohmärkte nur für Möbel, Kinderflohmärkte und sogar Bloggerflohmärkte - es gibt einfach alles, was das Herz einer Secondhand-Liebhaberin begehrt.
Flohmarkt ?
Doch wie konnte sich der Trend hin zu Secondhand eigentlich immer mehr durchsetzen? Wieso beginnen das Image des Uroma-Mief-Looks und das Ökotanten-Image zu bröckeln? Warum wird Secondhand plötzlich gesellschaftsfähig, sodass sogar Promis und Social Influencer absolut begeisterte Fans sind?
Der wichtigste Punkt ist wohl der stattfindende Generationswechsel: die Entwicklung der Gesellschaft weg von den Großeltern hin zu Dir und Deiner Generation, den jungen, hippen, offenen Fashionistas. Deine Oma und Dein Opa oder vielleicht sogar schon Deine Urgroßeltern waren als Nachkriegsgeneration auf gebrauchte Kleidung, Möbel und Produkte angewiesen. Das führte natürlich dazu, dass dies relativ verpönt war und für Armut, Leid und schlechte Zeiten stand. Keiner wollte mit Secondhand rumlaufen oder auch nur beim Kauf gesehen werden. Du, die junge Generation von heute, hast diese negativen Gefühle nicht mehr und verbindest mit Secondhand ganz andere Attribute. Paradigmenwechsel würde das nun der allgemeine BWLer nennen, sprich: das Bewusstsein der Gesellschaft verändert sich bzw. ist dabei, sich zu verändern. Secondhand ist heute hip. Es ist nachhaltig, schont die Umwelt, betont Deine Individualität und macht „Herzensstücke“ erschwinglich. Der Lebenszyklus eines Kleidungsstücks wird verlängert und Du tust mit diesem Trend sogar etwas Gutes. Sharing is caring! Schon einmal geliebte Stücke finden ihren Weg nicht mehr in die Mülltonne oder die Altkleidersammlung, sondern zu einer neuen Besitzerin oder einem neuen Besitzer und werden dort noch einmal geliebt. Es soll ja Stücke geben, die diesen Prozess nicht nur einmal durchleben.
Ganz klar spielt in dieser Entwicklung auch das Internet eine entscheidende Rolle und hat dem Trend Secondhand kräftig unter die Arme gegriffen. Man könnte sogar soweit gehen, dem Internetriesen ebay hier ein entscheidendes Gewicht zuzuweisen. Ebay machte das Kaufen und Verkaufen von nicht mehr geliebten Stücken easy und superschnell von zuhause aus möglich. Gleichzeitig gab es die Chance, eine viel größere Zielgruppe zu erreichen als der übliche Aushang in der Nachbarschaft oder im nächsten Supermarkt. Du hast wahrscheinlich auch schon das eine oder andere Mal von Menschen gehört, die mit ebay mehr als reich geworden sind. Bestes weibliches Beispiel ist hier die #Girlboss-Autorin Amoruso, die anfangs über ebay gebrauchte Kleidung verkauft hat und nun ein Multimillionen-Umsatz-Imperium besitzt.
Neben ebay, das ja schon fast ein alter Hase im Internetgeschäft ist, haben sich in den letzten 10 Jahren mehr und mehr Player im Secondhand-Online-Markt entwickelt. Diese Apps, Marktplätze und Shops machen es immer einfacher, Secondhand-Produkte entweder zu kaufen oder eben zu verkaufen. Wo leichter und schneller verkauft werden kann, kann auch leichter und schneller gekauft werden. Ob das die klassischen Secondhand-Online-Shops wie Rebelle, Vite EnVogue oder Vestiaire Collective sind, Marktplätze wie Mädchenflohmarkt oder Kleiderkreisel oder Apps wie Shpock - Secondhand-Kleidung und -Produkte zu verkaufen und kaufen, ist so beliebt wie nie. Wahrscheinlich hast Du auch schon von allen diesen Firmen gehört.
Secondhand-Mode ist salonfähig geworden. Deine Großeltern und vielleicht sogar Eltern fanden es noch peinlich, Secondhand-Produkte zu besitzen, geschweige denn diese zu tragen, aber für Dich ist genau dies das Besondere: Secondhand-Mode zeigt Mut, unterstreicht Deine Individualität und macht Dich aus. Secondhand-Mode zeigt Dein Ich.
Und schließlich ist wohl auch der für viele Menschen immer wichtiger werdende Individualismus ein wichtiger Grund für die Beliebtheit von Secondhand-Ware und gebrauchter Mode. Du möchtest Dich nicht mehr kleiden wie alle. Du möchtest nicht, dass an der Bushaltestelle wieder eine mit dem gleichen grünen Rock von Zara oder Tommy Hilfiger neben Dir steht und Ihr Euch peinlich berührt ignoriert und denkt: „Ich hatte ihn zuerst und Du siehst sowieso nicht so gut darin aus wie ich.“ Du möchtest Secondhand-Lieblingsstücke, die...