Je heftiger die Herzattacken zu Beginn einer Beziehung, desto lang anhaltender die Nachwirkungen
Im Leben jeder Singlefrau gibt es Phasen, in denen sie entmutigt am Küchentisch sitzt und sich fragt: Werde ich ihn jemals finden, den Mann, der mein Herz in Wallung bringt? Und falls das nicht der Fall ist: Ginge es eventuell auch eine Nummer kleiner? Könnte ich mich nicht einfach mit einem netten Menschen zusammentun, der nicht schmutzt, nicht trinkt und nicht weiter stört? In der Screwball-Komödie »Wir verstehen uns wunderbar« mit Charlotte Rampling und Jean Rochefort wird eine solche Beziehung gezeigt. Man sieht zwei über fünfzigjährigen, attraktiven und kultivierten Menschen dabei zu, wie sie in einem Schloss bei London ihren Alltag teilen. Am Abend schlendern sie in Pyjama und Morgenmantel ins Badezimmer und putzen sich die Zähne. Ein paar nette Worte, ein kleiner Scherz – dann dreht man sich den Rücken zu, und jeder geht in sein eigenes, separates Schlafzimmer. Es dauert eine Weile, bis der Zuschauer erfährt: Die beiden sind gar kein Ehepaar. Sondern der Mann ist schwul, und die zwei führen keine Ehe, sondern unterhalten eine Art Wohngemeinschaft. Ginge so etwas auch mit einem nicht schwulen Mann? Und würde sich mit der Zeit vielleicht sogar eine Art Liebe einstellen? Angeblich gibt es in anderen Teilen der Welt ja noch arrangierte Ehen, wo eine solche pragmatische Liaison, so hört man immer wieder, wunderbar funktioniert.
Im Alter um die dreißig war ich von meinem Singledasein derart zermürbt, dass ich drauf und dran war, mir einen blassen ehemaligen Kommilitonen schönzureden, der – wie ich – seinen Solostatus ebenfalls loswerden wollte. »Den Schnurrbart könnte ich ihm vielleicht noch ausreden.« Mit diesen Worten pries ich ihn gegenüber einer Freundin an. »Dann sähe er eigentlich ganz passabel aus.« Sie zog die Augenbrauen hoch und feuerte mit der ganzen Autorität ihrer Persönlichkeit nur zwei Sätze ab: »Lass es sein! Du kannst dich nicht selbst betrügen!«
Das erste Gebot in der Liebe: Du sollst keine Kompromisse eingehen
An diese Worte musste ich denken, als ich kürzlich einen Artikel über ein in Dänemark entwickeltes Fernsehformat las. »Gift ved foerste blik«, heißt diese Projekt, zu deutsch »Hochzeit auf den ersten Blick«. Die Idee: Vier Experten, das heißt eine Anthropologin, eine Paarberaterin, ein Sextherapeut und eine Pfarrerin, stellen Pärchen aus zwei Menschen zusammen, die sich bisher vollkommen fremd waren. Anschließend müssen die beiden im Standesamt Hochzeit halten. Danach werden sie mindestens einen Monat lang von einem Kamerateam begleitet, erst in den Flitterwochen, dann im Alltag. Am Ende können sie sich entscheiden: Wollen wir verheiratet bleiben oder lassen wir uns scheiden?
Funktioniert das Experiment »arrangierte Ehe« auch in unserer individualistischen Gesellschaft? Ist es möglich, dass Liebe aus dem Nichts entstehen kann, wenn man zwei Partner zusammenführt, die Beziehungsprofis aus einer großen Menge von Kandidaten füreinander ausgesucht haben? Springt der Funke über?
Das vorläufige Ergebnis: Die arrangierte Ehe ist kein wirkliches Erfolgsmodell. Am Ende der Dokumentation war nur eines von drei Paaren noch zusammen. Daraus folgt für alle, die noch auf der Suche sind, eine klare Handlungsanweisung: Geht keine Kompromisse ein! Am Anfang muss es knallen. Je heftiger die Herzattacken, desto größer die Chance, dass sich aus einem Flirt eine Dauerliebe entwickelt.
Die amerikanischen Psychologen Sandra Murray, John Holmes und Dale Griffin machten die wissenschaftliche Probe aufs Exempel. Ein Jahr lang verfolgten sie das Liebesglück von über hundert jungen Paaren. Sie ließen sie Dutzende von Fragebögen ausfüllen, in denen es unter anderem um die charakterliche Beurteilung ihrer jeweiligen Partner ging. Ein Drittel der Beziehungen scheiterte im Verlauf dieses einen Jahres. Das Seltsame daran: Es handelte sich fast ausnahmslos um jene Paare, die sich besonders klug, stimmig und objektiv über die Stärken und Schwächen ihres Partners geäußert hatten. Die anderen – die nämlich, die einander von Anfang an kritiklos vergöttert hatten – waren zum Schluss der Untersuchung weiterhin zusammen.
Die Forscher stellten bei diesen Paaren die erhöhte Bereitschaft fest, ihre Ansprüche geschmeidig den Realitäten anzupassen und Erkenntnisse zu ignorieren, die nicht in das heile Beziehungsbild passten – eine Verdrängungsleistung, die sich auszahlte. Und noch eine Erkenntnis: Je leidenschaftlicher der Beginn, desto besser entwickelte sich die Beziehung.
Die besten Beziehungen fangen mit einem Urknall an
Eine andere Umfrage bewies darüber hinaus, dass der Zeitpunkt eine entscheidende Rolle spielt. Mehr als zwei Drittel aller befragten Paare, die sich als glücklich einschätzten, gaben an, dass sie sich innerhalb von nur acht Wochen kennen und lieben gelernt hatten. Was offenbar bedeutet, dass Liebe auf den ersten (zweiten, dritten) Blick doch kein Mythos ist. Sondern sogar die Voraussetzung dafür, dass sich eine Beziehung überhaupt entwickelt. Der Urknall der Gefühle mit all seinen euphorischen und anstrengenden Begleiterscheinungen scheint unersetzlicher Bestandteil einer funktionierenden Partnerschaft zu sein. Findet er nicht statt, ist die Basis von Anfang an brüchig.
Das Liebesleben der TV-Moderatorin Sabine Christiansen illustriert diese Erfahrung geradezu lehrbuchhaft. Nachdem ihre Ehe mit dem Fernsehproduzenten Theo Baltz 2001 auseinandergebrochen war, ging Christiansen 2003 eine Beziehung mit dem wesentlich älteren ehemaligen Vorstandschef des Bayer-Konzerns, Manfred Schneider, ein. Rein rational betrachtet, war der grauhaarige Wirtschaftskapitän eine gute Partie. Doch auf allen Fotos, die die beiden gemeinsam zeigten, wirkten sie eher wie ein gutes Team, nicht wie ein Liebespaar.
2006 lernte Christiansen dann bei einem Essen ihren jetzigen Mann Norbert Medus kennen. Ein attraktiver Unternehmer ihrer Altersklasse. An seiner Seite verwandelte sich die nüchterne Norddeutsche in ein Glamourgirl. Sie trug ihr Haar plötzlich länger und lässiger, legte sich einen jugendlich-femininen Modestil zu. Und lächelt seitdem so rückhaltlos glücklich in jede Kamera, als sei sie von innen angestrahlt. »Sabine Christiansen im Liebesrausch«, titelte eine Boulevardzeitung. Die Begeisterung für ihren Mann hält bis heute an.
Natürlich kann der Funke auch mal verspätet überspringen und auf diese Weise den besten Freund unversehens ins Objekt der Begierde verwandeln. Aber erstens ist das die statistische Ausnahme, und zweitens gilt auch hier die Devise: Entweder die beiden offenbaren sich sofort, oder das Feuer erlischt wieder und hinterlässt eine belanglose Erinnerung.
Das zweite Gebot der Liebe: Pflege deine Illusionen über den Partner
Was daraus folgt? Im Zeitalter des Machbarkeitswahns eigentlich etwas Schönes. Die Erkenntnis nämlich, dass Liebe bis zu einem gewissen Grad Schicksal ist, weil sie auf Komponenten beruht, die wir nicht bewusst beeinflussen und schon gar nicht erzwingen können. Dazu gehört beispielsweise die innere Bereitschaft bei beiden, sich auf etwas Neues einzulassen. Plus ein glückliches Zufallstreffen, das beide im Nachhinein als das Wirken höherer Mächte interpretieren. Und außerdem eben der feste Wille, sich den Traumpartner als solchen zu erhalten.
Letzteres heißt tatsächlich nichts anderes, als sich die Wirklichkeit so weit zurechtzubiegen, bis sie ins Liebesschema passt. Alle psychologischen Untersuchungen beweisen, dass Menschen, die ihre Illusionen hegen, über ein stabileres Nervenkostüm verfügen als notorische Realisten (sprich: Schwarzseher).
Und damit wären wir beim Pferdefuß der Sache angelangt. Denn nicht jeder ist gleichermaßen begabt für das Ausblenden unangenehmer Tatsachen. Was die berühmten Positive-Thinking-Tipps bringen, wissen alle von Natur aus kritischen Geister: gar nichts, weil sich nicht herbeidenken lässt, was man nicht fühlt. Aber wenn es uns erwischt hat (und viele kleine Zeichen unserer neuen Eroberung uns bestätigen, dass es ihm genauso geht): Was können wir tun, um aus dem ersten Aufflammen unserer frischen Liebe einen Dauerbrand zu entfachen? Ganz bewusst die rosarote Brille aufsetzen und uns daran erinnern, dass Liebe das poetischste aller Gefühle ist. Deshalb haben große Wortkünstler wie Goethe, Rilke, Else Lasker-Schüler und Ingeborg Bachmann sie auch nicht diskutiert und problematisiert, sondern besungen und bedichtet. Wir sollten es – gerade am Anfang – genauso machen!
Heute Abend gehen wir aus
Natürlich soll alles ganz spontan ablaufen. Aber das klappt besser, wenn man sich ein bisschen vorbereitet …
- Falls er Sie um Vorschläge bittet – aus Höflichkeit oder mangels eigener Ideen: Seien Sie präpariert, wohin man gehen könnte.
- Gänzlich ungeeignet: Lokale, in denen Sie tausend Bekannte treffen und laufend Bussis verteilen müssen. Das hebt möglicherweise Ihr trendiges Image, aber mit ihm kommen Sie dort nie zur Sache.
- Verliebtsein verschlägt einem den Appetit. Essen Sie trotzdem schon eine Kleinigkeit zu Hause. Sonst steigt Ihnen schon der erste Prosecco zu Kopf. Und überhaupt: Wer zu viel trinkt, redet auch zu viel – und ist meistens auch weniger geistreich, als er glaubt.
- Essen Sie auch im Lokal eine Kleinigkeit. Sie sind schließlich kein verkrampfter Diät-Apostel und wollen auch nicht so rüberkommen.
- Bestehen Sie nicht auf getrennten Rechnungen. Dass Sie emanzipiert sind, wissen Sie selbst – und müssen es niemandem beweisen.
- Was Sie ihm nicht verzeihen dürfen:...