1. KAPITEL
SEI EIN MANN, DER SEIN LEBEN AUF DAS LETZTE ZIEL AUSRICHTET
Preise niemand glücklich vor seinem Tod; denn erst an seinem Ende erkennt man den Menschen (Sir 11,28).
Du wirst einmal sterben!
Eine gute Idee, mit diesem Ausspruch ein Buch anzufangen, nicht wahr? Ich weiß es, aber ich möchte, dass du diesen Satz auf dich wirken lässt: Du wirst einmal sterben. Das ist überhaupt die größte Realität. In dieser Hinsicht sind wir alle gleich. Es kommt nicht darauf an, wie reich, bekannt oder mächtig wir sind: Wir werden alle eines Tages „das Zeitliche segnen“. Ist das nicht ein schöner Gedanke?
Also gut, wirst du sagen, und was nun? Sobald wir diese grundlegende Realität anerkannt haben, sollten wir bei all unserem Tun immer unser Lebensende im Auge behalten. Gott sagt uns im Buch Jesus Sirach: „Preise niemand glücklich vor seinem Tod; denn erst an seinem Ende erkennt man den Menschen“ (Sir 11,28). Die Welt ist voller Beispiele von Menschen, deren Beginn gut, deren Ende aber tragisch war. Wir müssen alles daransetzen, nicht zu den Letzteren zu gehören!
Wenn wir unser Ende im Auge behalten, können wir damit beginnen, darüber nachzudenken, was am wichtigsten ist: Was werde ich in der kurzen Zeit auf dieser Erde vollbringen? Was möchte ich, dass die Menschen über mich erzählen, nachdem ich einmal meinen letzten Atemzug getan haben werde? War mein Leben es wert, gelebt zu werden? Werde ich zu denen gehören, die die Welt veränderten? Werde ich zu denen gehören, die mehr gaben, als sie nahmen? Oder werde ich zu denen gehören, die mehr nahmen, als sie gaben? Werden die Menschen von mir sagen: „Ich war gerne mit diesem Mann zusammen, weil er ein richtiger Mann war und sein Leben für andere hingab“? Oder werden sie sagen: „Dieser Mensch war einer der erbärmlichsten, dem du je begegnen konntest“? Was werden die anderen über dich sagen?
Neulich starb ein Freund von mir. Er war siebzig Jahre alt, ein katholischer Würdenträger und wurde mit Monsignore angesprochen. Er war ein großherziger und guter Mensch, gleichzeitig hatte er ein eher aufbrausendes Temperament. Bei seiner Beerdigung erwähnte der Bischof in seiner Predigt: „Monsignore war ein Mensch mit einem großen Herzen, er diente den Menschen aus ganzem Herzen – manchmal lächelnd, manchmal aber auch ein wenig murrend.“ Dieser Mann war nicht vollkommen, aber täglich setzte er sich für andere ein.
Was werden die Menschen an deinem Begräbnis über dich sagen?
Wir sollten uns unbedingt die Zeit nehmen, innezuhalten und über unser Lebensende nachzudenken. Was wünschst du, dass deine Frau über dich sagt? Was sollen deine Kinder dann über dich sagen? Oder die Menschen, die mit dir arbeiten? Was sollen die Menschen, die dir begegnet sind, über dich sagen? Wenn du darüber nachgedacht und gebetet hast, schreibe auf, was nach deinem Wunsch andere über dich sagen sollen, und mache dies dann zu deinem Ziel. Wenn du einmal entschieden hast: „Nach meinem letzten Atemzug möchte ich, dass das und jenes über mich berichtet wird“, dann kannst du dir dies als Ziel setzen und beginnen, dich entsprechend auszurichten. Du wirst beginnen, so zu leben, damit die Menschen, die dich kennen, nach deinem Tod einmal das über dich sagen, was du dir vorgenommen hast, in deinem Leben zu erreichen.
Ich habe in meinem eigenen Leben oft darüber nachgedacht. Ich war ein typisches Durchschnittskind, aufgewachsen in einer eigentlich nichtreligiösen Familie in Pittsburgh. Mein Vater war Polizeibeamter in der Stadt Pittsburgh, später wurde auch meine Mutter Polizeibeamtin. Manche dachten, dass ich in die Fußstapfen meiner Eltern treten würde, und vielleicht dachte ich dasselbe.
Meine Mutter war eigentlich katholisch, ging aber nicht oft zur Kirche. Sie war der Meinung, die Kirche halte die Menschen von Gott fern. Sie dachte: „Wenn man etwas Unrechtes getan hat oder in einer unglücklichen Ehe lebt, kann man nicht zur Kirche gehen.“ Meine Mutter glaubte also, die Kirche halte die Menschen von Gott fern. Zur selben Zeit vertrat mein Vater eine besonders interessante Theologie: Mein lieber Vater glaubte an den Gott des Alten Testaments, an jenen Gott, der uns die Zehn Gebote gegeben hatte. Er glaubte an Jesus Christus als Gottes Sohn, war aber der Meinung, dass Jesus die alten Regeln zu stark verändert habe. Jesus sagte: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge um Auge und Zahn um Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand. (…) Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“ (Mt 5,38–39.44). Folglich glaubte mein Vater, dass Gottvater aufgrund der Veränderung der Regeln auf Jesus Christus, seinen Sohn, wütend gewesen sei und ihn deshalb getötet habe. Eine nicht uninteressante Theologie! Empfindest du deine eigene Familie als zerrüttet? Das war eben erst der Beginn meiner Familiengeschichte. – Wir alle kommen aus schwierigen, ja mehr oder weniger gestörten Familienverhältnissen. Mehr davon im nächsten Kapitel!
Während meiner Kindheit war Religion eigentlich kein Teil unseres Familienlebens. Meine Eltern schickten mich jedoch auf eine katholische Schule, wo ich mit Religion in Berührung kam. Ich war kein extrem schwieriger Teenager, trank aber wie andere Jugendliche auch. Allerdings nahm ich nie illegale Drogen, da mir mein Vater als Polizeibeamter einmal gedroht hatte: „Wenn ich dich jemals beim Trinken erwische, werde ich dich bestrafen, ich werde jedoch Verständnis dafür aufbringen; wenn ich dich aber jemals mit Drogen erwische – dann bringe ich dich um!“ Ich glaubte ihm! Deshalb habe ich bis auf den heutigen Tage niemals Drogen genommen. Mein Vater ist bereits vor langer Zeit gestorben und ich glaube immer noch, dass er zurückkommen und mich umbringen würde. Allerdings tat ich alles andere.
Ich war der Sohn eines Polizisten und stiftete überall Unruhe. Zu meiner Zeit waren die Kinder von Polizisten die schlimmsten, da wir stets ohne Probleme davonkamen. Alle meine Freunde wurden festgenommen, außer mir – wegen meiner Eltern, die Polizisten waren.
Ich ging aus, verabredete mich mit Freundinnen und tat alles, was andere Jugendliche auch machten. Ich dachte, ich würde Bauzeichner oder Polizist werden oder einen anderen Beruf ergreifen, der mir Spaß machen würde. Ich dachte, ich würde einmal heiraten und zehn Kinder bekommen – ja, zehn –, neun Jungen und ein kleines Mädchen! Ich ging meinen Weg und dachte, so sei das Leben und man müsse das Beste daraus machen.
Als ich siebzehn Jahre alt war, veränderte sich eines Tages alles. Wir lasen in der High School in der Englischstunde das Theaterstück von Thornton Wilder in drei Akten: Our Little Town („Unsere kleine Stadt“). Es ist ein verhältnismäßig einfaches Theaterstück, das jedoch damals keinen so simplen Einfluss auf mein Leben hatte. Am Ende des Theaterstückes stirbt eine der Hauptpersonen, Emily Webb. Bereits auf dem Friedhof, zusammen mit all den anderen Toten, die dort begraben sind, fragt Emily diese Menschen, ob sie zurückkehren dürfe, um nochmals einen Tag ihres Lebens zu leben. Sie zögert etwas, entschließt sich aber doch, es zu tun. Emily möchte ihren zwölften Geburtstag nochmals erleben. Dabei wird ihr bewusst, wie schnell die Zeit vorbeigeht und wie sehr wir alles als selbstverständlich betrachten.
Dieses Theaterstück ermutigt die Menschen, ein gutes Leben zu führen und die kleinen Dinge nicht zu versäumen. Als Siebzehnjähriger wurde ich jedoch im Innersten von der Tatsache getroffen, dass ich eines Tages sterben würde. Diese Erkenntnis erschreckte mich buchstäblich zu Tode. Ich begann, im Klassenzimmer zu zittern und zu schwitzen. Die Gedanken stürmten nur so auf mich ein: Mein Gott, ich werde sterben. Ich werde sterben! Was hat das Leben also für einen Sinn? Gibt es einen Sinn des Lebens? Gibt es etwas nach dem Tod?
Der Tod ist das Letzte. Er nimmt uns die Zügel aus den Händen. Auch wenn wir Selbstmord begehen, können wir nicht kontrollieren, was danach kommt. Keiner von uns konnte bestimmen, dass er geboren wurde, und keiner von uns kann bestimmen, was nach seinem Tod geschieht.
Damit habe ich große Mühe. Als Mann behalte ich gerne die Kontrolle über alles. Ich weiß nicht, ob jemand von euch das versteht, aber ich bin gerne für etwas verantwortlich. Wenn ich die Verantwortung übernehme, kann ich bestimmen oder zumindest Einfluss auf den Ausgang einer Sache ausüben. Das gefällt mir.
Deshalb fliege ich nicht gerne. Wenn ich ein Flugzeug steuern könnte, wäre dies in Ordnung, aber sonst müsste ich ja einem anderen mein Vertrauen schenken. Das fällt mir schwer. In 10 000 Metern Höhe würde jemand anders die völlige Kontrolle über mein Leben haben.
Beim Tod geht es um genau dasselbe, nicht wahr? In Wirklichkeit können wir nicht einmal den nächsten Atemzug ohne Gottes...