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Mäuselmacher

oder die Imagination des Bösen

AutorRainer Beck
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl1008 Seiten
ISBN9783406621970
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Von 1715 bis 1723 fand in der Bischofsstadt Freising einer der letzten deutschen Hexenprozesse statt. Bettelnde Kinder waren in den Verdacht geraten, Mäuse gezaubert zu haben. Wie ihre Vernehmung und die langwierige Untersuchung ergaben, sollen sie Gott abgeschworen und sich dem Bösen verschrieben haben. Die meisten von ihnen wurden exekutiert. In ihrem Ringen ums Überleben berichten die Vernommenen von seltsamen dämonischen Erlebnissen und Taten. Wie in einem Vexierspiel vermengen ihre Geständnisse Realität und Imagination zu einer irritierenden Wirklichkeit. Doch dieser undurchsichtige Entwurf lässt sich entwirren und in seiner Doppelbödigkeit zeigen. Was Hexerei war oder bedeutete, erscheint somit in einem veränderten Licht, sobald man die Geständnisse angeblicher Hexen oder Hexer einer sorgfältigen Analyse unterzieht. Rainer Beck, der durch seine klassische Studie über Unterfinning bekannt geworden ist, führt die Leser in diesem Buch Schritt für Schritt in bizarre Vorstellungswelten der Vormoderne ein und legt am Beispiel des Freisinger Hexenprozesses eine Kulturgeschichte der konfessionellen Gesellschaft am Vorabend der Aufklärung vor.

Rainer Beck, geb. 1950, Historiker, lehrt derzeit Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Konstanz.

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Inhaltsverzeichnis
COVER1
TITEL3
IMPRESSUM4
INHALT5
EINLEITUNG11
TEIL 1 DER PROZESS 1715–171723
I «Freising»: Skizze einer Macht und eines soziokulturellen Milieus25
1 Freising – die Residenzstadt25
2 «Grosse Gnade ware unter ihnen allen …» Konfessionalismus, Caritas und der Körper der Stadt33
II Zur Entwicklung eines Prozesses: Gelehrte Deutungsmuster und vermeintlich banale Realitäten50
3 Geschwätz oder Ereignis? «Gefährliche Diskurse» vor den Toren der Stadt50
4 Eine Art Epidemie? Phänomenologie und Epistemologie des Mäusemachens56
5 Der «Trudenfanger» und sein Begleiter. Personalien und Bekanntschaften65
6 Realität als Normalität: Vagierende Kinder, gesellige Kontakte und soziale Infrastruktur70
7 Realität paranormal – oder ein Blick hinter die Oberfläche der Dinge? Irritierende Bekenntnisse im Zuge der ersten Vernehmung79
8 Exkurs: Zur Physik und Metaphysik von Träumen92
III Erste Analyse: Anomalien, Befunde der Zeitgenossen und Reinterpretation der Befunde101
9 Tumult und Schreie. Moderne Pathologie und traditionelle Gespenster101
10 Zur ‹Fama› eines Bettelbuben: Über einen Spitznamen sowie Realität und Mythologie von Truden und blutsaugenden Hexen112
11 Zwischen Realität und Fiktion. Verkanntes Bestiarium: Dämonen und Schreckgestalten der Frühneuzeit121
12 Positivität des Rechts – oder erstes Resümee der Freisinger Untersuchungsrichter und Ausweitung des Verfahrens131
IV Hexeninquisition und Prozessgeschehen140
13 Mäuse, groteske Männchen. Erkenntnisfortschritte: Epiphanien des Bösen und innerer Kontext der Phänomene140
14 Der Teufel zu Besuch im Gefängnis. Gewöhnliche Außergewöhnlichkeit und die Logik der Beziehung zwischen Richter und Satan153
15 Gerichtliche Sorgfalt und ein Traum, der kein Traum war. Täuschung, Naivität oder ‹Double-bind›?161
16 Zwielichtige Bären, zwielichtige Tänze. Zur Multiplikation der Geständnisse der Verhörten167
17 Die anderen und der Eiermarder. Geständige, Verdächtige und dämonologische Logik177
18 Untersuchungserfolge: Was war in «Vötting» passiert? Alle gestehen sie nun!183
V Geständnisse, der ‹Inquisit› und das Selbstverständnis der vormodernen Gerechtigkeit192
19 Text und Panik – das Objekt Inquisit192
20 Nur die Wahrheit ist Zweck und Ziel. Über die Lügen der Inquisiten200
21 Man denke nicht nur an das Diesseits: Der gute und der böse «Schächer»207
22 Das Recht der Gerechtigkeit und das Unrecht verdächtiger Individuen213
23 Sigmund Freiherr von Lampfritzheim – Plausibilität, Legalität und Vorgehen des Freisinger Untersuchungsgerichts223
VI Überprüfung und Paradoxien: Textkritik und Textanalyse im Rahmen einer Veranstaltung besonderer Art235
24 Ist alles eine Frage der Suggestion? Vernehmung, Intervention und Verschriftlichung235
25 Agonale Veranstaltung und paradoxe Verteidigung – Schwierigkeiten des Sinnverstehens und der Textanalyse247
26 Authentische Berichte? Andres Mäuse und die Komposition der Narrative257
27 «Vöttinger Tanz». Erzählerische Bricolage wahre oder synthetische Wirklichkeit?271
VII Realitäten des Irrealen. Über das schwierige Verhältnis von Wahrheit und Unwahrheit: Taten die Inquisiten, was sie vorgeblich taten?284
28 Reden versus Schweigen: Ein verärgerter Richter284
29 Pseudozauberer und heimliche Apostaten?293
30 Ritual und Antiritual. Die Blasphemiker von Hörgersdorf298
31 «Andre». Teufelsbild und ‹Apostasie› eines Elfjährigen308
VIII Schwebezustand, Verzweiflung und Abschluss eines schwer zum Abschluss zu bringenden Verfahrens321
32 Die Verzweiflung der Inhaftierten und das nahende Ende321
33 Schwarze Listen und Trugbilder des Bösen. Der Prozess wird «geschlossen»327
34 Kinderhexen und -zauberer. Hintergründe: Wolfgang Schilling oder die Idee der Verdorbenheit unmündiger Kinder339
35 Eine Reinigung des städtischen Körpers? Rechtsgutachten des Bannrichters und Freisinger Urteilsspruch344
TEIL 2 DER PROZESS 1721–1723361
IX Veit Adlwart363
36 Resozialisation um 1720363
37 Wieder in Ketten: Die Rechtfertigungsversuche Veit Adlwarts372
38 Der Franziskaner-Guardian und die Lüge als Omen384
X War die Sünde oder war der Teufel zuerst? Seelsorgerhetorik und klerikale Anthropologie389
39 Sünden, Gottes Zorn und der Böse der Pastoraltheologie389
40 Die Andacht zum hl. Schutzengel: Meditationen zu den Gräueln der Sünde396
41 Christliche Anthropologie: Ein schwarzer neben dem weißen Engel401
XI Die Erscheinungsformen des «Bösen» (1). Neue Geständnisse und Expansion des Verfahrens407
42 Geständnis und Zerknirschung: «Der Teufel setzte ihm nit aus …»407
43 Jagdausflüge und der Böse als Arbeitstier. Neue Festnahmen und neue Bekenntnisse416
44 «Schutzteufel» statt «-engel»: Überlistete Teufel und persönliche Helfer427
XII Kommunikation über Bande. Besessenheit, Umsessenheit und der Böse im Verhörlokal434
45 Trianguläre Kommunikation. Exorzismen und der Böse im Verhörlokal434
46 Besessenheit in der katholischen Kultur des 17. und 18. Jahrhunderts439
47 Gradationen eines Geschehens: Besessene oder Umsessene?448
48 Ist ein Pakt kündbar? Reuige Zauberer und teuflische Performance456
49 Ritualanalyse: Zur Sprache und Funktion des sprechenden Teufels464
XIII Die Erscheinungsformen des «Bösen» (2). Abscheuliche Verbrechen und Anerkennung der Schuld475
50 Sakrileg und Maleficium – das Design der infrage stehenden Verbrechen475
51 Dr. Faust und der Kollaps der Unschuld – Kommunikation hinter den Kulissen oder der Böse als Strafverteidiger482
XIV Der Teufel ein Hanswurst? Frömmigkeit, Komik und Lachkultur496
52 Geständnisbilder und Bühnenbilder. Der Böse als «Kilian» oder als König496
53 Geschmack, Zauberei und Theaterpolemik: Paolo Segneri und die Verwerflichkeit der Komödie508
54 «Er lache nicht!» Kultur der Devoten und Kultur des Gelächters?517
XV Wunderzeichen. Die Marter der allerheiligsten Hostie526
55 Gegenschnitt: Sakrilegische Taten – das «Blutwunder» unter der Freisinger Isarbrücke526
56 Der Leib des Herrn und die Juden von Deggendorf536
57 Topos oder Wirklichkeit? Der «Hostienfrevel» der Freisinger Inquisiten548
XVI Glocken versus Blitze. Virtualität und Psychologie des Schadenzaubers557
58 Obligater Schadenzauber – zwischen Abwehr, Ablenkung und Anerkennung557
59 Perverse Verbeugungen und Kanoniere der Lüfte562
60 Antisoziale Praktiken? Magie und Emotion – zeitgenössische Sozialpsychologie569
61 Wetterhexen, Wettermacher und Kindermagie577
XVII Unschuldige Inquisiten? September 21: Versuchte Umkehr und unüberzeugende Unschuld589
62 Der «Bindermathl» in Weiß: die Kehrtwende der Verhafteten589
63 «Natürliche Farben». Revokationen der Revokation599
XVIII Realität und Fiktion (1). Zaubergeständnisse und magische Narrative609
64 War alles nur ein Spiel gewesen?609
65 «Blutunterschriften». Dirty play oder subtile Verwirrung?619
66 Zauberphantasien. Magisches Weltbild oder Magie als Fiktion?637
67 Soziale Interaktion und teuflische Lösung650
68 Zaubererzählungen als zweite Realität und Bekenntnisressource663
XIX Realität und Fiktion (2). Teufelsgeständnisse, Sexualität und Moral669
69 Das Janusgesicht des «Bösen». Moralische Inkonvenienz und soziales Milieu669
70 «Mathias Widman». Probleme der Edukation und christkatholische Erziehungsideale677
71 Empfehlungen eines «Fänckherl»: Peergroups, Flüche und Männlichkeit690
72 Teufelsbuhlschaft. Des Zieglerhiesls «Menscher» und ein diabolisches «Stieren»701
73 Gleitende Begierden: das Beispiel Adlwart707
74 «Epicuräer» und ein Böser als Hermaphrodit?715
XX Gröbmers Ende730
75 Adlwarts Tod und Gröbmers nahendes Ende730
76 Zeit der Beichtväter? Georg Maiers Bekenntnis743
77 Bosheit und Todesfurcht. Die Wahrheit des Gerichts und die Wahrheit der Beichte758
XXI Widmans Leid oder Widmans Glück? 1722/23: der Prozess im zweiten Jahr767
78 Fortsetzung oder Neubeginn? Das Verfahren in «Konfusion»767
79 Onan oder der widernatürliche Sex in der Vormoderne772
80 Sodom in Freising?781
81 Wahrheit und Gewalt. Bemerkungen zur Tortur797
82 Spielregeln der Folter. Redeweisen, Sprachspiele und erfolterte Fakten813
83 Kollabierende Wahrheit? Mathias Widman und des Bannrichters Intervention825
XXII Krise der Wahrheit oder Erosion der Beweise?837
84 Richterlicher Argwohn und neuerlich unschuldige Inquisiten837
85 War alles ein Irrtum gewesen? Beobachtungen zu den Beobachtungen der Strafverfolger851
86 Funktionär und System. Wirklichkeitsverkennung und ein Buhlteufel als Code858
XXIII Überstandene Krise – ein verschleiertes Scheitern?871
87 Obrigkeitlicher Habitus und Prozesse der Inklusion und der Exklusion871
88 Besserung und Verbannung884
89 «Und sollte das ganze Bistum draufgehen …» Korbiniansfest und Jubeloktav – eine Erfolgsbilanz894
ANHANG900
1 Karten- und Abbildungsverzeichnis901
2 Archiv- und Quellenverzeichnis902
3 Literaturverzeichnis908
4 Anmerkungen941
ZUM BUCH1009
ÜBER DEN AUTOR1009

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