MAGEN-DARM-BESCHWERDEN AUS GANZHEITLICHER SICHT
Ein köstliches Essen gehört zu den schönsten Dingen im Leben. Sind unsere Geschmackssensoren zufriedengestellt und fühlen wir uns ausreichend gesättigt, profitiert auch die Seele: Studien zeigen, dass Essen, das uns richtig gut schmeckt, für einen Gute-Laune-Schub sorgt. Bei jedem fünften Deutschen ist die positive Stimmung jedoch von kurzer Dauer: Gegen Ende der Mahlzeit oder unmittelbar danach, mitunter auch einige Stunden später beginnt es im Magen zu drücken oder in der Speiseröhre zu brennen. Oder es rumort im Darm und der Bauch ist aufgebläht. Manchmal ist nicht unmittelbar ein Zusammenhang zwischen dem Verzehrten und den Symptomen erkennbar. Doch sind Verdauungsprobleme häufig das Ergebnis einseitiger oder unverträglicher Essgewohnheiten, die das Verdauungssystem chronisch unter- oder überfordern.
Funktionell oder organisch?
Das Spektrum an Verdauungsbeschwerden ist breit gefächert, ebenso kommt eine Vielzahl von Ursachen in Betracht.
Bei akuten Symptomen liegt der Auslöser meist auf der Hand: Die Mahlzeit war zu fett, zu üppig, schwer verdaulich. Meist bessern sich die Beschwerden mit dem Fortgang der Verdauung. Verdorbene Speisen rufen – in der Regel bereits wenige Stunden nach dem Essen – häufig besonders heftige akute Reaktionen hervor: Bauchkrämpfe, Durchfall und / oder Erbrechen. Auch hier ist die Ursache eindeutig und die Beschwerden klingen meist nach einigen Tagen (von selbst) wieder ab.
Schwieriger gestaltet sich oftmals die Ursachenforschung bei Beschwerden, die immer wieder auftreten beziehungsweise die chronisch geworden sind. Oft sind die beklagten Symptome erst einmal nicht spezifisch genug, um sofort einem bestimmten Verdauungsorgan zugeordnet werden zu können. Hinzu kommt, dass einige Verdauungsbeschwerden gar nicht vom Magen-Darm-Trakt, sondern von einem anderen Organ(system) auszugehen scheinen. Selbst wenn ausgeschlossen werden konnte, dass dieses Organ erkrankt ist, kann es noch lange dauern, bis der wahre Auslöser der Beschwerden gefunden ist: Denn bei einer Reihe chronischer Verdauungsbeschwerden lässt sich trotz sorgfältiger Untersuchung keine organische Ursache feststellen. Dann liegt, wie es in der Fachsprache heißt, eine funktionell bedingte Störung vor.
Ob »nur« die Funktion eines Verdauungsorgans gestört ist oder ob nachweislich eine krankhafte Organveränderung vorliegt, sagt nicht unbedingt etwas über den Grad der Beeinträchtigung aus. Im Gegenteil: Gerade Patienten mit funktionellen Verdauungsstörungen fühlen sich in ihrer Lebensqualität häufig erheblich beeinträchtigt. Viele durchlaufen einen zermürbenden Marathon von Arzt zu Arzt, der oft in der niederschmetternden Erkenntnis endet, dass eine dauerhafte Besserung der Beschwerden nicht in Sicht ist. Hier kann die Naturheilkunde helfen: zum einen, weil sie Verdauungsstörungen grundsätzlich aus ganzheitlicher Sicht sieht und damit dem Betroffenen eine neue Sichtweise seiner Beschwerden eröffnet, zum anderen, weil sie eine Vielzahl von bewährten Behandlungsmöglichkeiten bietet.
INFO
KRANKE SCHILDDRÜSE
Verdauungsstörungen wie Durchfall oder Verstopfung können auch ein Hinweis auf eine Erkrankung der Schilddrüse sein. Lassen Sie dies im Zweifel vom Arzt abklären.
Die Abwehrbastion Darm
Lange Zeit wurde die Rolle des Darms bei der körpereigenen Immunabwehr unterschätzt. Auch heute ist nur wenig bekannt über die Funktionsweise des darmspezifischen Immunsystems, wobei das Thema erfreulicherweise mehr Aufmerksamkeit in der Wissenschaft und auch in der öffentlichen Wahrnehmung erhält.
Ausgangspunkt von Erkrankungen und von Heilung
Im 16. Jahrhundert brachte es der Arzt und Naturphilosoph Paracelsus bereits auf den Punkt, als er schrieb: »Der Tod sitzt im Darm.« Die Naturheilkunde sieht dies bis heute genauso und räumt dem Verdauungstrakt, insbesondere dem Darm, eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Erkrankungen ein. Deshalb richten naturheilkundlich orientierte Therapeuten oft ihr Augenmerk auf mögliche, bis dahin vielleicht wenig beachtete oder unbemerkt gebliebene Störungen im Magen-Darm-Trakt, bevor sie zum Beispiel eine Allergie, Neurodermitis, eine rheumatische Erkrankung oder die Neigung zu Infekten behandeln. Die Erfolge verblüffen: Oft können bereits mit einer gezielten naturheilkundlichen Regulierung der physiologischen (also gesunden, im Gleichgewicht befindlichen) Darmflora durch Anwendungen von außen siehe > oder mit einer Ernährungsumstellung chronische Beschwerden nachhaltig gelindert werden.
Eine intakte Darmflora schützt unter anderem vor Allergien.
Größte Kontaktfläche des Körpers nach außen
Entfaltet man die Schleimhäute von Dick- und Dünndarm mit allen Falten und fingerähnlichen Ausstülpungen (Zotten), ergibt dies eine bis zu 300 Quadratmeter große Gesamtoberfläche. Wie die Haut stellt auch der Verdauungskanal zwischen Mund und After eine Abgrenzung zur Außenwelt dar. Sie liegt allerdings innerhalb des Körpers. Doch im Vergleich zu den zwei Quadratmetern, die die Haut »nur« misst, ist die Kontaktfläche des Darms nach außen riesig.
Hauptakteur im Immunsystem
Gleichzeitig mit seinen Aufgaben als Kontaktorgan nach außen ist der Darm auch das größte und leistungsfähigste Immunorgan des Körpers und damit der wichtigste Akteur in unserer Immunabwehr.
In der Darmschleimhaut verläuft entlang dem gesamten Darmtrakt eine spezielle, komplex aufgebaute Abteilung des Immunsystems. In diesem darmspezifischen (intestinalen) Immunsystem werden über 70 Prozent aller Immunzellen des Körpers gebildet. Zu deren wichtigsten Aufgaben gehört es, krank machende Mikroorganismen, Parasiten, Allergene und andere körperfremde Substanzen, die wir über die Nahrung in unseren Verdauungstrakt aufnehmen, aufzuspüren und unschädlich zu machen. Zudem gibt das darmspezifische Immunsystem auf zellulärer Ebene seine Abwehrerfahrungen an die übrigen Schleimhautregionen des Organismus (wie etwa an das Bronchial- oder Harnwegesystem) weiter. Auf diese Weise beeinflusst und steuert das Immunorgan Darm faktisch das gesamte Abwehrsystem unseres Körpers.
INFO
VIELFÄLTIGE AUFGABEN DER DARMFLORA
Darmflora ist der Sammelbegriff für alle im Magen-Darm-Bereich vorkommenden Mikroorganismen, vor allem Bakterien, daneben weitere Einzeller (Archaeen und Eukaryoten). Ihre Hauptwirkungsstätte ist der untere Teil des Darms. Zwar sind auch im Magen und im Dünndarm Bakterienarten der Darmflora angesiedelt, die höchste Bakteriendichte (etwa 1,5 Kilogramm!) herrscht jedoch in Dickdarm und Enddarm. Ebenso besteht die Hälfte der Stuhlmasse aus Bakterien der Darmflora!
Bakterien einer intakten Darmflora sind sehr aktiv: Neben ihrem Engagement im Rahmen der darmspezifischen Immunabwehr bauen sie unverdauliche Nahrungsbestandteile ab, vor allem Ballaststoffe, die von den Verdauungsenzymen nicht gespalten werden können und daher unverändert in den Dickdarm gelangen. Darüber hinaus sind sie an der Herstellung einiger körpereigener Vitamine beteiligt, zum Beispiel Vitamin K.
Übrigens ist der Begriff Darmflora in der Diskussion, denn der Wortbestandteil »-flora« beruht auf der hinfälligen Annahme, Bakterien gehörten zum Pflanzenreich. Man spricht heute zunehmend vom intestinalen Mikrobiom (Gemeinschaft der Kleinstlebewesen im Darm).
Der Darmflora zuliebe sollten süße Häppchen die Ausnahme bleiben.
Die hilfreichen Bakterien der Darmflora
Das intestinale Immunsystem ist eng verbunden mit der Darmschleimhaut sowie mit der Bakterienflora des Darms. Der Darmschleimhaut kommt im Abwehrkampf eine wichtige Barrierefunktion zu. Unterstützt wird sie hierbei von den Bakterien der Darmflora, die sich an der Darmwand festsetzen und so die Darmbarriere verstärken siehe >. Außerdem attackieren die Keime im Bedarfsfall krank machende Erreger beziehungsweise Fremdpartikel und verhindern so, dass sich diese vermehren.
Die Gesundheit des Menschen hängt also eng mit einer ausgewogenen Darmflora, einer intakten Darmbarriere und einem reibungslos funktionierenden Darmimmunsystem zusammen.
STÖRANFÄLLIGE SYMBIOSE
Derzeit sind mehr als 500 verschiedene Bakterienarten der Darmflora bekannt, darunter auch einige potenziell krank machende (pathogene) Stämme. Für die Darmgesundheit ist es wichtig, dass die pathogenen und die für den Organismus unschädlichen (= apathogenen) Populationen im Gleichgewicht bleiben. Dafür kontrolliert sich die Darmflora sogar selbst, indem sie zum Beispiel bei Bedarf bestimmte Proteine freisetzt, die das Wachstum pathogener Keime hemmen. Dennoch kommt es vor, dass äußere Faktoren das ausgewogene Gemisch durcheinanderbringen, sodass pathogene Bakterien plötzlich in der Überzahl sind.
Ein solches Ungleichgewicht kann sich spontan, zum Beispiel aufgrund einer akuten Darminfektion, aber auch schleichend, etwa durch Fehlernährung, entwickeln. Wie eine darmfreundliche Ernährung aussieht, lesen Sie ab >.
Neben ungünstigen Ernährungsgewohnheiten können auch bestimmte Medikamente, allen voran Antibiotika, die Zusammensetzung der Darmflora ungünstig beeinflussen. Ziel jeder Antibiotikatherapie ist es, eine bakterielle Infektion zu bekämpfen. Allerdings hemmen Antibiotika neben den Bakterien, die krank machen, auch die hilfreichen Bakterien der physiologischen Darmflora. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass bereits nach fünftägiger Einnahme von Antibiotika etwa ein Drittel aller Darmbakterien dezimiert wurden....