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Man wird nicht jünger durch den Scheiss!

noch mehr unglaubliche aber wahre Geschichten aus dem Leben eines Notfallsanitäters

AutorHorst Heckendorn
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783743104488
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Der Wahnsinn geht weiter! Nach dem sensationellen Erfolg seines Erstlingswerks: "Ich bin zu alt für diese Scheisse!" entführt uns Notfallsanitäter Horst Heckendorn erneut in die bizarre Welt des Rettungsdienstes. In der Fortsetzung seiner Memoiren aus rund dreissig Jahren Notfallrettung geht es wieder schonungslos, aber mit dem gewohnt rabenschwarzen Humor zur Sache. Begleiten Sie den Autor bei seinen Streifzügen durch die Abgründe der menschlichen Zivilisation und seien Sie auch dieses Mal wieder hautnah mit dabei, wenn es heisst: Kotze, Kacke, Kakerlaken...

Horst Heckendorn wurde am 03.Dezember 1966 als Horst-Werner Kurz in Heitersheim / Baden geboren. Nach seiner Ausbildung zum examinierten Krankenpfleger blieb er als Zivildienstleistender im Rettungsdienst hängen. Durch ein traumatisches Ereignis fand er zum Schreiben und veröffentlichte seine Erinnerungen aus 30 Jahren Rettungsdienst. "Das Schreiben war und ist eine Art Therapie für mich um mit den Leichen im Keller besser fertig zu werden".

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Leseprobe

1


Das erste Mal


1988. Meine rettungsdienstliche Entjungferung erlebte ich an einem verregneten Sonntagnachmittag im Spätsommer dieses Jahres. Ich war erst seit Kurzem Zivildienstleistender im Rettungsdienst und Krankentransport einer süddeutschen Großstadt und gerade aus dem Rettungshelferlehrgang zurückgekehrt. Frisch von der Rettungsdienstschule brannte ich natürlich darauf, mein neu erworbenes Wissen endlich anzuwenden und fieberte daher jedem Notfalleinsatz aufgeregt und mit pochendem Herzen entgegen.

Es war schon später Nachmittag als mein Kollege und ich zu einer bewusstlosen Person gerufen wurden. Wir betraten mit unserer Notfallausrüstung die Wohnung im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses und fanden einen circa 60-jährigen Mann im Wohnzimmer auf dem Sofa liegend vor. Er trug einen dieser glänzenden Trainingsanzüge, wie sie Ende der achtziger Jahre schwer in Mode waren. Das Gesicht des Mannes war dunkelviolett angelaufen und passte somit hervorragend zur Farbe des fallschirmseidenen Freizeitanzugs. Während er mit der rechten Hand noch immer die Fernbedienung des riesigen Röhrenfernsehers fest umklammert hielt, steckte die linke nur noch schlaff und träge in einer Tüte mit Kartoffelchips. Offenbar hatte unser Patient aus heiterem Himmel während der Sportschau einen Herz-Kreislaufstillstand erlitten. Im Moment gab er jedenfalls keine Lebenszeichen mehr von sich.

»Mist, Reanimation«, murmelte mein Kollege, nachdem er vergeblich versucht hatte, an der Halsschlagader des Mannes den Puls zu tasten. Über das Handfunkgerät forderte er den Notarzt nach, während ich mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen des leblosen Mannes hinein leuchtete. Seine Pupillen waren weit geöffnet und reagierten überhaupt nicht auf das einfallende Licht.

»Schnell, wir müssen ihn auf den Boden legen!«, wies mich mein Kollege an. Gemeinsam schoben wir den schweren Wohnzimmertisch in Eiche rustikal zur Seite und hievten den leblosen Körper vom Sofa hinunter auf den harten Fußboden. Ich öffnete den Reißverschluss seines Trainingsanzugs und begann auf der behaarten Brust mit der Herzdruckmassage, während mein Kollege die Klebeelektroden des EKG-Monitors darauf befestigte. Das Elektrokardiogramm zeigte auf dem nur briefmarkengroßen grünen Bildschirm eine wellenförmige feine Linie und nicht wie bei einem normal schlagenden Herzen üblich, spitze Zacken. Das war ein sicheres Indiz für ein sogenanntes Kammerflimmern. In dieser Phase des Herzstillstands zuckt der Pumpmuskel nur noch wie ein Wackelpudding sinnlos vor sich hin. Mit anderen Worten: Das mehr oder weniger elektrisch betriebene Herz lebt zwar noch, pumpt aber kein Blut mehr durch den Körper. Mit etwas Glück konnte man nun das völlig unkoordiniert zuckende Herz mit einem gezielten Stromschlag von außen wieder in eine geordnete Schlagfolge bringen. Das ganze Prozedere ließ sich am ehesten mit der Starthilfe bei einer leeren Autobatterie vergleichen. Mit einem Einwegrasierer entfernte ich jetzt rasch die Brusthaare des Patienten. Gleichzeitig trug mein Kollege aus einer Tube mit einer Art Gleitgel einen haselnussgroßen Klecks auf die beiden silbrig glänzenden Elektroden des Defibrillators auf. Anschließend rieb er die beiden Enden gegeneinander und verteilte so den Gleitfilm gleichmäßig über die ganze Fläche. Durch das Gel wurde der elektrische Widerstand der Haut gesenkt und gleichzeitig ein Verbrutzeln der Brusthaare verhindert. Andernfalls würde sonst der Stromfluss den Brustpelz unseres Patienten versengen, was wiederum zu hässlichem Funkenflug und einer gewissen Geruchsbelästigung führen würde. Außerdem würde ohne das Gel der potenziell lebensrettende Stromschlag von der Dicke der Haut abgeschwächt werden und so das gewünschte Endergebnis massiv beeinträchtigen. Das musste unter allen Umständen verhindert werden. Mein Kollege lud nun den Defibrillator auf 200 Joule hoch und setzte die beiden Griffe des Elektroschockapparates direkt ober und unterhalb des Herzens auf die Brust des klinisch toten Mannes auf. Es sah fast so aus, als würde er ihm zwei Bügeleisen auf den Brustkorb drücken. Ein schnell ansteigender schriller Pieps-Ton signalisierte den Ladezustand des Gerätes.

»Achtung, weg vom Patient!«, rief mein Kollege und drückte dabei gleichzeitig auf die beiden roten Auslöseknöpfe. Diese Warnung war von elementarer Wichtigkeit, da man sich sonst unter Umständen mit dem Patienten solidarisch erklärt und ebenfalls mitgezappelt hätte. Der Körper des Patienten bäumte sich kurz auf, als der Strom durch ihn hindurchfloss. Für einen kurzen Moment zuckte und schüttelte er sich und fiel danach wieder schlaff und träge in sich zusammen. Trotz meiner vorangegangenen Brusthaarrasur roch es jetzt nach versengten Haaren. Wie gebannt, starrten mein Kollege und ich auf den EKG-Monitor. »Piep ... Piep ... Piep ... Piep.« Tatsächlich zeigte sich jetzt wieder ein normaler und regelmäßiger Herzschlag. Ich tastete den Puls des Mannes und spürte ein kräftiges Pochen an seiner Halsschlagader. Super! Wir hatten ihn wieder. Nach ein paar zusätzlichen Atemstößen mit dem Beatmungsbeutel setzte auch die Atmung des Patienten wieder ein. Just in diesem Moment erschien endlich auch der Notarzt auf der Bildfläche und fand jetzt einen wiederbelebten Patienten mit stabilem Puls und ausreichender Spontanatmung vor.

»Jungs, das habt ihr prima gemacht!«, lobte er uns. Mit einem speziellen Tragetuch schleppten wir anschließend den Patienten durch das enge Treppenhaus hinunter in den Rettungswagen. Ohne weitere Komplikationen fuhren wir ihn direkt in die Notaufnahme der Universitätsklinik.

Der Mann war zwar immer noch bewusstlos, aber er lebte und ich war stolz wie Oscar. Meine allererste Reanimation und dann auch noch gleich erfolgreich! Was war das doch für ein tolles Gefühl, einfach mal eben so einem Menschen das Leben gerettet zu haben. Klasse! Ich war völlig aus dem Häuschen.

»Na, na, na, jetzt krieg dich mal wieder ein!«, versuchte mich mein Kollege zu bremsen. »Die erste Reanimation ist wie der erste Sex. Das erste Mal vergisst du nie, da ist alles noch völlig neu, spannend und aufregend. Doch bevor du überhaupt richtig weißt, was los ist, ist es auch schon wieder vorbei. Aber mit der Zeit wird das dann alles zur Routine, und am Ende ist es dann immer wieder dasselbe: Rein – raus, rein – raus, fertig ist der Klaus!« Dabei bewegte er seine Hände rhythmisch auf und ab und tat so, als würde er gerade eine Herzdruckmassage durchführen. »Glaub jetzt ja nicht, dass du immer gewinnst«, fuhr er fort. »In Wirklichkeit schaffen es nämlich nur die allerwenigsten, vielleicht einer von zehn. Die andern kratzen alle ab!« Dabei schlug er wie ein Priester mit der rechten Hand ein Kreuz in die Luft, als würde er den Segen spenden.

Ich ließ mich jedoch von den nüchternen und abgeklärten Ausführungen meines alten und erfahrenen Kollegen nicht beirren. Jung, naiv und noch völlig unbefleckt, wie ich war, glaubte ich doch allen Ernstes, der wiederbelebte Mann würde schon bald in den Kreis seiner Familie zurückkehren und sein ganz normales Leben weiterführen können.

Am nächsten Tag wollte ich ihn in der Uniklinik besuchen. Mich interessierte einfach brennend, wie es ihm wohl ginge und ob er sich womöglich noch an irgendetwas erinnern konnte. Ich drückte auf den Klingelknopf zur hermetisch von der Außenwelt abgeschotteten Intensivstation und wartete darauf, bis mir eine Krankenschwester die Tür öffnete.

»Ja, bitte?«, fragte sie mich.

»Hallo, ich bin vom Rettungsdienst und wollte mich einfach mal erkundigen, wie es Herrn Schmidt geht, den wir gestern hier eingeliefert haben?«

»Ach ja, jetzt erkenn’ ich dich wieder!«, sagte sie nach kurzem Zögern. »Du, eigentlich völlig unverändert, aber komm doch rein und schau selbst!«, ermunterte sie mich.

Ich folgte Ihrer freundlichen Aufforderung und betrat mit klopfendem Herzen und feuchten Händen die Intensivstation. Gleich würde ich Herrn Schmidt gegenübertreten und ihn nach seinem Befinden fragen können. Wie unendlich dumm und naiv ich doch war. Dann sah ich ihn da liegen. Herr Schmidt war weiterhin im Koma und wurde künstlich beatmet. Überall waren Schläuche und Kabel angeschlossen und ein halbes Dutzend vollautomatischer Spritzenpumpen, sogenannte Perfusoren, pumpten permanent irgendwelche Medikamente in ihn hinein. Plötzlich und ohne Vorwarnung begann er am ganzen Körper zu zittern und zu zucken. Sein Gesicht verzog sich zu einer hässlichen Grimasse und lief dunkelblau an. Er bäumte sich wie wild auf und sämtliche Geräte um ihn herum blinkten und hupten wie verrückt. Was war denn jetzt los? Ich verstand mal wieder nur Bahnhof. Für einen kurzen Moment brach Hektik aus.

»Er krampft wieder!«, rief eine Schwester. Ein Arzt verabreichte ihm daraufhin ein krampflösendes Medikament, worauf sich sein Zustand rasch wieder beruhigte.

»Was war denn...

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