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Managen und Lieben

Führungskräfte im Spannungsfeld zwischen Beruf und Privatleben

AutorAngelika Schmidt, Helmut Kasper, Peter J. Scheer
VerlagRedline Verlag
Erscheinungsjahr2002
Seitenanzahl234 Seiten
ISBN9783864147968
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Gelingt es ManagerInnen, den Spagat zwischen den immer schwierigeren Anforderungen des Berufs und den Wünschen ihrer PartnerInnen und Kinder zu schaffen? Oder werden sie letzten Endes zerrissen und müssen sich für den Beruf und gegen die Familie entscheiden? Irgendwann stehen ManagerInnen vor der Frage, woran sie den Erfolg ihres Lebens messen sollen. - An den glücklichen Erwachsenen, die einst ihre Kinder waren? - An ihrer finanziellen Situation? - Oder an Titeln, die sie erworben haben? Was dieses Werk zu bieten hat, ist eine sehr persönliche Bestandsaufnahme von dreißig ManagerInnen, die sich im Rahmen einer aufwendigen wissenschaftlichen Studie dargestellt haben. Als Ergebnis kristallisierten sich dabei drei grundlegende 'Typen' heraus, die anhand anonym gehaltener Fallvignetten nachvollziehbar sind. Darüber hinaus bereichern höchst aufschlussreiche Erkenntnisse über Paar-Beziehungen sowie über sogenannte 'Power'-Paare und Manager-Eltern-Kind-Verhältnisse - gewonnen aus tiefgehen-den Analysen von über 100 Soziodramen - das vorliegende Buch.

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Leseprobe

1 Einleitung


„Zu Hause brauche ich keine Emotionen, sondern Dienstleistungen!“, forderte ein Topmanager während einer heftigen Diskussion über mögliche Zerrissenheit zwischen Beruf und Familie. Wir erschraken … Was für ein herzloser Mann. Aber machen wir es anders? Führungskräfte geben bei ihrer Präsentation in Seminaren als wichtigstes Hobby zumeist die Familie und die Kinder an. Manchmal finden sich auch Scheidungen darunter. Familie über alles und Managen durchdrungen von Arbeitsleid?

Szenenwechsel: Auf Flughäfen sind Manager zu sehen, wie sie nach dem Erhalt der Boarding-card noch schnell ein Telefonat führen. Angestrengt, oft verbissen gegen den Lärm kämpfend, schreien sie ins Handy. Hastig wird noch ein Brief diktiert. Die Frau zu Hause noch schnell angerufen: „Es wird später werden, Schatz, du weißt …!“ Die meisten Manager behaupten jedoch, dass die Familie ihr Hobby und ihre Liebe ist und der Beruf ihre Last. Je nach persönlicher Art jammern die einen, die anderen ertragen es willig. Fast allen gemeinsam ist jedoch das Lied vom Arbeitsleid. Wie schaut es aber wirklich damit aus? Ist Arbeit tatsächlich so eine enorme Belastung? Ist Familie tatsächlich ein Ort der Erholung und eine Quelle der Lust, für den sich alle Plage lohnt, so wie es alle Manager erzählen, wenn man sie fragt?

Genau diese Fragen – plus unsere eigene Unsicherheit, unsere Ichnähe zu dieser Thematik, konfrontiert mit betroffenen ManagerInnen in vielen Führungskräftelehrgängen – führten zu einer umfangreichen mehrjährigen Studie mit Absolventinnen und Absolventen des Post Graduate Management (PGM) Universitätslehrgangs der Wirtschaftsuniversität Wien mit Top-Führungskräften bzw. oberer Hierarchieebenen (Leitung: Universitätsprofessor Dr. Helmut Kasper), die vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Wien1, unterstützt wurde. Das Verhältnis von Familie und Beruf sollte untersucht werden. Welche Bedeutung haben denn Beruf und Familie emotional? Sind Beobachtungen richtig, die zeigen, dass ManagerInnen ihre Familien am liebsten am Schreibtisch friedlich in Fotos gerahmt sehen? Wollen ManagerInnen tatsächlich mehr zu Hause sein? Und wenn das stimmt, wieso wird das Karenzjahr für den Mann so wenig genutzt?

In seiner Studie „Gewinner um jeden Preis“ hat Maccoby2 den Manager als einen Sieger beschrieben, dem es im Grunde egal ist, ob das, was er erreicht, sinnvoll ist. Er beobachtete, dass Siegen selbst ein Wert ist. Und alle Männer kennen diesen Wert seit ihrer Kindheit. Im Kindergarten und in der Schule werden immer wieder Kämpfe ausgetragen, durch die soziale Rangordnung definiert wird. Diese Definition der Rangordnung ist das Ziel solcher Kämpfe. Männer führen diese Kämpfe ständig durch und werden lebenslang nicht müde, sie immer wieder auszufechten. Ein Mann, der diesem Kampf entgehen will, muss sich selbst aufgeben. Insofern ist Management eine Kunst, diesen Kampf unverdrossen zu kämpfen, nie zu erlahmen bzw. höchstens nur, um sich in die Frühpension zurückzuziehen. Der Kampf selbst ist ein Wert.

Die Familie ist ebenso ein Wert an sich: Im psychobiologischen Sinn, den wir alltäglich erleben können, ist sie auch für ManagerInnen die einzige Gewähr, dass sie nicht spurlos von dieser Welt verschwinden werden. Familie ist die Gewähr, dass ManagerInnen – ebenso wie alle anderen Menschen – unsterblich sind. Eine Gewähr, die ihnen weder ihre Werke vermitteln können noch die Versprechungen mancher jenseits-orientierter Religionen. Insofern ist Familie wichtig. Aber es reicht offenbar, sie herzustellen, sie zu erzeugen, sie im Curriculum Vitae zu erwähnen und sie allenfalls zu präsentieren.

Betrachtet man nun das Verhältnis zwischen Beruf und Familie genauer, so zeigen sich zwei grundsätzliche Lösungen: Die scharfe Trennung und die allgegenwärtige Vermischung des Paares in seinen vielen Funktionen, vom Rekreationsort bis hin zur Aufzuchts- und Erziehungsgemeinschaft. In allen Grautönen werden Lösungen gesucht und angestrebt, und alle sind richtig, alle sind normal. Die Angst, als TeilnehmerIn oder LeserIn eines solchen Buches den Unterschied zwischen gesund und krank, zwischen normal und verrückt kennen zu lernen oder über die eigene Person zu definieren, ist unbegründet. Alle Arten, sich durch’s Leben zu schlängeln, sind erlaubt. Ebenso sind Lösungen, wie sie in den Ergebnissen der Befragung vorgestellt werden, akzeptabel. Manche sehen die Karriere, besonders, wenn sie jünger sind, als das einzig Wichtige und vergessen den Witz, wonach man so lange in die Karriere investiert, bis man genug Geld hat, um sich die Wiederherstellung der Gesundheit leisten zu können. Andere versuchen zwischen Beruf und Familie zu pendeln, scheinen in beiden Zusammenhängen zu versagen und schleppen die Last andauernder Schuldgefühle. Stellt man die Familie in den Vordergrund seiner Interessen, ist man als ManagerIn für die Firma verloren. Die austauschbare und mobile Arbeitskraft des Frühkapitalismus geht damit aber in eine postmoderne Ruhefigur über, wie sie fast nur mehr im Museum Europa zu bewundern ist.

Diese Studie hat Emotionen mittels sprachanalytischer Verfahren untersucht und herausgefunden, dass manche Selbstentwürfe der Analyse nicht standhalten. Manche ManagerInnen beteuern zwar, die Familie sei ihnen am wichtigsten, aber, wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass sie Begriffe wie „wir“, „uns“ und „miteinander“ vor allem im beruflichen Zusammenhang verwenden. Und wenn man sich ihre Familienerzählungen anhört, weiß man, dass dort zwar Zeit, nicht aber Emotion gebunden ist. Die Emotionen investieren sie lieber in die Firma. Eine spannende Differenz, die natürlich nicht auf alle zutrifft. Wir konnten diverse Cluster von ManagerInnen empirisch festmachen, die der Erotisierung des Berufs mehr oder weniger stark erliegen. Um die aufgefundenen Typisierungen plastischer darzustellen, haben wir verfremdete, anonymisierte Skizzen und sprachliche Portraits einzelner TeilnehmerInnen in Form von Fallvignetten angefertigt, sodass die Vielfalt beruflicher und persönlicher Lebensentwürfe auch für Sie als LeserIn leichter nachvollziehbar ist.

Noch immer waren aber Unsicherheiten zu überbrücken, weshalb wir an die Wurzeln der Studie gingen. Im Post Graduate Management Universitätslehrgang wurden über viele Jahre im Modul „Stress- und Konfliktmanagement“, geleitet von Universitätsprofessor Dr. Peter Scheer, Soziodramen von den teilnehmenden Top-Führungskräften aufgeführt und interpretiert. Diese sollten „Stress und Stressbewältigungsstrategien“ mit einer Übung erlebbarer machen: Die Manager hatten die Aufgabe – nach gründlicher Vorbereitung in der Gruppe mit Drehbuch und Rollenverteilung – gemeinsam in Teams eine Stresssituation szenisch in wenigen Minuten aufzuführen. Es sollten Übergänge inszeniert werden, etwa der Weg von der Arbeit nach Hause oder das Ankommen daheim. Diese Soziodramen wurden von uns im Rahmen dieser Studie narrativ ausgewertet. Das heißt, es wurden Geschichten erzählt, Geschichten, die sich in den Interviews der Studie wiedergefunden hatten, Geschichten, die erzählenswert erscheinen. Und in der Tat: In zwei Lehrgängen wurden Rohfassungen dieser Artikel an die PGM-TeilnehmerInnen ausgegeben und immer wieder konnten sich darin einige wiederfinden. Immer wieder wurden diese Geschichten zu Erzählungen, die mit der unmittelbaren Lebenspraxis der TeilnehmerInnen in Verbindung gebracht werden können und sollen.

Das eröffnet die Möglichkeit, dass auch Sie in diesem Buch etwas finden, was für Sie von Nutzen sein kann. Anregungen, wie Sie Ihr Leben interpretieren können, Anstöße zur Nachdenklichkeit und Lektüre für die PartnerInnen, die in irgendeiner Weise an Ihrem Versuch, Karriere zu machen, teilnahmen.

Denn das ist auch eine Beobachtung, wie sie sonst nur das Ergebnis einer Lesereise sein könnte: Die Betroffenen selbst hören nicht gern von dieser Studie: Das Modul über Beruf und Familie wurde immer wieder als schwierig erlebt. Doch die Nachhaltigkeit war groß: Zu Hause angekommen gab es erstmals etwas zu erzählen, was auch die PartnerInnen interessierte. Vielleicht haben wir ein Mitbringsel erzeugt …

Das Buch beginnt zur Einstimmung mit drei Lebensgeschichten. Im anschließenden Kapitel 3 über „neue Familie“ werden „traditionelle Lebensformen“ und „nichttraditionelle Lebensformen“ einander gegenübergestellt. Im Kapitel 4 „ManagerInnen heute“ werden die neuesten Tendenzen in Führungsfunktionen vorgestellt, um den Prozess der Veränderungen auch aus dieser Perspektive zu problematisieren. Im Kapitel 5 zeigen wir auf, wie man mit dem Spannungsverhältnis zwischen Familie und Beruf umgehen kann, und daran anschließend, welche Optionen Führungskräfte wählen. Wir fanden drei grundsätzlich...

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