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E-Book

Marceline Desbordes-Valmore

AutorStefan Zweig
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl194 Seiten
ISBN9783849628765
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Marceline Desbordes-Valmore war eine französische Schriftstellerin. Ihre Werke (vor allem Gedichtbände) zeigen Desbordes-Valmores als eine außerordentlich gütige, sensible Frau mit einem großen liebenden Herzen. Ihre Themen reichen von Mutterschaft - die sie als fast einzige Dichterin poetisch erschloss - über Liebe, Freundschaft, Kindheit, Gott bis zu Protesten gegen soziale Unterdrückung (z. B. die der Seidenweber von Lyon 1831/1834). Zweigs Biografie enthält eine Auswahl von Gedichten, Briefen und autobiograph. Fragmenten.

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Leseprobe

 


Habt Mitleid! Süß war meine Welle,
Doch mich verschlang das gierige Meer;
Nun trag ich Bitternis einher,
Wohin mich stößt des Windes Schnelle.

 

Den nicht ich kannte – salziger Sand,
Rollt mit mir durch die grünen Fluren,
Gibt Gras und Blumen herbe Spuren,
Und leise klagt ihr Widerstand.

 

Ich stürzte wild von Bergen nieder,
Der Nachtduft, den ich droben trank,
Der tief in junge Wasser sank,
Dringt nie herab zu mir – nie wieder!

 

Froh flog ich hin, voll Übermut,
Und schwang, gleich Schleiern von Topasen,
In buntem Tanz Milliarden Blasen –
Wie anders stürmte meine Flut!

 

Aus Himmeln schauten Vögel leise
Ihr Bild in mir und liebten mich
Noch mehr als Wolkentrunk, denn ich
Erfrischte ihnen Lied und Weise.

 

Kein Ton erfreute mehr das Ohr
Mit Gruß und Lockung, hinzulauschen,
Mit melodiösem Sang und Rauschen,
Als meiner Strömung heller Flor:

 

Mein klangvoll klares Bachgeriesel,
Darüber grüne Kresse kroch;
Mein frohes Lied, es murmelt noch,
Doch winterdumpf, durch Sand und Kiesel.

 

Kein Jubel klingt auf meinen Pfad:
Der Vogel, dessen Durst betrogen,
Ist Wolkenzügen nachgeflogen;
Die Nachtigall kommt nicht zum Bad.

 

Des Himmels Glut und lichte Zier
Streut ich als Perlen unters Moos ...
Ach, süß war einst mein Wasserschoß –
Jetzt schlepp ich nur noch Salz mit mir!

 

 

An die Sonne


 


Du Freundin von Armut und Trauer,
Du ewiges Lächeln im Leid,
Du liebender, glühender Schauer
Der Güte, die sieht und verzeiht!
Deine Flamme hat nie mich betrogen,
Wie heftig der Sturmwind auch blies,
Dein Licht hat mich niemals belogen,
Wenn es Wiedersehen verhieß.

 

Den Wipfel der jungen Platane
Erhebst du zu Fülle und Glanz,
Meinem Fenster als Vorhang und Fahne,
Meiner Stirn als kühlenden Kranz.
Durch Italiens Pracht und Zypressen
Hinwandl ich, die Blicke gesenkt,
Und ob mich auch jeder vergessen –
Du, du hast Erbarmen geschenkt!

 

O gieß deine strahlenden Küsse
Vom Himmel herab in die Welt,
Leuchtfeuer durch Finsternisse,
Das Abgrund um Abgrund erhellt.
Hoch über den Bergen und Stegen,
Schau, Flammenseele, uns zu,
Auf fremden verworrenen Wegen
Bewach und beschütze uns, du!

 

Hüll Frankreich in goldene Ranken
Und die Herzen, die dort mir vertraun,
Und laß meinen Sohn in Gedanken
Das Auge der Mutter erschaun.
Gieß Licht in sein Suchen, sein Sehnen,
Doch weint er um mich, weint vor dir –
O Stern, so sammle die Tränen
Und schütte sie aus über mir!

 

 

Hab Dank, mein Gott


 


Ich kam auf Erden, wo ich schreite,
An mehr als eine Schlucht, ich fiel,
Dann rief mein heißer Schrei ins Weite,
Mein Gott, mein Vater war sein Ziel.
Und sanft und liebreich glitt hernieder
Ein Abgesandter deiner Huld
Und half mir aus dem Dunkel wieder –
Mein Gott, zahl du ihm meine Schuld!

 

Ich sah auf Erden, wo ich weine,
Manch Auge, drin ein Beten stand;
Gott selber sprach aus seinem Scheine –
Ich sah in dieses Himmelsland,
Darin viel heller Stern erstrahlte,
Und lernte Mitleid und Geduld
Und hatte nichts, womit ich zahlte.
Mein Gott, bezahle du die Schuld!

 

Ich fand auf Erden, wo ich singe,
Oft Herzen voller Harmonie;
Verborgne Muse, deren Schwinge
Gefaltet bleibt, so lauschen sie
In Nachsicht meiner armen Leier,
Und sind voll Sanftmut und Geduld;
Mein Lied ward stolz durch sie und freier –
Mein Gott, bezahle meine Schuld!

 

Ich traf jedweden Tag auf Erden
Das große Heer des Elends an,
Sah Waisenkinder bresthaft werden
Und todessiech und sterben dann.
Wie vieles Leid mußt ich erschauen!
Mein Blick erschrak und wandte sich,
Mein Herz jedoch spricht voll Vertrauen:
Sieh an, mein Gott, gib du für mich!

 

 

An jene, die weinen


 


Vor allem ihr, nehmt hin mein Mitgefühl,
Ihr Ungeliebten, Schwestern ihr im Leide!
Nehmt sie: den Traum, der Tränen Liederspiel,
Dies bittersüße, traurige Geschmeide.

 

Im Buch hier, seht, liegt eine Seele fest;
Macht auf und lest und zählt die Leidenstage!
Ihr Weinenden auf Erden, kommt und preßt
Aus dieser Asche Glut, die mit euch klage.

 

Singt! Frauensang bringt vielen Schmerz zur Ruh.
Liebt! Mehr als Liebe bringt der Haß Verderben.
Gebt! dem Erbarmen fliegt die Hoffnung zu:
Solang man geben kann, will man nicht sterben.

 

Vermögt ihr eure Tränen nicht wie ich
Zu schreiben – oh, dann schenkt sie diesen Zeilen.
Verzeihn ist Beten! So entschuldigt mich,
Daß diese Blätter eng mein Schicksal teilen.

 

Ihr meint, wer sein Gefühl in Worten sagt,
Der sei verächtlich, der sei nicht bei Sinnen?
Der Vogel singt – wird er drum angeklagt?
Mehr sanft als rasend scheint mir sein Beginnen.

 

 

Die Gefängnisse und die Gebete


 


Weint! Zählt die Namen der Verbannten Frankreichs;
Den großen Herzen, die so hoffend brennen,
Fehlt Luft und Freiheit. Legt die Trauerpalme
Zu Füßen ihrer Leiden hin und kommt!
Der Kerkermeister nur darf sie erblicken.
Kommt weiter! Unsre frommen Arme haben
Nicht Kraft noch Waffen, und wir können nicht
Dem Brudermorde das Gelübde weihn,
Doch wir sind Frauen, unser sind die Tränen
Und das Gebet –und Gott, der Gott des Volkes,
Will dies von uns. Seht hin, zum Kerker gleiten
Die heiligen Seelen; seid gegrüßt, die ihr
Hienieden eure Schwingen still verbergt!
Ihr blassen Fraun in dünnen feuchten Mänteln,
Viel Schmutz und Staub erlahmte euren Schritt.
Gegrüßet seid! Lebendige Tränen röten
Den Blick, der in die dumpfe Welt sich stürzt
Und drin ertrinkt. Ihr irrt umher wie einst
Im Hain Gethsemane; denn Christus leidet
Und Judas triumphiert; ja Christus leidet,
Denn viel Verbrechen fühlt sein Herz voraus.
Er, der die Ketten brach, obgleich sein Arm
Ans Kreuz genagelt war, er sieht von neuem
In seinem Blute viele Opfer bluten.
Er möchte nochmals sterben, um die Hölle
Nochmals zu schließen! Eilt, ihr Waisenkinder,
Steigt in die Wage, betet für die Bösen,
Die ohne Reue leben, und erkauft
Verzeihung aller Missetat mit Tränen,
In bittrer Flut wascht unsre Toten rein!
Und wir, laßt uns nicht mehr mit unsern Fahnen
Die Söhne senden in ruchlosen Kampf.
Soll die Scharpie, die unsre Hand gerichtet,
In unsres Herzens eignes Blut sich tauchen?
Erbarmen! Keine Zeit bleibt uns zum Haß,
Der bös und niedrig ist; es tagt, es tagt!
O Frankreich, sieh, dein Gott kann Liebe brauchen,
So sei in Liebe ohne Unterlaß,
So sei in Liebe, liebend sei's gewagt,
Geh hin, zerbrich die Ketten, daß es tagt!

 

 

Ein Neugeborener


 


An Hippolyte

 

Nun bist du da, mein Kind, mein junger Gast!
Seit einer Stunde da! Oh, wie erwartet,
Dein Leben wie erkauft! Kannst du dafür?
Nein, nein! Mein Schrei barg keinen Zorn zu dir.

 

Du, trugst du nicht schon Weh, bevor zum Tag
Du aufgewacht, und halfst du nicht dazu,
Daß wir uns endlich sehn? Mein Schatten du,
Du Kind aus meinem Sein geboren, das
In diesem Sein mich übermächtig hält,
Auch dir ward Schmerz in deiner engen Welt.

...
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