6. Hightech &, Hightouch (S. 72-73)
Wider die seelenlose Technik
Bizarrerweise sind es gerade die Funktionseliten, die über ihre eigene Lebenszeit am wenigsten frei verfügen können. Das ist nicht in erster Linie eine quantitative Frage, obwohl viele Angehörige dieser Schicht bis zu achtzig Stunden in der Woche arbeiten, viel eher sind es ihre vielfältigen Abhängigkeiten, die sie versklaven. Man erwartet von ihnen, dass sie jederzeit erreichbar sind und auf Abruf bereitstehen. Im Übrigen sind sie an Terminkalender gebunden, die auf Jahre hinaus in die Zukunft reichen. (Hans Magnus Enzensberger)
Technologie ist Segen und Fluch zugleich. Technologie verspricht uns, Zeit, Geld und Arbeit zu sparen, um frei zu sein für Dinge, die uns wirklich wichtig sind. Kaum jemand würde ernsthaft bestreiten, dass Technik uns im vergangenen Jahrhundert das Leben enorm erleichtert hat: Wir waschen unsere Wäsche nicht mehr mit der Hand, wir rechnen nicht mehr im Kopf und wir hacken nicht mehr unser Holz, um das Haus zu heizen. Und eine der besten technischen Innovationen überhaupt – nach unserer Einschätzung – ist die Erfindung der Geschirrspülmaschine. Gemessen an der menschlichen Evolutionsgeschichte schlagen wir uns erst seit ganz kurzer Zeit mit einem neuen Phänomen herum: Freizeit. Und das verdanken wir zum großen Teil der Technik. Wie gesagt: Fluch und Segen zugleich …
„Erledigen Sie alles rasch, dann bleibt mehr Zeit zum Glücklichsein!", verspricht uns die Werbung. Über die Jahre haben wir uns an neue verheißungsvolle Produkte gewöhnt, haben sie uns, so rasch es der Wohlstand nur gestattete, angeschafft. Das Motto lautet: auswählen, kaufen, installieren und aufrüsten. Doch was uns verspricht, Zeit zu sparen, verschlingt in Wahrheit immer mehr Zeit. Es wird von uns erwartet, dass wir ständig erreichbar sind – Handy, E-Mail und andere moderne Kommunikationstechnologien degradieren uns zu einem Objekt, das rund um die Uhr verfügbar sein muss. Die Welt, die wir jeden Tag aufs Neue bewältigen müssen, wird immer komplexer – immer technischer.
Viele Menschen sehnen sich deshalb heute nach Einfachheit, Entschleunigung und nach unmittelbaren Lösungen statt der Abhängigkeit von mittelbaren, technischen Lösungen. John Naisbitt, einer der prominentesten Trendforscher der USA, bringt es auf den Punkt:
Wir nutzen die Hälfte unserer Zeit, um uns mit neuer Kommunikationstechnologie zu umgeben. Und den Rest der Zeit, um vor ihr davonzulaufen.
Konzept
Hightech &, Hightouch ist ein Konzept von John Naisbitt, das er in seinem gleichnamigen Buch vorstellt. Der Untertitel lautet: „Auf der Suche nach Balance zwischen Technologie und Mensch". Eine Kernaussage dieses Konzepts ist, dass wir trotz allen technologischen Fortschritts ein immer größeres Bedürfnis nach Produkten und Services haben, die unser Verlangen nach Hightouch (Erlebnisse wie zum Beispiel Familie, Natur und menschlicher Kontakt) befriedigen – nicht zuletzt auch deshalb, weil unsere bisherigen Quellen für Hightouch immer dünner werden. Hightech wird als „Technikbereich, von dem man bedeutende Impulse für die Zukunft der Industriegesellschaft erwartet" definiert. Hightouch ist „menschliche Emotion, Familie, das Lächeln eines Kindes, Freude, das Aufleben in der Natur, Liebe, etc." Hightech &, Hightouch meint daher eine Technologie, die unsere Menschlichkeit bewahrt. Technologie wird als integraler Bestandteil der gesellschaftlichen Entwicklung gesehen, als das Produkt unserer Ideen und Träume. Die Schaffung immer besserer Technologien ist ein instinktives Bedürfnis des Menschen.