4.3 Grundsätze medienadäquater Umsetzung
Die geographische und zeitliche Unbegrenztheit sowie die ausgeprägten in- und hypermedialen Merkmale des Internets, führen zu einer Form der Marketingkommunikation, die in dieser Konstellation innerhalb der heutigen Medienlandschaft einzigartig ist. Hieraus ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, die Botschaftsgestaltung an dieser besonderen Kommunikationssituation medienspezifisch auszurichten. "Der Blick auf den Auftritt vieler Unternehmen in den Online-Medien gibt dieser trivialen Empfehlung besondere Aktualität" 114 . Im Folgenden soll daher versucht werden, Grundsätze aufzustellen, die eine medienadäquate Umsetzung bei der Erstellung von WWW-Seiten gewährleisten. Diese Grundsätze sind als allgemeingültige Gestaltungsrichtlinien aufzufassen, die darauf abzielen, die sich aus den kommunikationsrelevanten Systemmerkmalen ergeben-
4 Marketingkommunikation im Internet
den Vorteile und Stärken des Internets in der Marketingkommunikation zielgerichtet umzusetzen.
Nachfolgende acht Grundsätze werden vom Autor als wesentliche Erfolgs- für eine medienadäquate Umsetzung erachtet:
1.
Der wichtigste und für jede Form der Web-Präsenz geltende Grundsatz er- sich aus dem besonderen Rollenverhältnis zwischen Unternehmen und Konsumenten im Internet: In einem Medium, in dem der Botschaftsempfänger das Zustandekommen, den Verlauf und das Beenden von Kommunikationsprozessen selber bestimmt, muß die gesamte Marketingkommunikation mehr als je zuvor konsequent an den Bedürfnissen der Konsumenten ausgerichtet werden. Jeder Versuch, dem User Botschaften aufzwingen zu wollen, wie dies in den Massenmedien unter Ausübung von Werbedruck geschieht, sind zum Scheitern verurteilt 115 . Daher muß hier dem Konsumenten ein echter, für ihn wahrnehmbarer Nutzen geboten werden, der ihn freiwillig zum (wiederholten) Besuch der Web-Site bewegt.
2.
Die zu übermittelnden Inhalte sollten - unter Ausnutzung des Hypermedi- - stets strukturiert, übersichtlich und miteinander vernetzt dargestellt werden. Benutzerfreundliche Navigations- und Orientierungshilfen in Form von verständlichen Navigationselementen (“Buttons“), Inhaltsverzeichnissen, Indizes oder elektronischen Suchassistenten, sollen dem Konsumenten helfen, sofort auf die von ihm gewünschte Seite gelangen zu können. Doch auch innerhalb des gesuchten Dokuments muß ihm ermöglicht werden, über entsprechend gekennzeichnete (und stets funktionsfähige) “Links“ sofort auf andere Informationsquellen Zugriff zu haben. Denn wenn der Internetnutzer, um an ein bestimmtes Angebot gelangen zu können, zuvor mehrere ihn nicht interessierende Seiten durchlaufen muß, kommt dies einem linearen Seitenaufbau gleich und kann dazu führen, daß der verärgerte Kunde den Besuch früher als ursprünglich beabsichtigt wieder abbricht.
Sei te 48 4 Marketingkommunikation im Internet
3.
Interaktivität vor Multimedialität! Ein schneller Seitenaufbau muß oberste Prämisse beim Einsatz multimedialer Elemente sein. Sicherlich können graphische Animationen oder akustische Untermalungen eingesetzt werden, um Aufmerksamkeit zu erzielen, den Eindruck von Professionalität zu vermitteln oder zur Unterhaltung beizutragen 116 . Doch wenn durch eine Überfrachtung an multimedialen Gestaltungseinheiten die Übertragungs-und Antwortzeiten ein zu hohes Ausmaß annehmen 117 , wird sich der Nutzer in eine ihm aus den Massenmedien bekannte "passive Rezipientenhaltung" 118 zurückversetzt fühlen und den Kontakt abbrechen. Ferner sollte neben dem zeitlichen auch der finanzielle Aufwand des Internetnutzers berücksichtigt werden. So kosten 5 Minuten Online-Zeit, in denen sich der Nutzer tagsüber mit dem Informationsangebot eines Anbieters beschäftigt, bei T-Online durchschnittlich 0,65 und bei AOL 0,90 DM. 119 Neben der sparsamen Verwendung multimedialer Elemente, kann - um dem User lange Wartezeiten zu ersparen - auf der Homepage eine "textonly-Version" angeboten werden, in der auf ladeintensive Graphiken und bunte Hintergrundfarben verzichtet wird. Ähnliches gilt auch für akustische Untermalungen: Hier sollte der Besucher selber entscheiden können, ob er diese Unterhaltungskomponente in Anspruch nehmen möchte oder nicht.
4.
Die Kommunikation mit dem Konsumenten sollte so individuell wie mög- erfolgen. Auf Seiten der maschinellen Interaktivität bedeutet dies, dem Kunden die Möglichkeit zu geben, auf seine Bedürfnisse ausgerichtete Informationen individuell abrufen zu können. Dieses gelingt am effektivsten durch die Anbindung von interaktiven Datenbanken mit hohen Informationsvolumina.
Im Bereich der personalen Interaktivität wird vom kundigen Internetnutzer zumindest die Möglichkeit zum persönlichen Kontakt via eMail vorausgesetzt. Die Unternehmen sollten sich der Tatsache bewußt sein, daß dieses Angebot vom kommunikationsfreudigen Internetnutzer auch in Anspruch genommen wird. Denn über kein anderes Medium hat der Konsument vergleichbare Möglichkeiten, ohne großen Zeit- und Kostenaufwand mit dem Konsumgüterhersteller persönlich in Kontakt treten zu können. Daher müssen entsprechende Kapazitäten bereitgestellt werden, um auf alle Anfragen
Sei te 49 4 Marketingkommunikation im Internet
umgehend und serviceorientiert reagieren zu können. Immer wiederkeh- Fragen können teilweise durch vorgefertigte Textbausteine beantwortet werden, doch bei individuellem Informationsbedarf des Nutzers muß persönlich auf seine Fragen eingegangen werden. Lange Antwortzeiten und das Versenden von standardisierten Massen-eMails erzeugen beim User Enttäuschung und führen zu Vertrauensverlust gegenüber dem Anbieter. Hierdurch werden wertvolle Individualisierungspotentiale zum Aufbau und zur Pflege einer langfristigen Kundenbindung verschenkt.
5.
Wie auch die inhaltliche, so muß auch die graphische Gestaltung der Sei- - unter Ausnutzung der nicht-linearen Eigenschaften des Mediums - stets zielgruppenspezifisch erfolgen. Die Möglichkeit, Zielgruppen im Internet bis in die kleinste definierbare Einheit hinab unterteilen zu können, sollte auch auf gestalterischer Ebene ausgenutzt werden. Während eine überwiegend emotionale, wenig inhaltstiefe Botschaftsgestaltung unter Verwendung von blinkenden Bannern, Tonuntermalungen oder aufwendigen Hintergrundgraphiken beim unterhaltungsorientierten "Surfer" zur Aktivierung beiträgt, stößt sie beim reinen "Information-Seeker" eher auf Ablehnung. Bei für ihn gestalteten Seiten sollte die Priorität in der Zusammenstellung eines sachlichen, anspruchsvollen und komplexen Informationsangebotes liegen.
6.
Sollen die Vorteile der geographischen Verfügbarkeit auch realisiert wer- so muß der Internet-Auftritt international ausgerichtet sein. Hierunter soll jedoch nicht das alleinige Übersetzen der nationalen Botschaften in andere Sprachen verstanden werden. Denn neben der sprachlichen Komponente müssen kulturelle Besonderheiten und unterschiedliche Wettbewerbssituationen in den betreffenden Ländern bei der Gestaltung Beachtung finden. So muß beispielsweise eine Internet-Präsentation, die auch "Service-verwöhnte" amerikanische User erreichen möchte, wesentlich hö- here Ansprüche erfüllen, als hierzulande.
7.
Die Anytime-Verfügbarkeit im Web erfordert eine laufende Aktualisierung der angebotenen Inhalte. Ständig neue und nutzbringende Inhalte ins Netz zu stellen, ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Besuchshäufigkeit einer WWW-Seite. Die Mißachtung dieser Grundregel hat jedoch nicht nur nied-
Sei te 50 4 Marketingkommunikation im Internet
rige Kontaktzahlen zur Folge, sondern es besteht darüber hinaus die Ge- bei der innovativen Nutzerschaft den Eindruck von Schwerfälligkeit, Unprofessionalität und fehlendem Engagement zu hinterlassen.
8.
Die neuen Kommunikationsmöglichkeiten und die Sonderstellung des In- in der Medienlandschaft verleiten die Unternehmen häufig dazu, Sonderwege bei der Botschaftsgestaltung und den Botschaftsinhalten zu gehen. Doch gerade im Internet, in dem der Nutzer bei einer "Sitzung" eine Vielzahl von Seiten in kürzester Zeit durchlaufen kann, ist es wichtig, Marken- und Firmenprofile auf den ersten Blick wiedererkennen und von der Konkurrenz unterscheiden zu können. 120 Daher sollte die angestrebte Positionierung und die zu übermittelnde Kernbotschaft auf allen dargestellten Seiten stets mit denen aus den klassischen Medien übereinstimmen, damit ein einheitliches Bild beim Betrachter entsteht. Aufgrund der begrenzten Darstellungsmöglichkeiten durch die verwendete Browsersoftware ist es jedoch...