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E-Book

Marte Meo im Überblick

AutorChristian Hawellek
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl104 Seiten
ISBN9783741259715
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,49 EUR
Das Buch gibt einen kompakten und leicht verständlichen Überblick über die Grundlagen und das Vorgehen der beobachtungsgeleiteten Marte Meo Beratungsmethode. In einem zweiten Teil finden sich zahlreiche Arbeitsmaterialien, die sich in der praktischen Anwendung von Marte Meo bewährt haben. Theoretisch interessierte LeserInnen finden eine Fülle von Verweisen auf ergänzende und weiterführende Literatur.

Dr. phil. Christian Hawellek, Dipl. päd., gehört als lic. Marte Meo Supervisor zum Leitungsteam des Norddeutschen Marte Meo Institutes. Er zählt zu den Pionieren der Marte Meo Methode im deutschsprachigen Raum. Er ist als Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten und Fachreferent im In- und Ausland tätig. Christian Hawellek ist Ehe-, Erziehungs- und Familienberater, sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut und verfügt über langjährige Erfahrungen in der psychotherapeutischen- und Beratungsarbeit mit Kindern, Familien und Paaren. Er ist als Herausgeber und Autor verschiedener Bücher und Fachartikel zu den Themen Beratung, Therapie und Coaching bekannt geworden und hat sich in den letzten Jahren schwerpunktmäßig mit der beobachtungsgeleiteten Beratung nach der Marte Meo Methode gewidmet.

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Leseprobe

Marte Meo


Der Begriff Marte Meo bezeichnet eine Erfahrung, die Menschen machen, wenn sie etwas aus eigener Kraft erreicht haben. Bei kleinen Kindern kann man gut beobachten, wie stolz sie sind, wenn sie etwas ohne Hilfe geschafft haben, etwa wenn sie zum ersten Mal einige Meter alleine mit dem Fahrrad gefahren sind. Sie können es dann kaum abwarten, es ein zweites und drittes Mal zu tun. Ihre Energie ist nun darauf gerichtet, diese gute neue Erfahrung zu wiederholen und damit zu festigen. Daran wird deutlich, dass die Bezeichnung „Marte Meo“ das Kernelement positiver und aktivierender Entwicklungen bezeichnet7, die Erfahrung nämlich, aus eigener Kraft etwas zu erreichen und zu bewirken.

Die Wiederholungen von denen in unserem Beispiel die Rede ist, werden von Erfolgen, aber auch von Unsicherheiten und Rückschlägen etwa bei neuen Herausforderungen begleitet. Eine solche Herausforderung kann z.B. eine andere Wegstrecke auf unvertrautem Untergrund sein. Wenn Kinder lernen, etwas Neues aus eigener Kraft zu tun, werden sie meistens von vertrauten älteren Personen, häufig von ihren Eltern, begleitet und unterstützt. Sobald ein Kind eine neue Herausforderung meistert, sucht es den Blickkontakt mit den Eltern und möchte die Erfahrung, es alleine geschafft zu haben, mit ihnen teilen. Auch die Eltern genießen die neuen Schritte, die ihr Kind macht und sagen und zeigen dem Kind, dass sie stolz sind und sich mit ihm freuen. Bei den unvermeidlichen kleineren Rückschlägen spenden sie Trost und sagen, was das Kind beim nächsten Mal anders machen kann, um erfolgreich zu sein. Die Unterstützung der Eltern ist abhängig von der Situation „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Eine solche Dosierung von Hilfe macht es dem Kind möglich, seinen eigenen Entwicklungsschritt auszukosten.

Die Idee der Entwicklung von Kindern sowie generell die von Menschen, verbunden mit der Frage danach, wie Entwicklungsprozesse gezielt unterstützt und gefördert werden, zieht sich wie ein roter Faden durch Praxis und Theorie der Marte Meo Arbeit.8

Die besondere Beachtung von Entwicklungsprozessen taucht unter anderen Bezeichnungen ebenfalls in vielen anderen pädagogischen und therapeutischen Richtungen auf, z.B. wenn dort von Wachstum,9 Lernen10 oder auch von Reifung11 gesprochen wird. Hand in Hand mit der Frage, wie genau Entwicklungsprozesse unterstützt und gefördert werden können, geht die Frage, wie die dazu nötigen Unterstützungsformen entwickelt werden können. Um Antworten auf beide Fragen geht es in dem vorliegenden Text. Das Wissen darüber, wie Entwicklung im Alltag unterstützt wird bildet die Grundlage sozusagen das „Denkmodell“ von Marte Meo. Das Wissen darüber wie Unterstützungsformen in konkreten Situationen und Momenten entwickelt werden, ist das methodische Knowhow von Marte Meo12.

Im Überblick:

Marte Meo beschreibt die Erfahrung, die Menschen machen, wenn sie etwas aus eigener Kraft erreichen. Diese Erfahrung führt zu einer Erhöhung von:

• Motivation

• Eigeninitiative und –aktivität

• Selbstvertrauen.

Videobilder: Brücken zwischen Ideen und Wirklichkeit


Unser kleines Beispiel vom Erlernen des Fahrradfahrens zeigt auch, dass die Unterstützung der kindlichen Entwicklungsschritte immer davon abhängt, ob und wie die Eltern ihr Verhalten mit dem der Kinder abstimmen, um sie beim nächsten Entwicklungsschritt zu begleiten. Mit jedem neuen Schritt passt sich das unterstützende Verhalten der veränderten Situation an. Es wird an jede Situation neu angepasst, sozusagen aktualisiert. Die Informationen, die jedem „Upgrade“ des unterstützenden Verhaltens zugrunde liegen, stammen jeweils aus den Erfahrungen in der aktuellen gemeinsamen Situation.

Damit die Upgrades gelingen können, muss also die jeweils aktuelle Situation in den Blick genommen werden.

Dies erfordert eine wache Aufmerksamkeit insbesondere für die aktuellen Veränderungen und kleinen Fortschritte.

Eine große Hilfe bei der Wahrnehmung solcher Veränderungen sind Videobilder von Alltagssituationen, mit deren Hilfe sichtbar und nachvollziehbar wird, was sich ereignet und nachfühlbar, welche Erfahrungen die Beteiligten, die per Video aufgenommen wurden, in der aufgezeichneten Situation machen13.

Im Überblick:

Eine zentrale Frage des entwicklungsorientierten Denkens bei Marte Meo ist die Frage, wie die kindlichen Initiativen bzw. (Re-) Aktionen und die elterlichen Initiativen bzw. (Re-) Aktionen in einer gemeinsamen Situation aufeinander abgestimmt sind, d.h. wie sie in gemeinsamen Momenten zueinander passen.

Etwas allgemeiner formuliert lässt sich sagen, dass Marte Meo dazu beiträgt, persönliche, soziale und Handlungskompetenzen gezielt zu erkennen, zu entwickeln und zu erweitern. Kompetenz ist eine abstrakte Beschreibung, der im Deutschen der Begriff der Fähigkeit entspricht. Eine Fähigkeit als solche kann man nicht sehen, man kann nur darauf schließen, wenn man eine Aktion oder das Ergebnis einer Aktion sieht, die auf diese Fähigkeit schließen lässt. Wenn soziale oder andere Vorgänge beobachtet werden, sieht man nur diejenigen Fähigkeiten oder Kompetenzen, die „in Aktion“ sind. In der deutschen Sprache gibt es dafür die Bezeichnung der „Fertigkeit.“14 Fertigkeiten können beobachtet werden. Aus einer Reihe ähnlicher Beobachtungen wird dann auf eine „Fähigkeit“ oder „Kompetenz“ geschlossen. Diese ist genau genommen eine Erwartung an einen Menschen, in einer bestimmten Situation eine Leistung zu erbringen, die eben dieser „Fähigkeit“ entspricht.

So wird beispielsweise von einem Fußballer eine Leistung erwartet, die den Vorerfahrungen mit ihm entspricht. Seine bisher gezeigten Leistungen tragen zu dem Erwartungsbild seiner Fähigkeit oder fußballerischen Kompetenz bei. Derartige Erwartungsbilder können recht stabil sein, wenn etwa davon die Rede ist, dass er „einen schlechten Tag erwischt hat“, „weit unter seinen Möglichkeiten“ spielt oder auch „weit über sich hinausgewachsen“ ist.

Erwartungsbilder von Menschen kommen dem menschlichen Bedürfnis entgegen, sich in sozialen Situationen schnell zu orientieren. In sozialen Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen oder auch Pflegeeinrichtungen entwickeln sich derartige Erwartungen in recht kurzer Zeit, besonders dann, wenn es um „Problemfälle“ geht.

Die Verantwortlichen einigen sich dann schnell darauf, dass hier eine besondere Hilfe, z.B. eine „Therapie“ vonnöten ist. Diejenigen, die ein Problem haben bzw. bereiten, werden in der Folge häufig einer professionellen Einschätzung unterzogen und bekommen eine „Diagnose“, die ein Erwartungsbild mit einem Fachterminus belegt und u.U. dauerhaft festschreibt. „Er ist hochbegabter Autist“ könnte eine solche Festschreibung sein.15

Bei der Marte Meo Arbeit wird das Verhalten und Handeln von Personen in Alltagssituationen beobachtet. Was man in den Videobildern sehen kann, sind die (Re-) Aktionen bzw. Fertigkeiten dieser Personen in konkreten Situationen und Momenten. Anstelle von „Kompetenzen“ sind Wiederholungen ähnlicher Beziehungs- und Gesprächsmuster oder auch das Ausbleiben förderlicher Kommunikation16 zu sehen. Fertigkeiten, die genügend oft und zuverlässig gezeigt werden, können dann als „Kompetenzen“ beschrieben und bewertet werden.17 Die wesentliche Voraussetzung für die genaue Beobachtung einzelner Momente der Kommunikation ist die Entwicklung der Videotechnik in den letzten Jahrzehnten.

Die traditionellen bekannten beraterischen und therapeutischen Methoden beruhen weitgehend auf unterschiedlichen Formen der Gesprächsführung18. Sie sind von Persönlichkeiten entwickelt worden, denen die Möglichkeiten der modernen Videotechnik noch nicht in vollem Umfang zur Verfügung standen.

Vor diesem Hintergrund entstanden auch verschiedene supervisorische Verfahren, um ein Feedback über die Qualität der Betreuungs- oder Beratungsarbeit zu geben und Anregungen für die Gestaltung des Weiteren professionellen Vorgehens zu bekommen.19 Dabei wurde zumeist aus der Erinnerung über die Beobachtungen gesprochen, ohne sie vor Augen zu führen. Die erinnerten Beobachtungen wurden dann professionell eingeordnet, bewertet und mit einem Fachbegriff bezeichnet. Die Fachbegriffe bestimmten die Gespräche der Fachleute und die Empfehlungen für Maßnahmen, die dann folgten. Ab den sechziger Jahren wurde damit begonnen, zuerst Tonbandaufnahmen und später Videoaufnahmen für die Weiterbildung und Supervision von Therapeuten zu benutzen. Die Klienten wurden in die Arbeit mit den Videoclips nicht einbezogen.

Die Idee, Klienten selber Videobilder aus ihrem Alltagsleben zu zeigen, die ihnen helfen sollten, positive Veränderungen herbeizuführen, wurde in größerem Umfang zuerst in den...

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