1 Fortgeschrittene Integralrechnung
1.1 Allgemeine Zusammenfassung von Band 1
Schon in Band 1 /1/ haben wir eine Einführung in die Integralrechnung beschrieben. Zunächst wollen wir die dort gemachten Ausführungen zusammenfassen. Wir haben die Integralrechnung als Operation zur Berechnung von Flächen eingeführt, die sich unterhalb einer Funktion befinden.
Bild 1: Einteilung in Streifen mit Δx=0,5
Am Beispiel der Funktion y = x haben wir gezeigt, wie sich die Fläche unterhalb der Funktion näherungsweise wie folgt berechnen lässt:
Um ein genaues Ergebnis zu erlangen, haben wir die Anzahl der Streifen gegen unendlich und Δx gegen 0 gehen lassen und erhielten:
Diesen Ausdruck haben wir dann wie folgt geschrieben:
a = Untergrenze, b = Obergrenze
Danach konnten wir zeigen, dass Folgendes gilt:F(x) = ∫f(x) · dx
Den bekannten Differentialquotienten konnten wir umstellen:
Damit können wir so tun, als ob hinter dem Integralzeichen die Ableitung einer höheren Funktion stehen würde. Die Aufgabe der Integralrechnung lautet nun:
„Finde eine Funktion deren Ableitung f´(x) gegeben ist“
Diese gesuchte Funktion nennt man auch Stammfunktion. In diesem Sinne haben wir die Integralrechnung als Umkehroperation zur Differentialrechnung entlarvt.
Wenn wir dies auf die Funktion y = x anwenden, erhalten wir folgende Rechenregel:
Wir suchen eine Funktion F(x), deren 1. Ableitung gleich x ist.
- Erhöhe den Exponenten von x um 1.
- Dividiere den Vorfaktor von x durch den neuen erhöhten Exponenten.
Es folgt:
Man nennt dies auch ein unbestimmtes Integral.
Für allgemeine Exponenten haben wir dann Folgendes erhalten:
Es wurden folgende Rechenregeln für Integrale abgeleitet:
Faktorregel der Integralrechnung
Besitzt die zu integrierende Funktion einen konstanten Faktor, dann gilt:
Summenregel der Integralrechnung
Besteht die zu integrierende Funktion aus einem oder mehreren Summanden, so gilt:
Dies gilt natürlich für die Subtraktion.
Vertauschungsregel
Vertauscht man die die Untergrenze eines bestimmten Integrals mit der Obergrenze, so gilt:
Regel über gleiche Grenzen
Sind Ober- und Untergrenze eines bestimmten Integrals gleich groß, so gilt:
Intervallregel
Jedes bestimmte Integral kann in beliebige Teilintervalle zerlegt werden, es gilt:
1.2 Eigenschaften von Stammfunktionen
Eine Stammfunktion ist wie folgt definiert:
Eine differenzierbare Funktion F(x) ist die Stammfunktion von f(x), wenn gilt:
Für jede stetige Funktion f(x) gilt:
1. Es gibt unendlich viele Stammfunktionen zu der Funktion f(x).
Dies liegt daran, dass zu jeder Stammfunktion eine beliebige additive Konstante C existiert.
F(x) = ∫f(x)·dx + Cmit C als beliebiger Konstante
2. Wenn wir die Differenz zweier beliebiger Stammfunktionen der Funktion f(x) bilden, dann erhalten wir eine Konstante:
F1(x) − F2(x) = const.
3. Wenn F1(x) eine Stammfunktion von f(x) ist, dann ist auch F1(x) + C eine Stammfunktion von f(x). Daraus ergibt sich die Menge aller Stammfunktionen wie folgt:
F(x) = F1(x) + C(C ist eine beliebige Konstante)
1.3 Bestimmtes, unbestimmtes Integral und Flächenfunktion
Der Unterschied zwischen einem bestimmten und einem unbestimmten Integral ist folgender:
Bestimmtes Integral:
Bei einem bestimmten Integral sind die Grenzen des Integrals fest vorgegeben.
mit a und b als den Integrationsgrenzen
Unbestimmtes Integral:
Bei einem unbestimmten Integral sind die Grenzen des Integrals nicht vorgegeben.
F(x) = ∫f(x) · dx + Cmit C als beliebiger Konstante
Da es eine überabzählbar unendliche Anzahl von Werten für C gibt, können wir sagen, dass es eine überabzählbar unendliche Anzahl von Stammfunktionen für die Funktion f(x) gibt.
Flächenfunktion
Wenn man nun die untere Integrationsgrenze als konstant und die obere Integrationsgrenze als variabel annimmt, so erhält man eine Flächenfunktion, die von der variablen oberen Integrationsgrenze abhängt. Hierzu zwei einfache Beispiele:
(1) Gegeben sei die Funktion: f(x) = a1 · x
Wir bilden nun die Flächenfunktion, indem wir die Integrationsgrenzen wie folgt festlegen:
Untere Grenze: k = const.
Obere Grenze: x0 (variabel)
Setzen wir z.B. die Untergrenze zu k =2, so erhalten wir die Flächenfunktion:
Das folgende Bild zeigt die Funktion f(x) = 0,5·x und die zugehörige Flächenfunktion für k = 2. Flächenfunktion:
Bild 2: Darstelung von Funktion und Flächenfunktion
Für x0 = 4 erhalten wir das Ergebnis der Flächenfunktion zu: F(x0=4) = 3
Wenn wir uns auf der linken Seite die Fläche für x0 = 4 betrachten, finden wir dieses Ergebnis bestätigt.
(2) Gegeben sei die Funktion : f(x) = a2 · x2
Wir bilden nun die Flächenfunktion, indem wir die Integrationsgrenzen wie folgt festlegen:
Untere Grenze: k = const.
Obere Grenze: x0 (variabel)
Setzen wir z.B. die Untergrenze zu k = 1, so erhalten wir die Flächenfunktion:
Das folgende Bild zeigt die Funktion f(x) = 0,3 · x2 und die zugehörige Flächenfunktion für k = 1. Flächenfunktion:
Bild 3: Darstellung von Funktion und Flächenfunktion
Für x0 = 3 erhalten wir das Ergebnis der Flächenfunktion zu: F(x0 = 3) = 2,6
Wenn wir uns auf der linken Seite die Fläche für x0 = 3 betrachten, finden wir dieses Ergebnis bestätigt.
Wählt man nun eine andere Untergrenze (k* = const.), so ist auch das daraus resultierende unbestimmte Integral eine Flächenfunktion in Abhängigkeit von x0. Dabei ist die Differenz der beiden Flächenfunktionen (Untergrenze k und Untergrenze k*) eine Konstante. Dies wollen wir anhand unserer o.g. Beispiele einmal zeigen.
(3) In Beispiel 1 hatten wir folgende Funktion: fx = 0,5·x
Daraus resultierte die zugehörige Flächenfunktion für k = 2:
Berechnen wir nun die Flächenfunktion von k* = 3 so erhalten wir:
Bilden wir nun die Differenz dieser beiden Funktionen, so erhalten wir:
Bild 4: Differenz der Flächenfunktionen bei verschiedenen Untergrenzen
Im dem nebenstehenden Bild können wir erkennen, dass die Differenz der Flächenfunktionen identisch ist mit dem bestimmten Integral der Funktion mit Untergrenze k = 2 und Obergrenze k* = 3.
Wir können also schreiben:
(4) In Beispiel 2 hatten wir folgende Funktion: f(x) = 0,3·x2
Daraus resultierte zugehörige Flächenfunktion für k = 1:
Berechnen wir nun die Flächenfunktion von k* = 2 so erhalten wir:
Bilden wir nun die Differenz dieser beiden Funktionen, so erhalten wir:
Bild 5: Differenz der Flächenfunktionen
Wieder ist die Differenz der Flächenfunktionen identisch ist mit dem bestimmten Integral der Funktion mit Untergrenze k = 1 und Obergrenze k* = 2. Es gilt also:
Fazit:
Haben wir zwei Flächenfunktionen einer Funktion f(x) mit den unterschiedlichen Untergrenzen k und k*, dann ist die Differenz der Flächenfunktionen das bestimmte Integral der Funktion mit der Untergrenze k und der Obergrenze k*:
1.4 Fundamentalsatz der Differential- und Integralrechnung
Der Fundamentalsatz der Differential- und Integralrechnung, auch Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung genannt, verbindet die beiden Rechenarten "Differentialrechnung" und "Integralrechnung" miteinander.
In Band 1 /1/ haben wir bereits die Integralrechnung als Umkehroperation zur Differentialrechnung eingeführt. Wir können also schreiben:
Man kann also folgende Aussagen treffen:
1. Zu jeder Funktion f(x) gibt es eine unendliche Anzahl von Stammfunktionen (Menge der unbestimmten Integrale), für die folgendes gilt:
F(x) = ∫ f(x) · dx + Cmit C als beliebiger Konstante
Man kann aber auch schreiben:
∫ f(x) · dx = F(x) + Cmit C als beliebiger Konstante
2. Umgekehrt gibt es zu jeder Stammfunktion genau eine Funktion f(x), welche die Ableitung dieser Funktion ist, es gilt:
Man kann aber auch schreiben:
Bei der Differentiation der Stammfunktion wird die Ableitung der Konstanten C = 0.
1.5 Die Grundintegrale
Nach dem Fundamentalsatz der Differential- und Integralrechnung existiert zu jeder Differentialformel der elementaren Funktionen eine entsprechende Integralformel. Diese werden auch Grundintegrale genannt:
Bild 6: Integration der 1 / x – Funktion
* Die Funktion 1 / x ist sowohl für negative als auch für positive x gültig. Die Funktion ln(x) ist jedoch nur für positive x > 0 gültig. Um nun das Integral auch für...