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E-Book

Medienbildung in der Schule. Cybermobbing vs. Mobbing/Bullying

Eine Analyse medienpädagogischer Konzepte

AutorSusanne Scharfe
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl79 Seiten
ISBN9783668094390
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Pädagogik - Medienpädagogik, Note: 2,0, Universität zu Köln (Allgemeine Didaktik und Schulforschung), Sprache: Deutsch, Abstract: Unsere Gesellschaft hat in den letzten Jahrzehnten erhebliche Entwicklungsprozesse durchlebt, die u.a. auch Einfluss auf die Sozialisation unserer Kinder genommen haben, in der den Medien eine bedeutendere Rolle als früher zukommt. Dabei scheinen Web-2.0-Angebote eine große Faszination auf Kinder und Jugendliche auszuüben, insbesondere die sozialen Netzwerke wie Facebook oder SchuelerVz. Diese Veränderung im Mediennutzungsverhalten birgt jedoch, gerade für Kinder und Jugendliche, die im Umgang mit den Medien oft unreflektiert agieren, etwaige Gefahren. In sozialen Netzwerken kann dieses unreflektierte Handeln in Cyberbullying enden, was für diese Arbeit als zu untersuchendes Exemplum für Cybergefahren gewählt wurde: zum einen, weil soziale Netzwerke bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt sind, und zum anderen, weil Cyberbullying, in Anbetracht einiger Suizidfälle und der schwerwiegenden Langzeitfolgen für Opfer (und auch Täter), ein ernstzunehmendes Problem ist und einen klaren Handlungsbedarf seitens der Schulen und Eltern erfordert. Die Mediatisierung der Lebenswelten hat somit auch Konsequenzen für den Schul- und Bildungssektor und hat die sog. Medienbildung auf den Lehrplan der Schulen gerufen. Ihr Ziel ist es, Kinder und Jugendliche zu einem kompetenten Umgang mit Medien zu befähigen, damit sie einerseits die Chancen, die sich durch die digitalen Medien eröffnen, wahrnehmen und sich andererseits vor diversen Gefahren schützen können. Doch kann die Schule angesichts von G8, Lernstandserhebungen & Co. dieser zusätzlichen Verantwortung heutzutage überhaupt gerecht werden? Und inwieweit tragen medienpädagogische Konzepte in der Schule dazu bei, präventiv gegen scheinbar so übermächtige virtuelle Gefahren wie dem Cybermobbing zu wirken?

1. Staatsexamen an der Universität zu Köln in Latein und Spanisch (Gy/Ge) 2. Staatsexamen Oktober 2017

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Leseprobe

3 Cybermobbing vs. Mobbing/Bullying


 

Dieses Kapitel befasst sich eingehender mit dem bekanntesten Risiko des Social Webs, dem Cyberbullying, und soll insbesondere die inneren Strukturen dieses gesellschaftlichen Phänomens sichtbar machen, um eine Beurteilungsgrundlage für das anschließende Kapitel Medienbildung in der Schule zu schaffen, in der aktuelle medienpädagogische Konzepte kritisch beleuchtet und mögliche Verbesserungsvorschläge diskutiert werden sollen.

 

3.1 Definitionen


 

Den Begriff Mobbing hat der schwedische Persönlichkeitspsychologe Olweus bereits in den 60er Jahren geprägt und er leitet sich vom lateinischen Ausdruck MOBILE VULGUS 'wankelmütige Masse' bzw. dem englischen Begriff mob 'Pöbel' ab. Häufig kommt es zu Mobbing in sozialen Zusammenkünften, die sich nicht vermeiden lassen, wie im Klassenverband oder in Teams in der Berufswelt, in denen sich von Anfang an eine Hierarchie aufbaut, die sich wieder erneut entwickeln muss, sobald sich der soziale Kontext verändert, z.B. wenn jemand Neues in die Klasse oder das schon bestehende Team kommt.[47] Mobbing ist daher kein individuelles, sondern ein soziales Problem bzw. Gruppenphänomen, was es bei Interventionsmaßnahmen zu berücksichtigen gilt.[48] Olweus definiert Mobbing im Schulkontext wie folgt:

 

Ein Schüler oder eine Schülerin ist Gewalt ausgesetzt oder wird gemobbt, wenn er oder sie wiederholt und über eine längere Zeit den negativen Handlungen eines oder mehrerer anderer Schüler oder Schülerinnen ausgesetzt ist.[49]

 

Im englischsprachigen Raum wird dagegen das Wort bullying verwendet, was sich von bully, einer Person, die ͈[...] espacially a schoolboy, who uses his strength to hurt weaker people or make them afraid.“[50] herleiten lässt, wobei die Begriffe Mobbing und bullying zwar im allgemeinen Sprachgebrauch, jedoch nicht in der Forschung synonym verwendet werden. Im deutschsprachigen Raum sind beide Begriffe vorzufinden, wobei der Begriff Mobbing überwiegend für Vorkommnisse am Arbeitsplatz unter Erwachsenen und Bullying im schulischen Umfeld unter Kindern und Jugendlichen verwendet wird, was auch der neueren Bullying-Forschung entspricht, die die Begriffe nach dem Kontext der Geschehnisse und Opfer definiert.[51]

 

Laut Stephan ist Cyberbullying als digitale Fortsetzung eines analogen Phänomens zu sehen – mit anderen Worten: Das klassische Bullying verlagert sich vom Schulhof ins Cyberspace, das ist eine Metapher für eine von Computern und Computernetzen generierte parallele Welt bzw. virtuelle Welt.[52]

 

Für eine erste Definition von Cyberbullying sei die von Belsey genannt:

 

Cyberbullying involves the use of information and communication technologies such as e-mail, cell phone and pager text messages, instant messaging, defamatory personal Web sites, and defamatory online personal polling Web sites, to support deliberate, repeated, and hostile behaviour by an individual or group that is intended to harm others.[53]

 

Aufgrund der Eigenheiten des digitalen Umfelds jedoch zeigt das Cyberbullying andere Merkmale und Erscheinungsformen auf als das klassische Bullying in der Schule, was im folgenden Kapitel beleuchtet werden und zu einer eindeutigeren Abgrenzung der Begriffe beitragen soll.

 

 3.2 Merkmale und Erscheinungsformen


 

Fereidooni hat auf Basis mehrerer Forschermeinungen fünf Kriterien herausgearbeitet, die erfüllt sein müssen, um ein Verhalten als Bullying einstufen zu können.[54] Das erste Kriterium ist der Wiederholungsaspekt, d.h., dass die Angriffe über mehrere Wochen mindestens einmal wöchentlich stattfinden müssen. Dabei müssen diese eine verletzende Intention erkennen lassen, d.h. die Angriffe müssen aggressiv und darauf ausgerichtet sein, dem Opfer physischen und/oder psychischen Schaden zuzufügen. Oft ist dabei auch ein Vertreibungsstreben auf Täterseite auszumachen, denn nicht selten ist es ihr Ziel, das Opfer systematisch aus der Klasse zu vertreiben. Ferner kann man von Bullying nur dann sprechen, wenn zwischen Täter und Opfer aufgrund von physischen, psychischen oder sozialen Faktoren ein asymmetrisches Kräfte- oder Machtverhältnis besteht. Die Hilflosigkeit des Opfers, das oft ein Gefühl der Ohnmacht erlebt, weil es sich dem Täter hilflos ausgeliefert sieht und nicht an Hilfestellungen von außen glaubt, ist ein weiteres Kriterium.

 

Wasilweski unterscheidet zudem zwischen physischem und psychischem, sowie direktem verbalen und indirektem Mobbing: Physische Gewalt findet man am häufigsten unter Grundschülern vor, die über eine noch zu geringe soziale Intelligenz verfügen und auf Anspucken, Treten o.ä. zurückgreifen. Zum direkten verbalen Mobbing gehören Beschimpfungen, Auslachen etc. – auf das Cyberspace übertragen bedeutet es verbale Beleidigungen, sozialen Ausschluss aus Chats bis hin zur Androhung von physischer Gewalt.[55]

 

Das indirekte Mobbing geschieht zunächst ohne Beteiligung und Wissen des Opfers und hat durch die verstärkte Nutzung des Social Web eine neue Dimension erhalten: Gerüchte o.ä. werden einer breiten Masse in Sekunden unterbreitet, durch die vermeintliche Anonymität im virtuellen Raum scheint es keine inhaltliche oder zeitliche Grenze mehr für das Mobbing zu geben – das Mobbingopfer scheint hilf- und machtloser denn je.[56] Zu den indirekten Strate-gien im Cyberspace zählen Rufschädigung, Veröffentlichung intimer Informationen oder Bilder, Bildmontagen o.ä..[57]

 

Cyberbullying unterscheidet sich daher qualitativ durch drei wichtige Merkmale[58]: die Zeit-, die Raum- und die Situationsabhängigkeit. Aufgrund der Nutzung neuer Medien wird Bullying zu jeder Tageszeit möglich, sodass das Opfer rund um die Uhr den Attacken der Täter ausgesetzt ist. Zudem ist es dem Täter möglich, sein Opfer von jedem Ort aus anzugreifen, was dazu führt, dass das Opfer noch höherer psychischer Belastungen ausgesetzt ist als beim klassischen Bullying, was sich auf das schulische Umfeld beschränkt. Das Opfer ist permanent den Angriffen ausgeliefert und scheint nirgendwo mehr sicher zu sein – nicht einmal mehr im Elternhaus was das Ohnmachtsgefühl extrem verstärkt.

 

Durch die Nutzung neuer Medien erweitert sich außerdem das Angriffsspektrum des Täters, weil Speicher-, Archivierungs- und Versendemöglichkeiten die Inhalte, Adressaten und Viktimisierungserfahrungen des Opfers verviel-fältigen. Bilder und Videos des Opfers können somit z.B. durch Nutzung von Videoportalen wie YouTube rasend schnell einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden und den Leidensdruck beim Opfer ins Unermessliche steigern. Stephan verweist überdies auf die zunehmende Medienkonvergenz, die es möglich macht, über mehrere Kanäle gleichzeitig das Opfer anzugreifen, was zu der scheinbar unbegrenzten Dimension des Cyberbullyings beiträgt, weil z.B. Handys heutzutage alle über einen sehr guten Internetzugang verfügen, der es erlaubt, ein Video nicht nur über MMS und E-Mail zu verschicken, sondern auch direkt auf Online-Plattformen hochzuladen.[59] Im Gegensatz zum klassischen Bullying läuft Cyberbullying durch die verschiedenen Medienkanäle zudem versteckter ab und kann deswegen nur schwer von Außenstehenden frühzeitig erkannt werden, was ebenfalls das Ohnmachtsgefühl des Opfers steigert. Dabei kann jeden Cyberbullying treffen, da hier gewisse Persönlichkeitsmerkmale des Opfers o.ä., anders als beim klassischen Bullying, keine Rolle spielen.[60]

 

Die potenzielle Anonymität ist ein weiteres spezifisches Merkmal für Cyberbullying. Diese senkt die Hemmschwelle für Bullying-Handlungen merklich, weil ein Aufkommen von Empathie mit dem Opfer verhindert wird und dadurch keine Reflexion beim Täter über sein Handeln angestoßen wird. Hier spielt auch die Tatsache, dass der virtuelle Raum zu wenig überwacht wird, eine Rolle, weil Sanktionen so weniger zu befürchten sind. Das Leiden des Opfers wird dadurch intensiviert, weil dem Täter meist so nichts nachgewiesen werden kann und das Opfer dadurch handlungsunfähig bleibt.[61]

 

Fawzi unterteilt Cyberbullying schließlich nach seinen Methoden in zwei weitere Kategorien, die die unterschiedlichen inhaltlichen Ausprägungen sichtbar machen. Direktes Cyberbullying setzt dabei einen direkten Kontakt des Bullys zum Victim über einen digitalen Kommunikationsweg voraus, wogegen indirektes meist unter einer falschen Identität und über Verleumdung und Ausgrenzung erfolgt, wie folgender Übersicht von Stephan zu entnehmen ist:

 

 

Quelle: Fawzi (2009): S. 39; Willard (2007), S. 5-15; zit. nach Stephan (2010): S. 21.

 

Erwähnenswert erscheint zudem das Ergebnis diverser Studien, dass Cyberbullying am häufigsten in der...

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