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Meilensteine der Astronomie

Von Aristoteles bis Hawking

AutorJürgen Hamel
VerlagFranckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl302 Seiten
ISBN9783440143995
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Ein spannender und lebensnaher Streifzug durch die Astronomiegeschichte. Dieses Buch erzählt von den großen Entdeckungen und Persönlichkeiten der Astronomie: von Stonehenge und Nebra über den revolutionären Kopernikus und Keplers Entdeckung des Weltgeheimnisses bis hin zur modernen Astrophysik des Stephen Hawking, aber auch von weitgehend Unbekanntem wie die Astronomie den Alltag der Menschen beeinflusste oder über gelehrte Frauen.

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Leseprobe

2. Die Suche nach der Erklärung der Himmelserscheinungen


Im Besitz des heutigen Wissens von der Welt ist es leicht, die Entwicklung der Erkenntnisse im Laufe der Zeiten zu beurteilen. Doch das bloße Einsortieren des alten Wissens in die Schubladen „bestätigt“ oder „widerlegt“ zerstört jedes lebendige Bild der Vergangenheit. Natürlich ist es für uns leicht, solche Entscheidungen vorzunehmen. Hingegen in der Vergangenheit, in Zeiten, wo eine großartige Idee – nach späterer Wertung – entstand und sich anschickte, das alte, überholte Wissen – wieder nach späterer Wertung – abzulösen, war durchaus nicht von vornherein klar, was die großartige Idee und was das überholte Wissen war. Genau das musste erst herausgefunden werden. Und nicht immer entstand das Neue in der Klarheit, in der es uns erscheint. Und nicht immer musste allen Zeitgenossen das Neue, das Wahre, unbedingt als dieses erscheinen. Die Ablösung einer alten Theorie geht wohl nie so reibungslos vor sich, wie es oft in Lehrbüchern den Anschein hat. Allein schon deswegen, weil die alte Lehre eine Menge für sich hatte. Sie konnte gute Erklärungen liefern, stand im Einklang mit Beobachtungen und ermöglichte Berechnungen. Wäre sie dazu nicht in der Lage gewesen, hätte sie sich in der wissenschaftlichen Welt nie etablieren können. Und sie beherrschte das Denken, wurde in Forschung und Lehre erfolgreich verfochten, verhalf ihren Vertretern zu Ruhm und Ehre. Die Wahrheit ist ein Kind der jeweiligen Zeit. Unsere Beschreibung der Wirklichkeit kann sich dem Gegenstand nur immer weiter annähern, eine absolute und umfassende Kenntnis bleibt uns am Ende verwehrt.

Für eine neue Theorie müssen unter diesen Bedingungen die Zeichen nicht immer so gut stehen. Wieso soll das, was bislang als richtig erkannt wurde und sich in der Praxis bewährt hat, plötzlich nicht mehr gelten? Soll das Lebenswerk mitunter ganzer Generationen von Forschern auf tönernen Füßen gestanden haben, die brüchig werden und alles zum Einsturz bringen? „Eine neue wissenschaftliche Wahrheit pflegt sich nicht in der Weise durchzusetzen, dass ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern vielmehr dadurch, dass die Gegner allmählich aussterben und dass die heranwachsende Generation von vornherein mit der Wahrheit vertraut gemacht ist.“ So urteilte Max Planck und wenn das auch etwas drastisch klingt, hat er zweifellos recht. Wissenschaftliche Widerstände gegen eine neue Lehre können ganz vehement sein. Besonders massive Behinderungen wird neues Wissen dann erfahren, wenn es nicht nur gegen eine bisher geltende wissenschaftliche Theorie verstößt, sondern von so weitreichender Bedeutung ist, dass auch Bereiche der Weltanschauung, der Philosophie und Theologie oder sogar sozialer Verfassungen berührt werden.

Manche dieser Widerstände mögen wenigstens uns schwer verständlich erscheinen. Dennoch: Die Wissenschaft bedarf bei aller Freudigkeit am Neuen auch dringend eines gesunden Konservatismus, der genau wieder daraus entspringt, dass sich erst im Nachhinein bestätigt, was richtig und was falsch ist. Würde die Wissenschaft sofort auf jede Neuerung anspringen und das Alte verlassen, wäre ein wirklicher Fortschritt des Wissens unmöglich. Schließlich tauchen oft genug Ideen auf, die zunächst plausibel erscheinen, doch nach einiger Zeit als Irrweg wieder untergehen. Eine andere Wendung: Es tauchen neue Ideen auf, die nur vorübergehend keine Akzeptanz finden, weil einerseits das Alte seine Potenzen noch lange nicht ausgeschöpft hat, es andererseits der neuen Idee noch an Durchsetzungskraft mangelt. Und doch taucht die Idee möglicherweise nach einer längeren Zeit, vielleicht gar erst nach Jahrhunderten, wieder auf und kann sich nun durchsetzen. Lassen wir diese theoretischen Erörterungen lebendig werden.

Ein Plädoyer für das geozentrische Weltbild


Auf die Frage, ob sich die Erde um die Sonne, oder die Sonne um die Erde bewegt, wird es heute nur wenig Antwortvarianten geben. Das Wissen um die Grundstruktur unseres Planetensystems gehört zum allgemeinen Bildungsgut. Dennoch, vertieft man die Frage dahingehend, ob denn jemand die Bewegung der Erde erfahren habe, oder woher man diese elementare Tatsache kennt, wird das alles etwas schwieriger. Rasch wird sich bei den Befragten Ratlosigkeit einstellen, man wird verweisen auf Beobachtungen mit dem Fernrohr, gar auf die Raumfahrt und anderes. Genau das ist hier eines der fundamentalen Probleme. Die so völlig klare Erkenntnis von der Bewegung der Erde entzieht sich unserer Alltagserfahrung. Schlimmer noch: Wir erfahren genau das Gegenteil. Wir sehen jeden Morgen die Sonne aufgehen, über den Himmel ziehen und abends untergehen. Was für die Sonne gilt, stimmt genauso für den Mond, die Planeten und die Sterne. Wir sprechen vom „Aufgang“ und „Untergang“ und bemerken kaum, wie geozentrisch unsere Sprache ist, denn für die Bezeichnung des tatsächlichen Vorgangs des Auftauchens der Sonne am Horizont infolge der Erddrehung haben wir keinen sprachlichen Ausdruck. Solange wir unseren Augen trauen, unserer ganzen Erfahrung, können wir nichts anderes aussagen als: Die Erde befindet sich ruhend im Raum und alle Himmelskörper bewegen sich auf Kreisbahnen um sie herum. Muss es uns demnach so sehr wundern, wenn die Menschen, alle Gelehrten, diese Erscheinung lange für ein Abbild der Wirklichkeit hielten – solange keine zwingenden Argumente auftauchten, dem Augenschein zu misstrauen?

Was nun folgen soll, ist nichts anderes, als eine Verteidigungsschrift für das geozentrische Weltsystem. Der Richterstuhl der Vernunft soll erst später errichtet werden, wohl bedenkend, dass die Vorstellung von Vernunft äußerst dehnbar, interpretationsbedürftig und  keineswegs voraussetzungslos ist.

Schon im 1. Kapitel konnte gezeigt werden, welch lange Tradition die Beobachtung des Himmels in der Geschichte der Menschheit hat und in welcher Weise Vorgänge am Himmel einen Platz in der Weltanschauung der frühesten Kulturen fanden. Bereits hier verband sich der beherrschende mythische und religiöse Grundzug der Weltbetrachtung mit klarer empirischer Beobachtung, die schon mit einer Systematisierung des Beobachteten verbunden war. Ganz empirisch, als Resultat langer Beobachtungen fiel auf, dass sich die Sterne auf Kreisbahnen bewegen, wohingegen die Planeten ihre Kreisbewegungen zeitweise durch Stillstände und Rückläufigkeiten unterbrechen. Bestand in dieser Kreisbewegung das Wesen des Laufes der göttlichen Gestirne? Hier verbinden sich Mythos und Logos zur Erhöhung der Bewegung auf einem Kreis, der schon von Alters her mit magischen Kräften verbunden wurde, zur einzig vollkommenen, also göttlichen Bewegung. Nur die Kreisbewegung führt in sich zum Ausgangspunkt zurück, bietet die Gewähr der wirklichen Vollendung und kann unendlich vollzogen werden. Auf der Erde gibt es sie als natürliche Bewegung nicht.

Zur Vollkommenheit der Kreisbewegung der Himmelskörper tritt notwendig die ihr einzig angemessene Körperform einer Kugel hinzu. Diese Beziehungen stellten zuerst Pythagoras und seine Schüler im 5. Jahrhundert v. Chr. in ihrer zwischen Mystik, Theologie und exakter Wissenschaft angesiedelten Lehre her, in der die Kreisbewegung der kugelförmigen Himmelskörper als Grundelement der Harmonien des Kosmos galt. Schon der Begriff „Kosmos“ bedeutet Harmonie, Schönheit und Vollkommenheit, wie Aristoteles in seinem Werk „Über die Welt“ in poetischer Stimmung über den Kosmos schreibt:

„Welche Wesenheit gäbe es denn, die ihm überlegen wäre? Was man auch nennen mag, es ist nur ein Teil von ihm. Alles Schöne hat seinen Namen von ihm und alles Geordnete; kommt doch von ‚Kosmos‘ der Ausdruck ‚kekosmesthai‘ [Geschmückt-, Geordnetsein] her. Welches Einzelding aber vermöchte sich der Ordnung am Himmel zu vergleichen, dem Lauf der Gestirne, der Sonne und des Mondes, wie sie sich nach den genauesten Maßen bewegen von einer Weltzeit zur anderen? Wo gäbe es eine solche Untrüglichkeit, wie sie die schönen Jahreszeiten bewahren, die alle Dinge hervorbringen, die Sommer und Winter geordnet heraufführen, die Tage und die Nächte bis zur Vollendung des Monats und des Jahres? Vollends ist seine Größe überragend, seine Bewegung die rascheste, sein Glanz der lichteste, seine Kraft alterslos und unvergänglich. Er ists, der die Naturen der Lebewesen im Wasser, auf der Erde und in der Luft geschieden und ihre Lebensdauer nach seinen Bewegungen bemessen hat. Er ists, von dem alle Lebewesen den Odem ziehen und Seele haben. Er ists, in dem auch die überraschendsten Seltsamkeiten sich nach einer Ordnung vollziehen.“

© Archiv Dr. Jürgen Hamel

Das geozentrische Weltsystem, nach Peter Apian (1539).

Ich möchte ergänzend hinzufügen, dass auch „Kosmetik“ von diesem alten griechischen Wort abgeleitet ist: Schönheit, Schmuck, umgangssprachlich auch mit einer etwas negativen Bewertung im Sinne von überdecken und verbergen oder reiner Äußerlichkeit.

Eine harmonische, im wahren Sinne des Wortes kosmische Betrachtung des Weltbaus galt beispielsweise Platon im 4. Jahrhundert v. Chr. als völlig selbstverständlich. Nach seinen Worten im berühmten Dialog „Timaios“ habe der Schöpfer die Welt selbst und alle Körper, die in ihr sind, nach dem Bild von Kreis und Kugel erschaffen.

Das gleichermaßen aus aufmerksamer Naturbeobachtung und weltanschaulicher Reflexion entstandene Bild der Welt, das kosmologische System, war klar und übersichtlich. Die Erde steht im Mittelpunkt der Welt, um sie bewegen sich der Mond und die Sonne, die Planeten und schließlich die Sterne auf kreisförmigen Bahnen. Alles folge einer wohlgeordneten, einfachen, harmonischen Bewegung, welche nach den...

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