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E-Book

Mein Ibiza

Eine Lebensreise

AutorJens Rosteck
Verlagmareverlag
Erscheinungsjahr2019
ReiheMeine Insel 
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783866483668
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Mit Ibiza, der legendenumwobenen 'weißen Insel', verbindet Jens Rosteck eine nun schon fast fünf Jahrzehnte währende Lebens- und Liebesgeschichte. Sein 'Eivissa', das bereits Dutzende von Invasionen verkraften musste, hat nur wenig mit dem Party-Eiland der schicken Schönen und coolen Hipster gemein. Rosteck begreift das Balearen-Idyll als kosmopolitische Stätte der Fantasie, als Sehnsuchtsort und Schimäre. Er zeigt uns ein Paradies für Bilderfälscher und Modepioniere, für Exilliteraten und Aussteiger, für Drogensüchtige und andalusische Gitanos. Und stößt die Tür auf zu Parallelwelten der Diskothekenkultur und des Massentourismus: zu einer Off-Kultur, in der Anarchie, Illusionen und freie Liebe regierten, zum Emigrationsort von Avantgardisten, zu den Bizarrerien einer erotisch-libertinären Miniaturwelt (ausgerechnet zu Franco-Zeiten) und zum kreativen Zentrum einer deutschen Künstlerkolonie. Rostecks atmosphärische Momentaufnahmen dieser fast surrealen Enklave, in der sich Blumenkinder und Nacktbadende tummelten und Stierkämpfer und Kriegsdienstverweigerer es sich gut gehen ließen, fügen sich zu einem Kaleidoskop alternativer Lebensformen am Mittelmeer. Doch der Autor zieht nicht nur nostalgische Bilanz - vielmehr präsentiert er Ibiza als sinnliches Kontinuum, als stabilen Mythos und alljährlich wiederbelebbaren Kindheitstraum.

Jens Rosteck, 1962 geboren, lebte viele Jahre in Paris und an der Côte d'Azur, wo er neben Essays zur Musik- und Literaturgeschichte eine Reihe von literarischen Biografien verfasste, u. a. über Paul Bowles, Kurt Weill, Oscar Wilde und Bob Dylan. Zuletzt publizierte er viel beachtete Monografien über Hans Werner Henze und Édith Piaf. Der promovierte Musikwissenschaftler, Kulturgeschichtler, Pianist und Autor mehrerer Städteporträts wohnt heute im Badischen.

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Leseprobe

Ibiza

Liebeserklärung an eine unbestechliche Schöne


Wenn Liebenden die Worte der Vernunft ausgehen, brabbeln sie Unverständliches. Dann flüstern sie einander zärtliche Albernheiten zu und erfinden Kosenamen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Verballhornen die vertraute Silbenfolge, auf die das Objekt ihrer Begierde bislang hörte. Fügen Verniedlichungen ein, verschleifen Vokale, erfinden Provisorien, experimentieren mit Bezeichnungen. Einige dieser Umbenennungen bleiben am geliebten Gegenüber haften, verselbstständigen sich und führen bald ein Eigenleben. Andere haben sich so weit vom Original entfernt, dass man ihren Ursprung kaum noch erahnt. Am Ende steht dem Schöpfer solcher mots doux ein ganzes Arsenal von Vokabeln und Pseudonymen zur Verfügung, ein beachtliches Ausdrucksspektrum der Zuneigung, der Sympathie und des Begehrens. Mit dessen Nuancen nach Belieben jongliert werden kann. Selten nur lässt sich erkennen, welche Spitznamen zuerst da waren. Und der oder die Geliebte wird sich das schmeichelhafte Sprachspiel mit der eigenen Person gern gefallen lassen, erinnert es doch stets an die Anfangsphase der Beziehung, an die Euphorie des Entdecktwerdens und an die Leidenschaft, mit der sich die Eroberung vollzog.

Nur der Urheber solcher Lautfolgen vermag jedoch mit Bestimmtheit zu sagen, welche Stimmung ihn zu seiner Schöpfung verleitet hat und was er damit ausdrücken wollte. Ziemlich einseitige Liebesbekundungen sind solche kreativen Zuschreibungen, deren manchmal törichte Resultate am Bezeichneten dann oftmals für lange Zeit hängen bleiben, ob er nun möchte oder nicht. Wie Pech und Schwefel sind beide miteinander verbunden. Und Spötter können die Begriffe später leicht ins Lächerliche ziehen.

Mit Ibiza, der emblematischen Wohnstätte der undurchsichtigen karthagischen Schutzgöttin Tanit und des grausamen ägyptischen Schlangenwürgers Bes, verbindet mich eine nun schon fast fünf Jahrzehnte währende Lebens- und Liebesgeschichte. Ibiza, die stolze und verschwiegene Baleareninsel, die keines ihrer Geheimnisse leichtfertig preisgibt, sorgte nicht nur dafür, dass ich überhaupt auf diese Welt gelangte, sondern führte mich liebevoll und geduldig an Lebensbereiche heran, die seither einen ganz besonderen Stellenwert für mich einnehmen – Literatur und Musik, Kunst und Sinnlichkeit. Mit seinem einzigartigen Fluidum half Ibiza mir, meine Affinitäten zu entdecken und zu vertiefen. Meine Aufenthalte hier glichen einem sich über Jahre erstreckenden Initiationsritual. Jede Reise hierher war von aufgeregter Vorfreude gekennzeichnet. Ibiza wurde zu meiner treuen Geliebten. Und ich hatte bislang nicht den geringsten Anlass, fremdzugehen.

Im Bewusstsein vieler Zeitgenossen ist meine Gastgeberin Ibiza als Massenreiseziel, als Emblem für hochkarätige Diskothekenkultur und Ort für Extrem-Entertainment hinlänglich verankert. Leider eher negativ besetzt – als berüchtigtes Party-Eiland, als Schauplatz exzessiver Techno-Nächte, als Rundum-die-Uhr-Laufsteg für eitle Sonnenbadende und Zuflucht für radikale Hedonisten, als Sündenpfuhl. Als abschreckendes Beispiel für Allerweltstourismus, ja als Stereotyp fehlgeschlagener Entwicklungen im Fremdenverkehr. Chaotisch, dubios, moralisch verwahrlost, oberflächlich, flatterhaft, verachtenswert. Mehr noch: überkandidelt. Synonym für Dekadenz auf hohem Niveau.

Mein Eivissa, das im Lauf seiner Geschichte noch viel ärgere Invasionen verkraften musste, hat hingegen gottlob nur wenig mit dem Party-Eiland der schicken Schönen und coolen Hipster gemein. Ich durfte es als Oase der Poesie, Harmonie und Unbestechlichkeit, als Heimstatt der Kreativität, Toleranz und Unverdorbenheit kennenlernen; ich durfte hier meine Lehr- und Wanderjahre absolvieren. Ein Privileg. Ibiza brachte mir das Laufen bei; Ibiza machte mich zu dem, der ich heute bin. Ich hatte das unverschämte Glück, einen fantastischen Kindheitstraum, der für mich ganz reale Züge angenommen hatte, Jahr für Jahr weiterspinnen und wiederbeleben zu können.

Ibiza konfrontierte mich früh in meinem Leben mit Sonderlingen, Paradiesvögeln und Käuzen; Ibiza lehrte mich, dass »schräg« oft gleichgesetzt werden kann mit »faszinierend«. Dass nichts so öde ist wie Normalität. Ibiza ließ mich meine ersten, kostbaren Erfahrungen verinnerlichen; Ibiza war und ist für mich ein Garant von Stabilität und Verlässlichkeit. Es verhalf mir zur Lebens- und Liebesfähigkeit. Ich verdanke Ibiza unendlich viel. Ich verliebte mich in diese Insel, als ich solche Gefühle noch gar nicht in Worte fassen konnte. Meine Zärtlichkeit für Ibiza war schon immer da.

Gemessen an der Vielfalt von Namen, die für die Insel Ibiza vorliegen, muss ihr über Jahrhunderte hinweg grenzenlose, hemmungslose, ja durch und durch unkritische Zuneigung entgegengeschlagen sein, ist sie anscheinend über alle Maßen geliebt und begehrt worden. Doch diese vielen Bezeichnungen bekam sie nicht nur von ihren Liebhabern verpasst, sondern auch von Rivalen und Invasoren, von Besetzern, Nebenbuhlern und eifersüchtigen Mitbewerbern.

I Bes A, Insel des Bes, stand wohl am Anfang. Iboshim und Aiboshim folgten. Aivis, Ebusus und Yebisah. Ebysos, Yvica und Ibosim. Ibissim und Eivissa. Island of love, island of the sun. Hippie-Insel, isla blanca, magic island. Everybody’s darling. Die Insel mit Sex-Appeal. Pityusa – die Pinienreiche. Selbst ein Adjektiv gibt es: ebusitanisch. Die Liste ließe sich fortsetzen. Anlass für mich, ihr keine weiteren Wortschöpfungen hinzuzufügen, sondern die gebräuchlichsten und klangschönsten darunter an den Anfang der nachfolgenden Kapitel zu stellen.

Ibiza musste in der Vergangenheit viele Feinde abschütteln, Usurpatoren vertreiben, fremde Händler integrieren, Aggressoren in die Schranken weisen und unliebsame Siedler loswerden. Seit fast drei Jahrtausenden befindet es sich im Belagerungszustand.

Sieben Jahrhunderte vor Christus ging es los mit dem Ansturm. Damals befanden sich die Karthager auf Expansionskurs, landeten an den Gestaden der Bes-Insel und siedelten bei Sa Caleta. Danach kehrte eigentlich nie wieder Ruhe ein. Auf die Phönizier oder Punier folgten Römer und Vandalen, Byzantiner, Normannen und Mauren. Es ging Schlag auf Schlag mit den Heimsuchungen; die günstige strategische Lage machte die Pinienreiche erst so richtig begehrenswert, wurde ihr für lange Zeit gar zum Verhängnis. Alle enemigos kamen über das Meer, umzingelten die stolze Schöne. Die eine halbe Ewigkeit währende Herrschaft des Emirats von Córdoba wurde erst von den pisanisch-katalanischen Kreuzzügen unterbrochen; die Hegemonie der Almoraviden im westlichen Mittelmeer beendeten die Katalanen mit ihrer erfolgreichen Rückeroberungsstrategie. Das Königreich der Balearen bescherte dem von der reconquista befreiten Ibiza schon um 1300 eine Universität, aber dann schlossen sich erneut Jahrhunderte der Instabilität und Orientierungslosigkeit an. Die Ibicencos, Opfer schrankenloser Freibeuterei und gezielter Plünderungen, waren praktisch ununterbrochen mit der Verteidigung ihrer Dörfer und Städtchen beschäftigt, errichteten Wälle und Wehrkirchen, machten gegen die Türken mobil.

Bis es ihnen mit der ewigen Piratenplage und Brandschatzung zu bunt wurde und sie ihre eigene Korsarenflotte aufstellten. Sie drehten den Spieß einfach um und gingen in die Offensive. Feindliche Boote wurden gekapert und versenkt. Der Strategiewechsel zahlte sich aus; man verschaffte sich Respekt. Bald hatten sich die Verwegenheit und der Todesmut der Leute von Eivissa herumgesprochen; das »organisierte« Korsarentum bescherte der Insel sogar eine gewisse wirtschaftliche Blüte. Im 19. Jahrhundert konzentrierte sich dann der ganze Stolz der Insulaner auf den heldenhaften Antonio Riquer Arabí, dem es 1806 gelungen war, das englische Kriegsschiff Felicity, von erfahrenen Marinesoldaten gelenkt und von Waffen nur so strotzend, in seine Gewalt zu bringen. Der vorgeblich überlegene Feind wurde von Arabí in die Knie gezwungen.

Schließlich hatte der Freiheitskampf Früchte getragen. Der hohe Blutzoll war nicht umsonst entrichtet worden, und in Ibiza war man künftig auf seine siegreichen Piraten so stolz wie anderswo auf Monarchen und Kirchenmänner. Nahezu jeder zweite Einwohner kann noch heute einen illustren Freibeuter als Ahnen vorweisen.

Die Drittgrößte oder je nachdem Zweitkleinste der Balearen war schon in der Antike respektiert worden für ihre virtuosen, erschreckend treffsicheren Steinschleuderer und die Furchtlosigkeit ihrer Söldner, für den aufrührerischen Geist ihrer Bewohner und deren rebellische Natur. Und gleich nachdem Ibiza nun auch mit Arabí unter Beweis gestellt hatte, dass es sich nicht ungestraft auf der Nase herumtanzen ließ, begann es, sich sirenenhaft zu gebärden, seine verführerischen Seiten hervorzukehren und seinen Besuchern gehörig den Kopf zu verdrehen. Wenige Generationen nach dem Triumph der Korsaren nahm eine...

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