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Mein Leben als Entdecker. Die Autobiographie

Mit einem Nachwort von Tobias Wimbauer (Nimmertal 75. Achter Band der Schriftenreihe des Antiquariats Wimbauer Buchversand)

AutorRoald Amundsen, Tobias Wimbauer
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl140 Seiten
ISBN9783752808094
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Nach über 90 Jahren wird hier zu seinem neunzigsten Todestag erstmals Roald Amundsens berühmte Autobiographie wieder auf Deutsch veröffentlicht.

Tobias Wimbauer, geboren am 13. Juni 1976 in Überlingen am Bodensee, aufgewachsen in St. Ulrich im Schwarzwald, bis zum ersten Studienabbruch in Freiburg und nach einem kurzen Intermezzo in Sachsen-Anhalt seit 2003 in und bei Hagen. Verheiratet, drei Katzen (nur noch). Inhaber des Versandantiquariates Wimbauer Buchversand, freier Schriftsteller und Publizist mit einigen Buch- und Zeitschriften- und Zeitungsveröffentlichungen (u.a. FAZ). Lebt im Nimmertal bei Hagen im ehemaligen "Naturfreundehaus Nimmertal". Wichtigste Buchveröffentlichungen: Personenregister der Tagebücher Ernst Jüngers (1999, 2003, 2010), Lagebericht und andere Erzählungen (2008), Anarch im Widerspruch (2004, 2010), Ausweitung der Bücherhöhle (2010), Hundert Dinge (2012,2017), Haben Sie Steffi Briest? (2012), Ernst Jünger in Paris (2011), Landschaften im inneren Vorbeifahren (2016)

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Leseprobe

1. KAPITEL


JUGENDERINNERUNGEN.


Wie es kam, daß ich gerade Entdecker wurde? Es war durchaus kein Zufall, denn seit meinem fünfzehnten Lebensjahr galt mein Streben keinem anderen als diesem Ziel. Was immer ich als Entdecker geleistet habe, war nur das Ergebnis lebenslanger, zielbewußter, mühevoller Vorbereitung und härtester, gewissenhafter Arbeit.

Ich bin einige Meilen südlich von Oslo in Norwegen geboren, und war drei Monate alt, als meine Eltern in die Hauptstadt übersiedelten, wo ich erzogen wurde und meinen Unterricht empfing. Der in Norwegen übliche Studiengang verlief für mich ohne bemerkenswertes Ereignis – Elementarschule vom sechsten bis zum neunten, dann Gymnasium bis zum achtzehnten Lebensjahre. Mein Vater starb, als ich vierzehn Jahre alt war, und meine älteren Brüder zogen in die Welt hinaus, um für sich selbst zu sorgen. So blieb ich allein bei meiner Mutter zurück und ihrem Wunsche, mich dem medizinischen Studium zu widmen. Ihre stolze Hoffnung, einen Arzt aus mir zu machen – ein Plan, für den ich selbst niemals begeistert war –, sollte sich nicht verwirklichen. Als ich fünfzehn Jahre alt war, fielen die Werke Sir John Franklins, des großen britischen Forschungsreisenden, in meine Hände.

Die begeisterte Erregung, mit der ich sie las, blieb für mein ganzes Leben bestimmend. Von all den tapferen Briten, die 400 Jahre lang bedenkenlos Vermögen, Mut und Unternehmungsgeist an zahllose kühne, aber erfolglose Versuche verschwendet hatten, die Nordwestpassage zu erzwingen, war keiner tapferer gewesen als Sir John Franklin. Eine seiner Schilderungen, in der er über den verzweiflungsvollen Rückzug einer seiner Expeditionen berichtete, fesselte mein Interesse mehr als alles, was ich je zuvor gelesen hatte. Er und seine wenigen Gefährten hatten drei bange Wochen mit Eis und Stürmen um ihr Leben kämpfen müssen, ihre einzige Nahrung bestand aus einigen Knochen, die sie in einem verlassenen Indianerlager fanden, und schließlich waren sie sogar genötigt, ihre eigenen Lederschuhe zu verzehren, ehe sie endlich wieder die ersten Vorposten der Zivilisation erreichten.

Seltsam, daß gerade die Beschreibung solcher Entbehrungen, die er und seine Leute zu erdulden hatten, mich an der Erzählung Sir Johns am meisten fesselte. Ein merkwürdiger Ehrgeiz brannte in mir, gleiche Leiden zu überwinden. Offenbar hat sich auch bei mir die Begeisterungsfähigkeit der Jugend, wie so häufig, vom Märtyrertum angezogen gefühlt, und arktische Forschungsreisen sollten meine Kreuzzüge sein. Auch ich wollte für eine erhabene Sache leiden – wenn auch nicht in der glühenden Wüste, auf dem Wege nach Jerusalem, sondern im eisigen Norden, auf dem Wege zu neuem Wissen in der unerforschten Arktis.

Wie immer auch, die Reisebeschreibungen Sir John Franklins bestimmten meinen Beruf. Im geheimen – denn ich hätte es nie gewagt, einen solchen Plan, der ihr doch tief zuwider sein mußte, vor meiner Mutter zu erwähnen – beschloß ich unwiderruflich, Polarforscher zu werden.

Ja, noch mehr, ich fing auch unverzüglich an, mich nur für diesen Beruf vorzubereiten. In jenen Tagen gab es in Norwegen noch keinen organisierten Körpersport, wie heute überall. Die einzigen Sporte, die man trieb, waren Fußball und Skilaufen. Obwohl mir das Fußballspiel nicht zusagte, beteiligte ich mich doch daran, denn ich betrachtete es jetzt als Pflicht, meinen Körper auf jede Weise zu stählen und zur Ausdauer zu erziehen. Den Skilauf aber betrieb ich mit natürlicher Lust und größter Begeisterung. Jede freie Stunde, die mir die Schule ließ, vom November bis zum April, eilte ich ins Freie, durchforschte die Hügel und Berge, die Oslo umgeben, erhöhte meine Geschicklichkeit im Bezwingen von Eis und Schnee, und härtete meine Muskeln für das künftige große Abenteuer.

In jenen Tagen hielt man die Häuser im Winter dicht verschlossen, und ich wurde daher als ein Neuerer und beinahe als verrückt betrachtet, weil ich selbst bei grimmigster Kälte darauf bestand, bei weitgeöffneten Fenstern zu schlafen. Meine Mutter machte mir besorgte Vorhaltungen. Sie beruhigte sich mit der Erklärung, daß ich frische Luft liebe. Aber in Wirklichkeit erfüllte ich damit einen Teil meines gewissenhaft betriebenen Ahhärtungsprogrammes.

Mit achtzehn Jahren erhielt ich mein Abgangszeugnis vom Gymnasium, bezog, den Wünschen meiner Mutter folgend, die Universität und studierte Medizin. Wie alle vernarrten Mütter war auch sie überzeugt, daß ich ein Muster an Fleiß sei, in Wahrheit aber betrieb ich meine Studien mehr als gleichgültig. Ihr Tod, der uns zwei Jahre später, in meinem einundzwanzigsten Lebensjahre, trennte, bewahrte sie vor der traurigen Entdeckung, daß mein Ehrgeiz ganz andere Wege ging, und daß ich nur sehr kümmerliche Fortschritte in dem von ihr gewünschten Studium gemacht hatte. Mit unsäglicher Erleichterung verließ ich kurz darauf die Universität, um mich mit ganzer Seele in den Traum meines Lebens zu stürzen.

Vorher aber mußte ich wie alle jungen Norweger meiner Militärpflicht genügen. Ich tat dies gerne, nicht bloß weil ich ein treuer Bürger sein wollte, sondern auch weil ich fühlte, daß die militärische Erziehung mir als weitere Vorbereitung für meinen Beruf von großem Nutzen sein würde. Ich war jedoch für die militärische Tätigkeit in einer Beziehung durchaus ungeeignet, was die meisten meiner Kameraden nicht ahnten. Meine Sehkraft war durch Kurzsichtigkeit beeinträchtigt, ein Gebrechen, das sich bis zum heutigen Tage zwar allmählich gebessert hat, aber nicht ganz geschwunden ist. Wenn dieser Fehler durch den untersuchenden Arzt entdeckt worden wäre, hätte man mich nicht zum Militärdienst zugelassen. Glücklicherweise trug ich niemals die Gläser, die mir verordnet waren.

Als der Tag der ärztlichen Untersuchung für meine militärische Tauglichkeit herankam, wurde ich in ein Amtszimmer gewiesen, in dem der Chefarzt mit zwei Assistenten hinter einem Pulte saß. Es war ein älterer Arzt, und befaßte sich, wie ich zu meiner größten Überraschung schnell erkannte, leidenschaftlich mit dem menschlichen Körper. Selbstverständlich mußte ich mich für die Untersuchung splitternackt ausziehen. Der alte Doktor sah mich an und brach sofort in laute Bewunderung über meine körperliche Entwicklung aus. Offenbar waren meine acht Jahre gewissenhaften Trainings nicht ohne Erfolg geblieben. Er sagte zu mir: »Junger Mann, wie um alles in der Welt haben Sie es zu so herrlichen Muskeln gebracht?« Ich erklärte ihm, daß ich sportliche Betätigung von jeher sehr geliebt und fleißig geübt hätte. Der alte Herr war so entzückt über meine Physis, die er ganz außerordentlich zu finden schien, daß er eine Gruppe Offiziere aus dem Nebenzimmer herbeirief, damit auch sie dieses Wunder besichtigen sollten. Überflüssig zu sagen, daß ich durch diese hüllenlose Zurschaustellung meiner Person in tödliche Verlegenheit geriet.

Der Zwischenfall hatte aber seine gute Seite. In seiner Begeisterung über meine Muskeln vergaß der gute alte Doktor ganz, meine Augen zu untersuchen. So wurde ich für tauglich erklärt, und mein militärischer Drill begann.

Die Militärpflicht erfordert in Norwegen nur einige Wochen des Jahres, ich hatte daher reichlich Zeit, mein mir selbst vorgeschriebenes Training für meine späterer Laufbahn fortzuführen. Ein Zwischenfall bei diesen Übungen setzte beinahe den Schlußpunkt unter mein Leben und brachte fast schwerere Gefahren und Mühsale mit sich, als mir später in den Polargegenden je bestimmt waren.

Dieses Abenteuer trug sich in meinem zweiundzwanzigsten Jahre zu, bei dem Versuche, nur wenige Meilen von Oslo entfernt, eine Art Polarexpedition durchzuführen. Im Westen der Stadt erhebt sich ein steiler Gebirgszug, der von einem ungefähr sechstausend Fuß hohen Plateau gekrönt wird. Dieses Plateau erstreckt sich westwärts fast bis zur atlantischen Küste, in die Nähe von Bergen, und stürzt dort so steil ab, daß bloß zwei sicher gangbare Pfade hinabführen. Im Sommer wurde das Plateau nur von lappländischen Hirten aufgesucht, die dort ihre wandernden Renntierherden weideten. Ansiedler gab es keinem, so daß die einzige Unterkunft im Umkreis von Meilen eine Hütte war, die jene Hirten gegen die Stürme und Regen der kalten Herbstzeit errichtet hatten. Ehe der Winter kam, stiegen die Lappen in die Täler hinab, und das Plateau lag dann ganz verlassen. Niemand erinnerte sich, daß je ein Mensch versucht hätte, dieses Plateau während der Wintermonate von seinem östlichen Ende, einem Berghof namens Mogen, bis zum Hof Garen an der Westküste zu überqueren. Ich beschloß, diesen Versuch zu wagen.

Ich wählte mir einen einzigen Gefährten und schlug ihm das gemeinsame Wagnis vor. Er willigte ein, und wir verließen Oslo während der Weihnachtsfeiertage. Auf unseren Skiern kamen wir...

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