Vorwort
Die Erfüllung des Kinderwunsches mithilfe einer Samenspende ist bis heute eines der großen Tabuthemen in unserer Gesellschaft, so aufgeklärt und modern sie auch erscheinen mag. Viele halten Samenspenden für unmoralisch, für einen medizinisch unterstützten Seitensprung. Männer, die keine Kinder zeugen können (oder es nicht wollen, weil sie vielleicht Erbkrankheiten in sich tragen, die sie an ihre Kinder weitergeben könnten), haben nach wie vor mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass sie weniger männlich seien. Dieses Stigma verhindert, dass Themen wie Samenspende oder künstliche Befruchtung offen diskutiert werden können. Noch schwerer haben es lesbische Paare, die sich den Kinderwunsch durch eine Samenspende erfüllen wollen, oder allein lebende Frauen, die keinen Partner, aber ein Kind möchten. Daran haben auch Veränderungen in unserer Gesellschaft wie die Anerkennung der »Homo-Ehe« oder die Tatsache, dass die traditionelle Familie von alternativen Modellen Konkurrenz bekommen hat, bislang nichts geändert.
Ich bin seit über fünfzehn Jahren aktiver Samenspender. Ich verhelfe kinderlosen heterosexuellen Paaren, Singlefrauen oder lesbischen Paaren auf privater Ebene zum Wunschkind, denn meiner Meinung nach hat jede Frau das Recht auf ein Kind, unabhängig von ihrer Lebensweise oder sexuellen Orientierung. Das gesellschaftliche Tabu und ein Zwei-Klassen-System in der Reproduktionsmedizin haben dafür gesorgt, dass ein enormer Markt für solche privaten Samenspenden, die also nicht über eine Samenbank den Weg zur Empfängerin finden, entstanden ist, der einem Mann einen beachtlichen Nebenverdienst, wenn nicht sogar ein gutes Auskommen bieten kann.
Wie wird man Samenspender?
»Samenspender« ist natürlich keine Berufsbezeichnung im herkömmlichen Sinne. Es ist mit einer freiberuflichen Tätigkeit vergleichbar. Grundsätzlich besteht für jeden Mann zwischen zwanzig und vierzig die Möglichkeit, sein Sperma einer Samenbank zu spenden. Samenbanken sammeln das Sperma der Spender und lagern es bei -169 °C
in flüssigem Stickstoff ein, um es dann an eine Empfängerin zu vermitteln.
Doch nicht jeder Spendewillige wird von einer Samenbank auch als Spender akzeptiert. Diese Einrichtungen haben hohe Anforderungen, die zum Teil durch gesetzliche Regelungen, aber auch durch praktische Erfordernisse bedingt sind. Man(n) durchläuft einen aufwändigen Bewerbungsprozess, bei dem nicht nur medizinische Tests gemacht, sondern auch Fragen zum Medikamentenkonsum und allgemeinen Lebenswandel gestellt werden. Erb- und Infektionskrankheiten wie beispielsweise HIV oder Hepatitis müssen natürlich mit absoluter Gewissheit ausgeschlossen werden können. Wird man zum Spenden zugelassen, kann man also davon ausgehen, dass man körperlich gesund ist. Obendrein unterliegt man als Spender bei einer Samenbank einer ständigen Gesundheitskontrolle.
Ist man erst einmal »offiziell anerkannter Spender«, kann man alle zwei Wochen zu bestimmten Terminen in der Samenbank spenden. Die Spermaabgabe an sich ist verhältnismäßig leicht zu bewerkstelligen. Nach dem Personalienabgleich wartet man in einem dafür vorgesehenen Bereich, bis man aufgerufen wird. Dann geht man in einen von innen abschließbaren Raum, in dem sich, je nach Ausstattung, eine bequeme Couch oder eine Liege befinden. Weiterhin stehen Fernseher mit DVD-Playern und entsprechendem Filmmaterial und selbstverständlich einschlägige Zeitschriften zur Verfügung. Mit den vorhandenen Requisiten bringt man sich in Stimmung, um schließlich das Ejakulat in einen dafür vorgesehenen Becher zu füllen. Den gibt man vorne am Empfang ab, holt sich seinen nächsten Termin und geht dann seiner Wege. Pro Spende erhält man, je nach Vereinbarung, um die 100 Euro, die in der Regel nach ein paar Tagen auf dem Konto sind. Geht man alle zwei Wochen spenden, können im Jahr etwa 2 600 Euro zusammenkommen, die, ähnlich wie beim Blutspenden, nicht versteuert werden müssen. Geht man dazu über, so wie ich, in erster Linie private Spenden zu geben, hat man freilich einen erheblich höheren Gewinn, da das Geld, das die Empfänger bereit sind auszugeben, direkt in die eigene Tasche geht.
Die regelmäßigen Termine in der Samenbank sind allerdings auch dann nicht beendet, wenn man sich entschließt, nicht mehr spenden zu wollen. Da Krankheiten wie HIV erst nach einiger Zeit zweifelsfrei nachgewiesen werden können, laufen die medizinischen Tests auf jeden Fall für eine gewisse Zeit weiter. So wird sichergestellt, dass das abgegebene Sperma den Richtlinien entspricht.
Wie empfängt die Frau das
Spendersperma?
Die Empfängerin muss sich vor einer sogenannten »donogenen Insemination«, also der Gabe von Sperma mit einer Spritze, ebenfalls einer Reihe medizinischer Untersuchungen unterziehen. Außerdem werden lange und intensive Vorgespräche mit ihr und ihrem Partner geführt, in denen auch die Alternativen aufgezeigt werden. Hier stellt sich bereits die erste Hürde für ein lesbisches Paar oder eine Singlefrau: Manche Samenbanken oder Fertilitätskliniken lehnen es aus moralischen Gründen ab, Homosexuelle oder Alleinstehende zu behandeln. Wenn die Empfängerin zugelassen wird, schließt sie mit der Samenbank oder der Klinik einen Behandlungsvertrag.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die Frau das gespendete Sperma empfangen kann. Die gebräuchlichste Methode ist die bereits erwähnte Insemination. Dabei wird das Spendersperma mit einer Spritze oder einem Katheter in die Gebärmutter der Frau eingebracht. In der Regel führt das ein Facharzt durch, aber es ist durchaus möglich, dass man es alleine oder mit seinem Partner oder der Partnerin im eigenen Schlaf- oder Badezimmer macht. Dafür ist nicht nur wichtig, dass zwischen Ejakulation und Insemination möglichst wenig Zeit vergeht (Spermien sterben nach kurzer Zeit ab, wenn die Flüssigkeit austrocknet), sondern auch, dass sich die Frau am richtigen Punkt ihres Zyklus befindet, sodass das Ei reif ist. Timing ist alles.
Eine intimere Variante der Insemination ist die Trichtermethode. Dabei führt sich die Frau einen handelsüblichen Kunststofftrichter in die Vagina ein, in den der Mann dann entweder direkt ejakuliert oder in den er das Ejakulat mit einer Spritze hinein gibt. Nach der Insemination kann die Frau sich eine sogenannte Menstruationstasse einsetzen, die dafür sorgt, dass das Sperma dort bleibt, wo es »wirken« soll.
Die Anwesenheit des Partners oder der Partnerin bei der Insemination, sei es zu Hause oder in der Arztpraxis, sorgt für Entspannung bei der Partnerin – und die ist wichtig, wenn es mit der Befruchtung klappen soll.
Die Insemination ist nicht erfolgversprechender als »normaler« Geschlechtsverkehr –
sie ist lediglich aufwändiger. Meistens sind mehrere Versuche über mehrere Zyklen hinweg nötig, damit die Frau schwanger wird. Bei einer Samenbank können sich um die 700 Euro pro Versuch ergeben, die nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Hinzu kommen Bearbeitungs- und Verwaltungsgebühren sowie die Gebühren für die medizinischen Tests und Vorgespräche.
Noch komplizierter – und damit auch sehr viel teurer – wird es bei der IVF, der In-vitro-Fertilisation. Im Gegensatz zur Insemination handelt es sich bei der IVF um eine künstliche Befruchtung. Nach einer Vorbehandlung mit Hormonen wird mit einer Stimulationstherapie zur Eizellproduktion begonnen. Wenn genügend Eibläschen (Follikel mit Eizelle) herangewachsen sind, spritzt man das Schwangerschaftshormon HCG, um die Eizellreifungsphase abzuschließen. 32 bis 36 Stunden nach der HCG-Spritze können unter Narkose Eizellen aus dem Eierstock entnommen werden. Bei dieser sogenannten Follikelpunktion führt der Arzt eine Punktionsnadel mit Ultraschallkopf durch die Scheide bis zum Eierstock, sticht ein Eibläschen nach dem anderen an und saugt die Flüssigkeit ab. Die abgesaugte Flüssigkeit enthält in den meisten Fällen eine Eizelle.
Die Eizellen werden im Labor in eine besondere Nährlösung gegeben, mit einer bestimmten Menge gut beweglicher Samenzellen vermischt und im Brutschrank kultiviert, bis sie das sogenannte Vorkernstadium (eine Eizelle im Anfangsstadium der Befruchtung, in dem der männliche und der weibliche Zellkern noch getrennt zu sehen sind) erreicht haben. An diesem Punkt muss das Paar entscheiden, bei wie vielen Eizellen die Befruchtung abgeschlossen werden soll. Selbstverständlich gilt auch hier das eherne Gesetz der Marktwirtschaft: Will man mehr, zahlt man mehr. Doch die Zahl kann nicht beliebig hoch sein, sondern ist durch die jeweiligen Gesetze eines Landes bestimmt.
In den folgenden zwei bis vier Tagen teilt sich die befruchtete Eizelle mehrmals und wird zu einem winzigen Embryo, der dann mit einem Katheter in die Gebärmutterhöhle eingesetzt wird. Zur Vorbereitung dieser Übertragung bekommt die Frau Medikamente, die die Gebärmuttermuskulatur entspannen. In der Zeit nach dem Eingriff sollte auf alles, was den Kreislauf belastet, etwa Aufregung, Sport und starke Temperaturerhöhungen wie bei Saunabesuchen, heißen Wannenbädern oder intensiven Sonnenbädern, verzichtet werden. Zwölf bis vierzehn Tage nach der Befruchtung kann der Arzt per Blutuntersuchung feststellen, ob die Frau schwanger ist oder nicht.
In Deutschland ist eine IVF nur für verheiratete heterosexuelle Paare vorgesehen. Singlefrauen und lesbische Paare müssen ins Ausland, beispielsweise nach Dänemark reisen, um die Methode in Anspruch nehmen zu können, denn dort herrscht eine liberalere Gesetzgebung. Die Kosten liegen bei rund 4 000 Euro, die ebenfalls nicht von den Krankenkassen übernommen werden.
Rechte und Pflichten
Als Spender befindet man sich in vielerlei...