Erstes Kapitel.
Mein Auftrag. — Nach Amerika. — Ein Unglücksfall im Feuerland – Die Feuerländer und ihre Sitten. —- Fahrt nach der Südsee. —- Entdeckungen. —- Ankunft in Otahiti.
Als ich meine Bestallung erhalten hatte, die vom 25. Mai 1768 datiert war, ging ich an Bord des Endeavour, hisste die Kommandoflagge und segelte am 30. Mai nach Plymouth. Hier wurden der Mannschaft die Kriegsartikel und die Parlamentsakte vorgelesen. Zugleich wurde ihr ein zweimonatiger Sold im voraus bezahlt. Um 26. August stachen wir in See.
Um 12. September erblickten wir Porto Santo und Madeira, und am folgenden Tag kamen wir auf der Reede von Funchial an, wo wir das Schiff vor dem Stromanker festlegten. Um nächsten Tag riss beim Lichten das Seil des Ankerpfahls den Oberbootsmann Wein über Bord, und er ging mit dem Anker unter.
Dieser wurde sofort wieder gehoben, allein es war zu spät. Der Unglückliche, dessen Körper sich in das Seil verwickelt hatte, war ertrunken. In der Nacht vom 18. auf den 19. gingen wir wieder unter Segel.
Auf dem Weg von Teneriffa nach Bonavista sahen wir eine große Menge fliegender Fische. Am 25. Oktober segelten wir in der Länge von 29 Graden 30 Minuten mit den üblichen Feierlichkeiten durch den Äquator. Am Abend des 29. beobachteten wir jenen lichten Glanz in der See, den die Seefahrer so oft erwähnen. Über seine Entstehung waren die Forscher verschiedener Meinung. Wir waren der Ansicht, dass er von irgendeinem glänzenden Tier herrührt, und fanden, nachdem wir ein kleines Netz ausgeworfen hatten, unsere Meinung bestätigt, denn wir fingen eine Medusenart, die an Bord ein weißes Licht von sich gab. Gleichzeitig fingen wir auch verschiedene kleine Krebse, die, obschon sie zehnmal kleiner als Johanniswürmchen sind, doch ebenso stark wie diese leuchteten. Herr Banks konstatierte mit vielem Vergnügen, dass alle diese Tierchen noch von niemand beschrieben worden waren.
Abb. 2: Die Endeavour. beim Auslaufen.
Um 8. November erblickten wir die Küste von Brasilien. Wir lavierten dann bis zum 12. längs der Küste hin, und am 13. segelten wir dem Hafen von Rio de Janeiro zu. Wir waren vom 14. November bis zum 7. Dezember hier1. Dr. Solander war einmal an Land, ich selbst verschiedene Male, und Herr Banks fand ebenfalls Gelegenheit, sich durch die Wachen zu schleichen. Dr. Solander sagte mir in Bestätigung der verdammenden Urteile mehrerer Reisenden über die Sittenlosigkeit der Damen von Rio de Janeiro, dass sobald es dunkel geworden wäre, sich fast alle Damen in den Fenstern gezeigt und die vorübergehenden Herren, soweit sie ihnen zusagten, mit Blumen überschüttet hätten. Was in einem Land eine unanständige Vertraulichkeit ist, ist in einem anderen Land Sitte. Ich für meinen Teil kann nichts weiter sagen, als dass ich von der Wahrheit der Sache selbst sehr überzeugt bin.
Am 14. Januar 1769 liefen wir in die Le Mairestraße ein. Wir wurden aber durch die Strömung vertrieben. Und gingen schließlich in der „Bai des guten Successes“ vor Anker. Am 16. gingen Banks und Dr. Solander mit ihren Leuten, unserem Schiffsarzt Monkhouse und Herrn Green, dem Astronomen, an Land, um Pflanzen zu suchen. Dabei überfiel sie ein Schneegestöber. Eine eisige Kälte setzte ein, sodass Dr. Solander der ermüdeten Gesellschaft den Rat gab, sich des Schlafes zu erwehren. „Wer sich niedersetzt“, sagte er, „der wird einschlafen, und wer einschläft, wird nicht mehr erwachen!“ Und er war der Erste, der dem Drang zu schlafen folgte. Umsonst bat ihn Herr Banks, sich zu ermannen; er legte sich nieder. Und seinem Beispiel folgte der Schwarze Richmond, ein Diener von Banks, der auf alle Vorhaltungen nur antwortete, dass er nichts weiter verlange, als sich niederzulegen und zu sterben. Der Doktor erklärte — obschon er kurz vorher gewarnt hatte: „Hier einschlafen und sterben sei eins“ — er wolle gerne fortgehen, müsse aber vorher ein wenig schlafen. In kaum zwei Minuten fielen beide in tiefen Schlaf. Bald darauf kam einer von den ausgeschickten Leuten mit der angenehmen Meldung, dass an geschützter Stelle im Wald ein Feuer angezündet worden sei. Herrn Banks gelang es mit vieler Mühe den Doktor auszuwerfen Obgleich dieser nicht länger als fünf Minuten geschlafen hatte, so war er doch nicht mehr imstande seine Glieder zu gebrauchen; seine Muskeln waren so sehr eingeschrumpft, dass ihm die Schuhe von den Füßen fielen. Trotzdem erklärte er sich zum Marsch bereit, wenn man ihn unterstütze. Der arme Richmond war nicht wachzukriegen. Herr Banks ließ seinen zweiten Schwarzen und einen Matrosen, die am wenigsten von der Kälte gelitten zu haben schienen, als Wache zurück und versprach sie bald abzulösen. Hierauf schleppte er den Doktor zum Feuer hin. Später sandte er zwei Leute, nachdem sie sich durchwärmt hatten, mit dem Auftrag ab, Richmond mithilfe seiner Wache herbeizuschleppen.
Nach einer halben Stunde kamen sie mit der Nachricht wieder, dass sie trotz eifrigen Suchens und Rufens von den drei Zurückgebliebenen keine Spur entdeckt hätten.
Zum Unglück fing es stark zu schneien an, so dass man alle Hoffnung auf die Rettung der Verunglückten aufgab. Um Mitternacht hörte man in einiger Entfernung rufen. Herr Banks machte sich sogleich mit vier Leuten auf den Weg und fand den Matrosen, der kaum noch die Kräfte hatte, heranzutaumeln und um Hilfe zu rufen. Man brachte ihn sogleich zum Feuer, nachdem er die Richtung angegeben hatte, wo er sich von seinen Gefährten getrennt hatte. Herr Banks fand die Gesuchten dann auch glücklich auf. Richmond stand auf den Füßen, war aber nicht imstande, sich zu bewegen. Sein Gefährte lag auf dem Boden und war unempfindlich wie ein Stein. Banks alarmierte jedermann am Feuer. Allein die vereinten Kräfte der ganzen Gesellschaft reichten nicht hin, die Verunglückten nach dem Feuer zu schleppen. Die Finsternis und der tiefe Schnee erschwerten das Fortkommen derart, dass jeder Einzelne genug mit sich zu tun hatte. Da auch des fallenden Schnees wegen der Versuch, an Ort und Stelle Feuer anzuzünden, scheiterte, so sah man sich in die traurige Notwendigkeit versetzt, die Unglücklichen ihrem Schicksal zu überlassen. Man machte ihnen ein Lager von Zweigen zurecht und bedeckte sie mit Reisern und Laub. Die Kälte und der Schnee setzten den Rettern derart zu, dass einige von ihnen gefühllos zu werden begannen; Banks’ Diener Briscoe wurde so krank, dass man glaubte, er würde sterben. Endlich erreichten sie ihre Lagerstätte, doch brachten sie die Nacht in der fürchterlichsten Gemütsverfassung zu.
Von den zwölf Personen, die in guter Gesundheit aufgebrochen waren, hielt man zwei für tot, ein Dritter war schwer erkrankt, die übrigen litten unbeschreiblich. Man war eine starke Tagesreise vom Schiff entfernt. Der Weg dahin ging durch unbekannte Wälder.
Wie leicht konnte man sich hier verirren! Außerdem war der Proviant aufgezehrt. Dabei diese furchtbare Kälte, die man selbst in Lappland für etwas Unerhörtes halten würde.
Dumpf vor sich hinbrütend wartete jedermann auf den Tagesanbruch Um sechs Uhr des Morgens fasste man Hoffnung. Das Gewölk fing an sich zu zerteilen, und man konnte den Ort sehen, wo die Sonne hervorbrechen wollte. Herr Banks ließ sofort nach den beiden Verunglückten sehen und erhielt die traurige Gewissheit, dass sie gestorben waren. Um acht Uhr stellte sich Tauwetter ein, und da sich die Kranken besser fühlten, so brach die Gesellschaft, nachdem sie einen Geier roh verspeist hatte, um zehn Uhr auf.
Nach einer dreistündigen, beschwerlichen Wanderung sahen sich die Verirrten am Strand und in der Nähe des Schiffes. Sobald sie an Bord waren, wünschten sie einander zu ihrer Rettung Glück; ich selbst hatte wegen ihres Ausbleibens große Angst ausgestanden und nahm daher freudigen Herzens an dem allgemeinen Jubel teil.
Abb. 3: Feuerländer Indianer in ihrer Hütte (nach einem alten Stich).
Um 20. Dezember suchte Herr Banks in Begleitung des Doktors das Dorf einiger feuerländischer Familien auf, das sich nach dem Bericht unserer Leute etwa zwei Meilen landeinwärts befinden sollte. Als sie sich dem Dorf näherten, kamen ihnen zwei Feuerländer im Sonntagsstaat entgegen und begrüßten sie mit lautem Freudengeschrei. Dann geleiteten die Feuerländer ihre vornehmen Gäste in das Dorf, das auf einem waldigen Hügel aufgebaut war und etwa aus fünfzehn äußerst primitiven Hütten bestand, die die Gestalt großer Bienenkörbe hatten. Von Hausgeräten war hier nichts zu sehen. Eine Rasenbank vertrat die Stelle eines Bettes und der Stühle, die Blase irgendeines Tieres diente als Wasserbehälter, ein Handkorb und ein Ranzen bildeten den ganzen Reichtum dieser Leute. Der ganze Stamm, Männer und Weiber, Jung und Alt, zählte kaum fünfzig Personen. Ihre Hautfarbe war eisenrostartig. Die Männer sind bis zu 5 Fuß 10 Zoll groß und in Bewegung und Haltung vierschrötig, die Weiber sind bedeutend kleiner. Die Kleidung besteht aus dem Fell eines Seehunds oder eines Guanicoes, das...