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Mit meinen Hunden

6000 Kilometer durch Sibirien, China und die Mongolei

AutorNicolas Vanier
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783492971836
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Nicolas Vanier erfüllt sich einen Kindheitstraum: Mit seinem Hundegespann bricht er von der russischen Pazifikküste zu einer 6000 Kilometer langen Reise auf, die ihn in 85 Tagen durch Sibirien, China, die Mongolei und schließlich zum Baikalsee führt. Der Abenteurer berichtet von gefährlichen Zwischenfällen sowie von freundlichen Begegnungen mit mongolischen Reitern und vom täglichen Kampf gegen Eis, Schnee und Kälte. Mit ansteckender Leidenschaft schildert er die Faszination der Wildnis und lässt uns teilhaben an der engen Verbindung zu seinen Schlittenhunden, die treu zu ihm halten und auf die in jeder Situation Verlass ist.

Nicolas Vanier, 1962 im Senegal geboren, ist wie sein Vorbild Jack London Abenteurer und Schriftsteller zugleich. Als Erster überwand er nur mit dem Hundeschlitten eine 8 600 Kilometer lange Strecke durch Alaska und Kanada. Für ein Jahr zog er mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter in die Wildnis der Rocky Mountains, dokumentiert in dem Bestseller »Das Schneekind«. Zwischen seinen Expeditionen lebt Nicolas Vanier als Züchter von Schlittenhunden mit seiner Familie in der Sologne. Bei Malik erschien zuletzt »Mit meinen Hunden«.

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Leseprobe

1 AUFBRUCH AN DER PAZIFIKKÜSTE


»Bleibt ruhig, meine Hunde, gleich geht’s los!«

Es sind zehn. Sie sind paarweise angeschirrt, bewegen sich unruhig, bellen, drücken auf alle mögliche Art und Weise ihre Ungeduld aus, endlich aufzubrechen. Sie wissen, dass es jetzt nicht um ein weiteres Training geht. Sie spüren es. Sie sehen es.

Neben dem ungewohnten Gewicht des Schlittens ist es meine eigene Erregung, die die Hunde besser als sonst jemand spüren. Und diese Versammlung von etwa dreißig Personen, die unseren Aufbruch miterleben wollen, denn in diesem kleinen sibirischen Dorf Datta, das verlassen am Pazifischen Ozean liegt, ist selten etwas los.

Alle Zeichen deuten darauf hin: Etwas Ungewöhnliches ist im Gange.

Die Hunde sind dermaßen aufgeregt, dass einige, wie zum Beispiel Dark und Wolf, in die Leinen beißen, um sich von den Fesseln, die sie zurückhalten, zu befreien. Sie können es nicht mehr erwarten.

»Dark! Wolf!«

Ertappt betrachten mich die zwei schlauen Burschen, als wollten sie sagen: »Ist ja gut! Wir bleiben ja stehen, aber wann geht’s endlich los?«

Ich streichle sie und versuche, ihre Erregtheit zu dämpfen. Vergeblich ... Ich weiß genau, wenn sie erst mal angeschirrt und bereit sind, kann nur noch der Startbefehl sie beruhigen. Dann haben sie nur eines im Sinn: laufen.

Ich gehe das Gespann entlang, bis ich bei Burka, der Leithündin, angelangt bin: Sie ist die Einzige, die etwas Zurückhaltung an den Tag legt und nicht in die Luft springt. Sie beobachtet mich, studiert mein Verhalten, taxiert mich. Sie verfolgt aufmerksam jede meiner Gesten, deren Bedeutungen sie kennt. Sie weiß, solange ich meine Position hinter dem Schlitten nicht eingenommen habe, passiert gar nichts. Gerne würde sie es den anderen erklären, aber sie wollen anscheinend nichts davon wissen, was ihre etwas verdrossene Miene verrät, ein kleines bisschen herablassend, aber trotzdem wohlwollend. Schließlich sind es ja noch unreife Burschen!

Geradezu andächtig betrachte ich den Pazifischen Ozean, um mir für immer dieses symbolische Bild einzuprägen, den Ausgangspunkt dieses etwas verrückten Projekts, das ich erfolgreich in die Wege geleitet habe: diese wilde Odyssee vom größten Ozean bis zum größten See der Welt, 6000 Kilometer durch Sibirien, die Mandschurei, Nordchina und die Mongolei.

»Liebe Burka, ahnst du, was da auf uns zukommt?«

Sie sieht mich mit einem Blick voller Liebe an, als wolle sie mir sagen, dass sie mir vertraue, auch wenn sie nicht genau verstehe, was ich sage, und dass sie dorthin laufen werde, wohin immer ich will.

»Ich zähle auf dich, meine Schöne. Ich werde verdammt angewiesen sein auf dich.«

Ich umarme sie. Sie zwinkert vor Vergnügen mit den Augen. Neben ihr steht die eifersüchtige Quest, die ich mit ihr zusammengespannt habe, und versucht, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich komme mit meinem Gesicht ganz nah an ihre Nase und flüstere ihr behutsam zu: »Ich verlasse mich auch auf dich, meine liebe Quest.«

Ich tätschele sie liebevoll, was sie kokett entgegennimmt; dabei bewegt sie ihr Hinterteil hin und her, wie nur sie es kann. Ich gehe das Gespann ab, bis ich bei den beiden Brüdern Happy und Kali bin, den jüngsten Mitgliedern in meiner Rasselbande.

Dann kommt Kamik, der Prügelknabe der Meute, den ich mit Kazan zusammengeschirrt habe, ebenfalls ein treuer Hund, der es kaum noch aushalten kann und vor Ungeduld mehr seufzt als bellt.

Es folgt Unik, das Arbeitstier, der mit Miwook ein Paar bildet, auch er ein unermüdlicher Läufer, dessen Statur an einen Marathonläufer erinnert.

Je mehr ich mich dem Schlitten nähere, desto hysterischer reagieren die Hunde, genau wie Dark, der es kaum noch aushält und vor Aufregung ein Geheul anstimmt. Auch Wolf, der Leithund, ist nicht mehr zu halten und vollführt beeindruckende Vorwärtssprünge, um den Schlitten in Bewegung zu setzen. Aber der wird solide von einem Schneeanker festgehalten, der mit einer Leine mit dem Schlitten verbunden ist (siehe Anhang). Aber auch wenn sie noch so stabil ist, wird diese Leine schließlich reißen, wenn ich nicht bald das Signal zum Aufbruch gebe. Und beim Start werde ich nicht einen Schlitten zu kontrollieren haben, sondern eine Rakete.

Die ersten Kilometer werden über ein schwieriges Gelände voller Hindernisse führen: Felsen, verdorrte Baumstämme und Eis. Das wird nicht einfach. Um vom Ozean wegzukommen, habe ich nichts Besseres als dieses chaotische Gelände gefunden. Ich bedauere es jetzt, aber es ist zu spät ... Schließlich werde ich auf den 6000 Kilometern zum Baikalsee noch mit ganz anderen Hindernissen rechnen müssen.

Ist das schon eine Vorahnung?

Als ich Platz nehme, die beiden Füße fest auf die Kufen des Schlittens gestemmt, dreht sich lediglich Burka um und wartet auf meinen Befehl. Die Hunde hämmern in einer Art Massenhysterie mit ihren Pfoten auf den gefrorenen Boden ein. Mein Herzschlag beschleunigt sich ruckartig und vermischt sich im rhythmischen Einklang mit dem Getrampel der Hunde, das in meinen Schläfen dröhnt. Ein Gefühl, das immer stärker wird, noch intensiviert durch den Stress, den ein solcher Aufbruch immer mit sich bringt.

Ich ziehe an der Zugleine und rufe aufmunternd: »Los, meine Hunde! Los geht’s!«

Als ich diese Worte ausspreche, höre ich in meiner Stimme deutlich wahrnehmbar diese seltsame Mischung aus Erregung, Glücksgefühl und Angst ... Ich weiß, es wird ein harter Tag werden, zumindest der erste Teil.

Die Hunde gehen ab wie Geschosse. Nur am Rande vernehme ich die fröhlichen Rufe der kleinen Zuschauergruppe, die unseren Start verfolgt. Geschmeidig und leicht gebeugt, einen Fuß auf der Bremse, um das Vorderteil meines Schlittens zu lenken, konzentriere ich mich auf eine erste Kurve, der gleich eine zweite folgt. Nur knapp kann ich einem großen Baumstumpf ausweichen, als wir auf eine Piste wechseln, die von vereisten Steinen ramponiert ist. Burka beherrscht die Richtungsbefehle perfekt: »djee«, um nach rechts zu schwenken, und »yap«, um nach links zu laufen.

»Djee! Ja, das ist gut, Burka. Und jetzt yap!«

Burka führt meinen Befehl mit Bravour aus, ist sich gewiss der Gefährlichkeit dieser Stelle bewusst. Wir behalten ein schnelles Tempo bei; es gelingt mir nicht, das Gespann zu verlangsamen, weil meine Bremse in dieser eisglatten Schneeschicht nicht richtig greift. Der Schlitten dreht sich über eine Kufe, gerät auf dem Eis ins Schleudern und stößt in dem Augenblick gegen einen Stein, als die Hunde eine weitere Kurve in Angriff nehmen, wodurch wie durch ein Wunder mein Gleichgewicht wiederhergestellt wird und ich gerade noch einen bösen Sturz vermeiden kann.

Ich meistere noch zwei etwas enge Biegungen und kann endlich durchatmen, da wir auf eine lange gerade, leicht ansteigende Piste geraten, die die Hunde so leichtfüßig meistern, als handele es sich um einen abschüssigen Hang. Sie rennen erst wieder langsamer, als wir das blanke Eis des Flusses Tumnin vor uns sehen, auf dem wir nun über zwanzig Kilometer dahingleiten werden, bevor wir unsere Fahrt in Richtung Berge fortsetzen.

Ursprünglich plante ich, eine längere Strecke auf dem gefrorenen Flussbett zurückzulegen, aber bei der unvorhersehbar geringen Kälte in diesem Ausnahmewinter 2013/2014 würde das Weiterfahren auf diesem Fluss, wie auf vielen anderen, äußerst gefährlich werden. Es wäre geradezu selbstmörderisch, auf einer nur leicht gefrorenen Oberfläche mit eisfreien Bereichen oder auf einer zu dünnen Eisschicht zu fahren.

Es steht also außer Frage, dem Flussbett des Tumnin nur über die vorgesehenen ersten zwanzig Kilometer zu folgen, die von einem Pistenmacher gespurt sind. Er hat hier die Abschnitte ausfindig gemacht, in denen wegen geringer Strömung das Eis eine dickere Schicht bildet. Dieser Fluss fließt nämlich sanft bis zur Mündung, einem Bereich, den ich sorgfältig vermieden habe, denn das Eis ist dort eine Mischung aus Süß- und Salzwasser und voller Tücken. Es ist besser, sich auf festem Boden zu bewegen, selbst bei einer unebenen Piste.

Das blanke Eis wechselt mit Abschnitten ab, wo eine ganz dünne Schneeschicht diesen bläulichen Spiegel überdeckt. Die Hunde fühlen sich auf dieser rutschigen Oberfläche nicht wohl. Sie drosseln ihren Rhythmus, beschleunigen ihn aber erneut, wenn sie wieder etwas Haftung finden.

Ich bin genauso beunruhigt wie sie und werfe häufig einen Blick auf diese dünne Eisschicht, auf der wir uns halten – zumindest im Augenblick. Ich hasse es, einen so zweifelhaften Sicherheitsspielraum zu haben, denn wir sind schwer beladen mit über hundert Kilo Ausrüstung auf dem Schlitten. Hinzu kommt mein Gewicht, ungefähr neunzig Kilo, wovon allein die Kleidung fünfzehn Kilo wiegt.

Die Hunde spüren diese Unsicherheit und gehorchen widerwillig, versuchen ständig, zum Ufer zu drängen, das jedoch von Vegetation überwuchert ist. Je mehr wir uns den Uferböschungen nähern, desto deutlicher steigt das Risiko, in eisfreie Zonen zu gelangen, da die Strömung hier häufig stärker ist. Das Eis, das sich an diesen Stellen erst später gebildet hat, ist entsprechend brüchiger.

»Neiiin, Burka! Djee! Djee!«

Sie sträubt sich, auf dieser Piste zu laufen, die wir immer wieder verlieren, insbesondere in den vereisten Bereichen, wo das Schneemobil des Pistenspurers keinerlei Fährten hinterlassen hat. Auch die anderen Hunde kommen ins Rutschen und versuchen, den Schlitten in eine andere Richtung zu lenken, würden ihn am liebsten auf festen Boden ziehen.

Zu dieser allgemeinen...

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