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Von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Betroffene Frauen als Klientinnen sozialer Arbeit

Betroffene Frauen als Klientinnen sozialer Arbeit

AutorJessica Bangisa
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl96 Seiten
ISBN9783638368117
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,7, Fachhochschule Braunschweig / Wolfenbüttel; Standort Wolfenbüttel (Fachbereich Sozialwesen), 44 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Migration und Zuwanderung nach Deutschland sind Thematiken, die in den Medien, auf politischer Ebene und in der Fachliteratur seit jahrzehnten stark kontrovers diskutiert werden. Seit der Anwerbung von Gastarbeitern in den 1950er Jahren und dem damit zusammenhängenden Zuzug von Familienangehörigen ist die Zahl der Ausländer bis in die 1990er Jahre stark angestiegen. Als politische Konsequenz wurden in der Folge die Ausländergesetze und Einwanderungsbestimmungen immer restriktiver. Daraus resultierte eine verstärkte illegale Einwanderung. Einen Teilbereich dieser irregulären Migration stellt der Frauenhandel dar, bei dem Frauen aus wirtschaftlich benachteiligten Ländern mit Hilfe von Schleppern nach Deutschland migrieren. Dieser Problematik wird gerade in den letzten Jahren auf internationaler Ebene vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt, vor allem angesichts der Tatsache, dass der Zustrom von betroffenen Frauen kontinuierlich zunimmt. Aufgrund der Aktualität und Brisanz der Thematik schreibe ich meine Diplomarbeit über von Menschenhandel betroffene Frauen als Klientinnen sozialer Arbeit. Meiner Arbeit liegen folgende Fragestellungen zugrunde: Wie stellt sich das Phänomen Frauenhandel insgesamt dar? Wie wird Frauenhandel gesetzlich reglementiert und strafrechtlich verfolgt? Wie stellt sich die Lebenssituation der betroffenen Frauen in Deutschland dar, hinsichtlich der Arbeitssituation sowie der gesundheitlichen und sozialen Situation? Welche Gegenmaßnahmen finden auf politischer und polizeilicher Ebene statt? Wo kann/soll soziale Arbeit ansetzen, um die betroffenen Frauen zu unterstützen? Ziel der Arbeit ist es, anhand der aufgestellten Fragestellungen, einen Gesamtüberblick über das Phänomen Frauenhandel zu vermitteln. Ich möchte herauskristallisieren, wo die Ursachen von Frauenhandel liegen und daraus Ansatzpunkte für Gegenstrategien herleiten. Dabei möchte ich auch darlegen, wo ich die Aufgabenbereiche der sozialen Arbeit mit dem Klientel der Menschenhandelsopfer sehe.

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4. Hintergründe von Migration und Frauenhandel


 

In diesen Abschnitt betrachte ich die Migration von Frauen und den Zusammenhang von Migration und Frauenhandel und welche Faktoren Frauenhandel bedingen und auslösen. Ich vollziehe hierbei auch den Unterschied zwischen Frauen, die Opfer von Frauenhandel geworden sind, und Frauen die sich weitgehend selbstbestimmt für die Migration entschieden haben.

 

Migration wird definiert als “der auf Dauer angelegte bzw. dauerhaft werdende `freiwillige´ Wechsel in eine andere Gesellschaft bzw. in eine andere Region von einzelnen oder mehreren Menschen“[27]. Es wird weiter differenziert zwischen Binnenmigration und grenzüberschreitender/ internationaler Migration, zwischen temporärer und permanenter Migration, zwischen freiwilliger und Zwangsmigration und zwischen Einzel- und Gruppenmigration. Unter Zwangsmigration werden “all jene Migrationsbewegungen gefasst, denen ein eingeschränkter Handlungsspielraum, d.h. mangelnde Freiwilligkeit in bezug auf zu realisierende Alternativen zur Zwangssituation zugrunde liegen“[28].  Zu dieser letztes Gruppe gehören die von Frauenhandel betroffenen Frauen.

 

4.1 Frauen und Migration


 

„Die Migration der Frauen war bis zum Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts kaum ein Forschungsthema der Migrationssoziologie“[29]. Sie erfährt erst zu Beginn der 80er Jahre zunehmende fachliche Aufmerksamkeit und blickt damit auf eine knapp 25jährige Forschungsgeschichte zurück.

 

„Die empirischen Daten weisen darauf hin, dass die Migration der Frauen weltweit sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart durch eine komplizierte Mischung von Ursachen ausgelöst wird, die ihren Ursprung sowohl in den gesellschaftlichen herrschenden kulturellen Geschlechtsrollenvorstellungen als auch in den wirtschaftlichen Notsituationen der Herkunftsfamilien der Frauen haben[30]“.

 

Die soziale und wirtschaftliche Situation der Migrantinnen wird in den Aufnahmeländer ebenfalls weitgehend durch das Geschlecht bestimmt. Ihre Beschäftigungsmöglichkeiten sind aufgrund der geschlechtlichen Segregation auf dem Arbeitsmarkt eindeutig auf wenige Bereiche der Wirtschaft begrenzt. Sie werden zum großen Teil in Bereichen des informellen Dienstleistungssektors eingesetzt, der keine besonderen Qualifikationen voraussetzt. Der damit verbundene Nachteil besteht in der wesentlich niedrigeren außertariflichen Entlohnung der Arbeit sowie einem weitgehend fehlenden Rechtsschutz. Dies sind entscheidende Gründe dafür, warum die Frauen so leicht und häufig im Aufnahmekontext sozial und wirtschaftlich diskriminiert, ausgebeutet und missbraucht werden können.[31]

 

Die Migration von Frauen findet entweder in abhängiger oder in unabhängiger Form statt. Die abhängige Migration von Frauen findet dann statt, wenn sie entweder als Ehefrauen oder als unmittelbare Familienangehörige ihren bereits im fremden Ort bzw. Ausland befindlichen Ehemännern bzw. Familien nachfolgen. Diese Form der Migration wird von fast allen Aufnahmeländern im Rahmen der gesetzlich geregelten Familienzusammenführung erlaubt. Hier stellt die Migration für die nachfolgenden Familienangehörigen keinen Selbstzweck dar, sie wird daher als sekundäre Migration bezeichnet. Dagegen ist mit der unabhängigen bzw. primären Migration, die selbständige und unabhängig von ihrer Familie migrierende Frau gemeint, die primär ihre individuellen Ziele verfolgt. In der Vergangenheit hat die Frauenmigration hauptsächlich in abhängiger Form stattgefunden, sie war die dominantere und traditionellere Migrationsform. [32]

 

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es aufgrund von grundlegenden Veränderungen der Weltwirtschaft zu einer quantitativen Steigerung der weltweiten Nachfrage nach Frauenarbeitskräften, dies führte zu einer kontinuierlichen Zunahme von unabhängigen Arbeitsmigration von Frauen.[33] Frauen stellten begehrte Arbeitskräfte dar, weil sie flexibel einsetzbar und bereit waren, Teilzeitarbeit anzunehmen, die im Gegensatz zur Vollbeschäftigung keine volle soziale Absicherung gewährte.[34] Die Expansion des Dienstleistungssektors in den Industrieländern war im wesentlichen eine Expansion der Erwerbsbeteiligung der Frauen. Unmittelbare Folge dieser Entwicklung war die steigende Nachfrage nach billigen und geringqualifizierten Frauenarbeitskräften aus dem Ausland, für die Arbeiten im öffentlichen und privaten Dienstleistungsbereich. Diese Entwicklung führte zur Einführung des Begriffs der Feminisierung der Migration, worunter verstanden wird, dass „der Anteil der Frauen, die abhängig oder unabhängig die Migration antreten, insgesamt so kontinuierlich steigt, dass er sich dem Anteil der Männer allmählich angleicht bzw. diesen sogar übersteigt“[35].

 

Der Frauenanteil an den Zuwanderern in der Bundesrepublik lag 1974 bei 38,7%. Dieser deutlich geringere Anteil steigt durch die Familienzusammenführung der in Deutschland verbliebenen Arbeitsmigranten ab 1976 bis 1999 kontinuierlich an und erreicht 1999 mit 45,3% seinen bisherigen Höchststand. Der Anteil der Frauen an den Ausländern in Deutschland hat sich in den letzten 25 Jahren mehr als verdoppelt. Er liegt zwar insgesamt fast 4,5% niedriger als der Männeranteil, es befindet sich aber eindeutig in einem stetige Angleichungsprozess, der auch in allen europäischen Nachbarländern zu beobachten ist. Damit wird deutlich, dass fast die Hälfte der 7,4 Mio. Ausländern in Deutschland Frauen sind.[36] Der Durchschnittswert des Frauenanteils an der Migration der Welt beträgt 48,1 %.[37]

 

4.2 Migration und Frauenhandel


 

„Menschenhandel entsteht  mit spezifischen strukturellen Bedingungen, wie Globalisierungs- und Migrationstendenzen, internationalen sozioökonomischen Ungleichgewichten und der weltweiten Feminisierung von Armut. Denn in erster Linie sind Frauen aus wirtschaftlich unterprivilegierten Staaten von Menschenhandel betroffen“[38].  Grundsätzlich können Männer  ebenso wie Frauen von Menschenhandel betroffen sein. Schließt man den Kinderhandel aus, so werden jedoch fast ausschließlich Frauen Opfer. „Frauen, die Opfer von Menschenhandel sind, sind Teil der großen Migrationsbewegungen, die sich nach dem internationalen ökonomischen Machtgefälle zwischen den reichen Industriestaaten und den sogenannten Entwicklungs- oder Schwellenländern abzeichnen. Wanderbewegungen vom Süden in den Norden, vom Osten in den Westen, von den wirtschaftlich unterprivilegierten Ländern in die Staaten des ökonomischen Reichtums und der sozialen Sicherheit nehmen stark zu“[39].

 

Von Menschenhandel ist zu sprechen, wenn Personen unter Anwendung von Gewalt, Zwang oder Täuschungsmanövern ihres sexuellen Selbstbestimmungsrechtes beraubt werden. „Menschenhandel geht einher mit Machtmissbrauch und der Ausnutzung von Notlagen und Unerfahrenheit der Opfer“[40]. Anders als der Großteil der in den 1980er Jahren nach Deutschland gehandelten Frauen aus Ostasien, die unter falschen Versprechungen hierher gelockt und dann der Prostitution zugeführt wurden, wissen die Frauen aus den mittel- und osteuropäischen Staaten[41] heute häufig, dass sie in der Sexindustrie arbeiten werden.[42]

 

„Schmuggel/Menschenhandel werden neben dem Handel mit Drogen und Waffen sowie der Geldwäsche zur drittgrößten Profitquelle für die international agierenden kriminellen Syndikate gezählt, die insgesamt einen geschätzten Jahresumsatz von 6 Mrd. US-Dollar haben sollen[43].

 

Die Forschungsberichte[44] weisen daraufhin, dass der Handel mit Frauen zur sexuellen Ausbeutung seit den 1960er Jahren kontinuierlich zunimmt. Er entwickelte sich zuerst in einigen asiatischen Ländern und findet seine sukzessive Verbreitung in Europa, in den USA und in anderen Regionen der Welt. Bei näherer Betrachtung ist nicht zu übersehen, dass seine Verbreitung im engen Zusammenhang mit den unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der einzelnen Regionen steht.[45] (Dazu näher in Kapitel 6.: Situation der Frauen in den Herkunftsländern)

 

4.3 Auslösende und aufrechterhaltende Bedingungen für den heutigen Frauenhandel in Europa


 

Die Migrationsforscher unterscheiden zwischen Schub- und Sogfaktoren von Migration. “Schubfaktoren, sind Faktoren, die Menschen dazu bewegen oder dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen, Bedingungen am Heimatort, die als unerträglich erfahren oder als bedrohlich empfunden werden“[46]. Sogfaktoren dagegen entstehen in Zielländern, indem sie etwas anbieten, was auf Angehörige  anderer Staaten anziehend wirkt.

 

Zu den Schubfaktoren gehören u.a. die wachsende strukturelle Ungleichheit im wirtschaftlichen Bereich zwischen Ländern der sog. „Dritten...

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