2. Theorien der Metapher
Wie kaum ein anderes Phänomen der sprachlichen Semantik ist die Metapher das Objekt linguistischer Klassifizierungsversuche, wobei die Traditionen ihrer metasprachlichen Schilderung bis in die antike Rhetorik zurückreichen, die Antike folglich immer wieder Ausgangspunkt einer Theoriegeschichte der Metapher darstellt.
„Anders als man Forschungsberichten und Überblickswerken glauben könnte, gibt es keine einheitliche Metaphernforschung und eine Theorie der Metapher nur als Sammelnamen konkurrierender Ansätze,…“ (Haverkamp 1996: 2). Diese Vielzahl von Theorien macht die Arbeit mit dem Gegenstand der Metapher nicht einfacher.
Ich möchte mit dieser Arbeit keine neue Theorie aufstellen, doch erscheint es durchaus sinnvoll, als Teil eines Beitrags zur kontrastiven Metaphorik Grundlinien unterschiedlicher Metaphernverständnisse dahingehend zu betrachten, welches deskriptive Modell am besten geeignet ist, in allen miteinander kontrastierten Sprachen und Texten die kommunikativen Leistungen wie die semantischen Paradigmen der Metapher so zu beschreiben, dass sie als Vergleichsparameter im Sprachenvergleich tauglich sind. „Gerade innerhalb der anwendungsorientierten Linguistik entfällt das Kriterium der 'Wahrheit' eines wissenschaftlichen Modells zugunsten dessen seiner methodologischen Adäquatheit“ (Osthus 2000: 75). Es geht also in dem folgenden Kapitel nicht darum, die Denkmodelle zu Metaphern auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Die anschließende Darstellung soll vielmehr Aufschluss darüber geben, welches Modell für die Untersuchung meines Gegenstands geeignet ist.
Trotz der enormen Anzahl an Beiträgen zur Metapherntheorie lassen sich im Rahmen eines knappen Überblicks zur theoriegeschichtlichen Betrachtung grundsätzlich übersichtliche Typologisierungen der verschiedenen theoretischen Ansätze vornehmen. Prinzipiell kann zwischen solchen Ansätzen unterschieden werden, die der antiken Tradition entstammen, und solchen, die im Rahmen einer modernen Linguistik entstanden sind.
Eine sinnvolle Typologisierung von Metapherntheorien kann sich daher auf die Kriterien des Entstehungszeitraums wie des übergeordneten wissenschaftlichen Paradigmas stützen. So erscheint es mir sinnvoll, nacheinander einen knappen Überblick über Metaphernverständnisse der antiken Rhetorik, der linguistischen Semantik wie der kognitiven Linguistik zu bieten. Dabei wird es sowohl um eine Eingrenzung des Begriffs der Metapher gehen, als auch um den jeweiligen seitens der unterschiedlichen Ansätze postulierten Status des metaphorischen Sprechens innerhalb der Kommunikation.
2.1 Metaphernverständnis der antiken Rhetorik
Am Anfang der Metapherntheorie steht Aristoteles. So verzichtet kaum einer der neueren Versuche, die Metapher theoretisch zu beschreiben oder funktional zu bestimmen, darauf, die jeweiligen über die Metapher erstellten Postulate in Bezug zum aristotelischen Metaphernbegriff zu setzen.
Aristoteles liefert einen doppelten Ansatz der Metaphernkunde. Neben einer Beschreibung des sprachlichen Mechanismus der Metapher, vor allem in der Poetik, stehen literarische und rhetorische Empfehlungen zum stilistisch gelungenen Gebrauch der Metapher innerhalb seiner Rhetorik. Die Metapher wird von Aristoteles als ein analogischer Übertragungsprozess der Beziehungen eines Gegenstandes auf einen anderen Gegenstand verstanden:
„La métaphore est le transfert à une chose du nom d’une autre chose, transfert du genre à l’espèce, ou de l’espèce au genre, ou d’une espèce à une autre, par voie d’analogie“ (Aristoteles ed. 1944: 483, zitiert in Osthus 2000: 77). Jede Metapher kann dieser Konzeption zufolge beschrieben werden als Substitution eines nicht-metaphorischen Ausdrucks durch einen übertragenen Terminus, wobei Aristoteles die Metapher als Wortmetapher versteht, die allerdings potentiell Substantive, Adjektive und Verben in sich einschließen kann. Grundlage einer jeden Wortübertragung ist der bereits vorhandene analogische Bezug zwischen Substitut und Substituenten. Ein Paradebeispiel einer solchen, metaphorisch nutzbaren Analogie ist das Verhältnis zwischen Lebensalter und Tageszeit.
Ohne dass Aristoteles Bedingungen für das Vorhandensein der Analogie nennt – er setzt recht vereinfachend die Analogie bei Vorhandensein eines metaphorischen Ausdrucks schlicht voraus, - ist das skizzierte Verständnis von Analogie zwischen zwei Sachverhalten ein symmetrisches. Die metaphorische Substitution ist daher grundsätzlich als bidirektionaler Prozess denkbar, wenngleich sie nicht immer auch zweiseitig durchgeführt wird (vgl. Aristoteles 1961).
Eng verbunden mit der Vorstellung der Substituierbarkeit eines metaphorisch verwendeten Wortes durch einen nicht-metaphorischen Ausdruck ist die Vorstellung der Metapher als Vergleichsrelation miteinander verwandter Gegenstände. Das Verständnis der Metapher ist laut Aristoteles dasselbe wie das des Vergleichs. Beide Figuren gingen aus einer Übertragung von in vorhandenen analogischen Bezug stehenden Wörtern hervor:
L’image est également une métaphore, il n’y a entre elles qu’une légère différence. Lorsque Homère dit d’Achille “qu’il s’élança comme un lion”, c’est une image; mais quand il dit: “Ce lion s’élança”, c’est une métaphore. Comme le lion et le héros sont tous deux courageux, par une transposition Homère a qualifié Achile de lion (Aristote ed. 1944: 325, zitiert in Osthus 2000: 79).
Hierbei ist für Aristoteles allerdings die Metapher dem Vergleich vorrangig, da sie kürzer und präziser konstruiert sei und somit besser in der Lage sei, Sachverhalte und vorhandene Analogien zu erläutern. Im Sinne einer persuasiven Redestrategie sei die Metapher dem Vergleich, welcher von Aristoteles stärker der Dichtkunst zugeordnet wird, überlegen. Gerade im Bereich der antiken Rhetorik spielte die Metapher eine bedeutende Rolle.
Obwohl in der antiken Rhetorik den Stilfiguren, und hier vor allem die Metapher, ein zentraler Platz zugedacht wird, bleiben die Aussagen zum Funktionieren metaphorischer Kommunikation hinter den wichtigen Einsichten zur grundsätzlichen Bedeutung der Metaphorik zurück. So wird als Metapher in erster Linie die Wortmetapher verstanden. Notwendigerweise führt diese Klassifizierung zu einer vollständigen Vernachlässigung der kontextuellen Dimension metaphorischer Sprache. Außerdem ist die Metapher im aristotelischen Sinne ein durch einen Vergleich substituierbares Phänomen und hat so keinen semantischen Eigenwert. (vgl. Meier 1963: 26 ff.) Diese und andere Kritikpunkte an dem antiken Verständnis von Metapher wurden gerade in den letzten Jahrzehnten aufgegriffen und es entstanden neue Metapherntheorien.
Bei allem Wandel, der im Übergang von „vorlinguistischen“ (Meier 1963: 34) zu modernen Metapherntheorien diagnostiziert werden kann, ist es unbestritten, dass die Vorstellungen zur Metapher sich zu einem bedeutenden Teil aus bereits in der Antike bzw. der Renaissance formulierten Einsichten speisen.
2.2 Die Metapher in der modernen Semantik – Interaktionstheorie
In Abgrenzung zur aristotelischen Substitutions- und Vergleichstheorie der Metapher wird sie in der modernen Semantik häufiger als ein sprachliches Phänomen betrachtet, dessen Leistung gerade darin besteht, Bedeutungen hervorzurufen, welche nicht durch ‚eigentliche Rede’ substituierbar sind, bzw. mittels eines Vergleichs aufgelöst werden könnten. So akzentuiert Richards im Gegensatz zu Vorstellungen, die die Metapher lediglich als Redeschmuck, als interessantere Ausdrucksmöglichkeit eines prinzipiell auch nicht-metaphorisch formulierbaren Inhalts begreifen, den jeweiligen kontextuellen Charakter der metaphorischen Bedeutung:
Auf die einfachste Formulierung gebracht, bringen wir dem Gebrauch einer Metapher zwei unterschiedliche Vorstellungen in einen gegenseitigen aktiven Zusammenhang, unterstützt von einem einzelnen Wort oder einer einzelnen Wendung, deren Bedeutung das Resultat der Interaktion beider ist (Richards 1996: 34).
Die Metapher ist folglich kein Phänomen semantischer Normabweichung, sondern sie gehorcht dem Prinzip der grundsätzlichen Kontextbedingtheit sprachlicher Bedeutungen. Sie charakterisiert sich hierbei durch ihre Zweigliedrigkeit. Terminologisch beschreibt Richards diese Polarität der Metapher mithilfe der Dichotomie von tenor und vehicle, wobei unter tenor der nicht-metaphorische ´Hauptgegenstand´ des Diskurses und unter vehicle die aus dem metaphorischen Kontext gelöste Bedeutung der metaphorischen Form verstanden wird[1]. Die Bedeutung einer Metapher ergibt sich folglich nicht aus einer Ausschmückung des tenors, sondern aus einer kontextuellen Kooperation von tenor und vehicle:
[Eine moderne Metapherntheorie müsste zeigen, dass…] das Vehikel normalerweise nicht die bloße Ausschmückung eines von ihm unbeeinträchtigt bleibenden Tenors ist, sondern dass die Kooperation von Tenor und Vehikel eine Bedeutung von vielfältigerer Ausdruckskraft herstellt, als das, was einem allein zugeschrieben werden könnte (Richards 1996: 40).
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