Meet Sam – überfordert, ausgebrannt, aber »always on«
In diesem Kapitel lernen Sie Sam kennen – eine typische Führungskraft, die vieles erlebt, was auch Sie wahrscheinlich kennen. Seine Entwicklung zeigt, woran wir in unserem Arbeitsalltag immer wieder scheitern und wie wir das ändern können. Dabei hilft es Sam, sein Gehirn etwas besser zu verstehen, um es optimal einzusetzen. Er erfährt, wie Achtsamkeit ihn dabei unterstützen kann, einen konstruktiven Umgang mit Stress und den Herausforderungen eines digitalisierten Alltags zu finden. Für mehr Gelassenheit, Resilienz, Leistungsfähigkeit und Innovationskraft.
Dürfen wir vorstellen: Das ist Sam
Sam ist im mittleren Management eines großen Unternehmens tätig und leitet ein eigenes Team mit mehreren Mitarbeitern. Er wird Sie durch dieses Buch begleiten, denn wir sind uns sicher: Viele seiner Herausforderungen und Nöte sind auch Ihnen vertraut. Egal, ob Sie gerade Führungsverantwortung haben oder (noch) nicht.
Am Beispiel von Sam möchten wir Ihnen auch zeigen, dass und wie Veränderung möglich ist. Wir können inmitten eines stressigen, überfordernden Alltags Gelassenheit und Stabilität entwickeln. Wir freuen uns, wenn die Geschichte von Sams Entwicklung Sie ermutigt und Sie sich neue, hilfreiche Perspektiven daraus mitnehmen können.
Immer erreichbar, aber der Akku ist fast leer
Sam ist ein Mitarbeiter, wie man ihn sich wünscht: begeisterungsfähig, loyal, ehrgeizig und kreativ. Er verfügt über eine fundierte Ausbildung und einige Jahre Erfahrung in seinem Beruf und im Unternehmen. Er bildet sich regelmäßig weiter und ist motiviert, seine Aufgaben als Führungskraft so gut wie möglich zu erfüllen. Sam liebt seinen Job – eigentlich.
In letzter Zeit geht er nicht mehr ganz so gerne ins Büro. Wenn morgens der Wecker klingelt, dann fühlt er sich immer häufiger erschöpft. Mehrmals pro Woche schläft er weniger als sechs Stunden, weil ihn auch nachts Projekte und Probleme beschäftigen. Aber weil das für ihn zu einem Leben als »High Performer« dazugehört, ist er auch ein bisschen stolz, dass er mit so wenig Schlaf auskommt.
Getrieben von der To-do-Liste
Es ist Montagmorgen – 7:00 Uhr. Noch im Bett greift Sam ganz automatisch nach seinem Smartphone, um erst einmal seine Mails und WhatsApps zu checken. Sein Lebenselixier, genannt Adrenalin, beginnt zu fließen. Je mehr unbeantwortete Nachrichten auf ihn lauern, desto höher ist sein Puls bereits beim Aufstehen. Das gibt ihm den nötigen Kick, um in den Tag zu starten. Doch bevor der richtig begonnen hat, beschleicht ihn schon das Gefühl, dass er seiner To-do-Liste bedrohlich hinterherhinkt.
Das Familienfrühstück lässt Sam meist aus. Er liebt seine Frau und seine Kinder, aber Zeit für Verbundenheit bleibt im Moment wenig, weshalb er manchmal ein schlechtes Gewissen hat. Doch eigentlich nimmt er ja all das für seine Lieben auf sich. Er möchte, dass sie es gut haben. Also trinkt er nur schnell im Stehen einen Kaffee und blättert dabei die Tageszeitung durch. Dann verlässt er zügig das Haus, um wenigstens ein paar Minuten vor den Kollegen im Büro zu sein und ein paar Dinge erledigen zu können, bevor der tägliche E-Mail- und Telefon-Sturm aufzieht. Auf der Fahrt fällt ihm noch ein, was er unbedingt in die Vorstandspräsentation integrieren muss. Das darf er auf keinen Fall vergessen.
Kreativ auf Knopfdruck?
Mit noch mehr Kaffee versucht Sam seine in letzter Zeit mangelhafte Konzentrationsfähigkeit etwas zu pushen. Eigentlich sollte er gerade absolut fokussiert und produktiv sein: Die Deadline für das neue Projekt ist schon nächste Woche. Bei dem Gedanken verkrampft sich wieder seine Bauchdecke: Wie soll er seinem Vorgesetzten die nachdrücklich geforderte innovative Lösung anbieten, wenn er kaum Zeit findet, um auch nur zehn Minuten in Ruhe nachzudenken? Und was, wenn man seine kreativen Vorschläge für Veränderungen doch nur wieder abweist mit der Phrase »So haben wir das doch schon immer gemacht«? Ist die Zeit nicht ohnehin schon viel zu knapp, um das Projekt termingerecht abzuschließen?
Zunächst beschließt Sam jedoch, seine E-Mails zu checken. Als er seinen Posteingang öffnet, sieht er, dass über 90 neue Mails auf ihn warten. Er zuckt zusammen und spürt ein Gefühl der Überforderung. Er beginnt die Mails abzuarbeiten, da klingelt das Telefon. Er muss sich schnell um ein Kundenangebot kümmern, das seine Kollegin braucht. Als er um 10:00 Uhr auf die Uhr blickt, merkt er, dass er erst 30 Mails beantwortet hat. Er nimmt sich vor, noch schneller und effizienter zu arbeiten.
Da fällt sein Blick auf den Kalender. In einer Stunde muss er ein Konzept präsentieren. Er versucht, sich einen Überblick über den Tag zu verschaffen. Wie es aussieht, hilft es nichts: Sam muss eben heute wieder länger im Büro bleiben – und mit ihm seine Mitarbeiter, an die er den Druck hinsichtlich der drohenden Deadline weitergibt. Das Motto lautet »Work hard, play hard«!
Alle da, aber keiner wirklich präsent
Doch das Team-Meeting an diesem Tag verläuft wieder einmal nicht nach Wunsch: Während die einen trotzig jammern, liefern sich die anderen heftige Wortgefechte darüber, wer daran schuld ist, dass man nicht schneller vorankommt. Dabei geht es vor allem darum, recht zu haben und den eigenen Standpunkt lautstark zu verteidigen. Gefühle und Befindlichkeiten zu zeigen ist verpönt.
Sam ärgert sich still über die verschwendete Zeit. Er versucht immerhin ein paar wichtige Mails zu beantworten, doch in ihm brodelt es. Ein flapsiger Kommentar eines Kollegen bringt das Fass dann ganz unvermittelt zum Überlaufen: Der zurückgehaltene Ärger bricht aus Sam heraus, und er weist seinen Mitarbeiter scharf zurecht. Er macht deutlich, wer hier das Sagen hat. Danach beendet er das Meeting.
Mal wieder wie im Kindergarten
Durchhalten und weitermachen – koste es, was es wolle
Sam kehrt an seinen Schreibtisch zurück. Eine zündende Idee lässt immer noch auf sich warten. Es stapeln sich immer noch über 50 Mails im Posteingang. Doch er hätte es nicht so weit gebracht, wenn er nicht über eine ganze Menge Durchhaltevermögen verfügen würde. Sam beißt die Zähne zusammen. »Jetzt reiß dich am Riemen!«, sagt er streng zu sich. »Du bleibst so lange hier sitzen, bis du fertig bist!« Er wirft noch eine Tablette gegen die aufziehenden Kopfschmerzen ein und macht weiter.
Nach der Arbeit trifft sich Sam noch mit seinen engsten Vasallen auf ein Bier. Die Konversation ist von belanglosen Witzen und Lästereien über Kollegen geprägt. Am späten Abend fährt er nach Hause und mixt sich dort noch einen Drink zum »Runterkommen«. Er checkt ein letztes Mal für heute seine Mails und geht dann ins Bett.
Es dauert noch lange, bis Sam endlich einschläft, denn kaum versucht er zur Ruhe zu kommen, beginnen die Gedanken in seinem Kopf zu kreisen: Wie lange halte ich das noch durch? Wie sollen wir diese Deadline schaffen? Und könnten die ständigen Magenschmerzen vielleicht doch ein Anzeichen für eine ernsthafte Erkrankung sein?
Reflexionsfragen
Gibt es in dieser Geschichte Elemente oder Muster, die Sie aus Ihrem eigenen Leben kennen? Welche?
Was in Ihrem Leben bereitet Ihnen zurzeit am meisten Sorgen oder Unwohlsein?
Angenommen, Achtsamkeit könnte das Problem lösen oder Ihnen zumindest den Umgang damit deutlich erleichtern: Wären Sie bereit, dafür jeden Tag zehn Minuten zu investieren?
Notieren Sie sich ganz konkret, welches Problem das ist.
Licht und Schatten der Digitalisierung
Kommt Ihnen vielleicht das eine oder andere in Sams Tagesablauf bekannt vor? Dann geht es Ihnen wie ganz vielen anderen Menschen auch. Der Alltag von Führungskräften stellt uns heute vor ganz neue Herausforderungen, für die es teilweise noch keine klar formulierten Lösungen gibt. Neue Technologien haben nicht nur großartige Möglichkeiten, sondern auch Probleme mit sich gebracht, wie zum Beispiel eine konstante Reizüberflutung und die Knechtschaft der permanenten Erreichbarkeit. Die meisten Führungskräfte fühlen sich gestresst und getrieben, viele bereits ausgebrannt. Wir sind noch dabei herauszufinden, wie wir mit der Digitalisierung gesund und konstruktiv umgehen können.
Neue Lösungen verlangen nach neuen Denkweisen
Bereits Albert Einstein wusste: »Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.« Innovative Ansätze, kreative Lösungen werden heute überall in Organisationen gefordert. Zugleich halten aber viele beharrlich an alten Strategien und vermeintlichen Sicherheiten fest. Die Erkenntnis, dass Vertrautes nicht mehr greift, während die neuen Pfade noch nicht ausgetreten sind, löst Unsicherheiten und Ängste aus. Und wer sich nicht sicher fühlt, tut sich schwer, sich für das Neue zuversichtlich zu öffnen. Daraus resultieren nicht nur Spannungen im Inneren der Menschen, sondern auch im Äußeren, quer durch alle Ebenen eines Unternehmens oder einer Organisation.
Aber wir möchten Sie ermutigen: Es gibt Hoffnung! Herausforderungen fordern uns auf, zu...