Einführung
»Ein Biobauernhof auf Usedom bezieht klimaschonende und emissionsfreie Energie, die zu 100 % selbst hergestellt ist. Damit betreibt er Klimaschutz und trägt zur Energiewende bei. Die Solardachanlage des Usedomer Biobauernhofs konnte deshalb finanziert werden, weil u.a. die Greenpeace Stiftung Geld in den festverzinslichen Sparbrief der GLS Bank anlegte und den Verwendungswunsch „regenerative Energien“ vorgab. So konnte die Stiftung ihr Geld nicht nur verzinst anlegen, sondern auch im Sinne ihres Stiftungszwecks wirken lassen.
»In Indien wird der Zugang wirtschaftlich benachteiligter Bevölkerungsschichten zu Mikrofinanzierungen gestärkt. Dadurch soll die Armut reduziert und der Aufbau privaten Vermögens und wirtschaftliches Wachstum erreicht werden. Die Stiftung Brot für die Welt trägt zu diesem Ziel bei, indem sie einen Teil ihres Geldes im FairWorld-Fonds anlegt. Der Fonds investiert unter anderem in die KfW-Mikrofinanzanleihe, die wiederum die indische Förderbank SIDBI finanziert. Die Anleihe mit einer Laufzeit von fünf Jahren wird mit 2 % verzinst und ist mit der höchsten Bonitätsnote bewertet. Der FairWorldFonds ist ein nachhaltiger Investmentfonds, dem soziale, ökologische und entwicklungspolitische Kriterien zugrunde liegen. Die Kriterien wurden von „Brot für die Welt“ und dem SÜDWIND-Institut entwickelt und sollen private und institutionelle Anleger ermutigen, ihr Vermögen ethisch und entwicklungsfördernd anzulegen.
„Wir haben 2011 mit dem schrittweisen Aufbau eines Mission-Investing-Portfolios begonnen. Demnächst sollen 15 % unseres Stiftungsvermögens wirkungsorientiert angelegt werden.“
CARL-AUGUST GRAF V. KOSPOTH
Geschäftsführender Vorstand,
Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG
»In Frankfurt-Bockenheim ist ein gemeinschaftlich genutzter Wohnraum entstanden. Das Haus wird als Gemeinschaftshaushalt von 15 Erwachsenen und sechs Kindern geführt, die sich die unterschiedlichen Aufgaben der Haushaltsführung im Rotationsprinzip teilen. Ermöglicht wurde dies u.a. durch die Bewegungsstiftung, die einen Direktkredit aus ihrem Kapitalstock in Höhe von 60.000 € dem Wohnprojekt zur Verfügung stellte. Die Stiftung fördert sozialen Wandel. Aus den Einnahmen der Vermögensanlage der Stiftung kommen jährlich ca. 160.000 € für Fördermaßnahmen zusammen. Allein durch die Kreditvergabe ist es der Bewegungsstiftung gelungen, ihre zweckbezogene Leistungsfähigkeit um 37,5 %1 zu steigern.
Die Photovoltaikanlage auf Usedom, die Mikrofinanzierung in Indien und der gemeinschaftliche Wohnraum in Frankfurt sind entstanden, weil deutsche Stiftungen ihre Geldanlagen bewusst eingesetzt haben. Vermutlich definiert sich keine der oben genannten Stiftungen als Mitgestalter einer neuen, wirkungsvollen Stiftungspraxis. Dennoch sind die Beispiele eindrucksvoller Beweis dafür, dass sich unter deutschen Stiftungen ein neues Denken hinsichtlich ihrer Geldanlage zu verbreiten beginnt. Mission Investing oder auf Deutsch „zweckbezogenes Investieren“ ist auf dem Vormarsch.
Insgesamt 13 ermutigende Fallbeispiele aus Deutschland werden in dieser Studie vorgestellt. Sie bilden nicht nur die Vorboten einer neuen Entwicklung, sondern sind Teil einer großen Bewegung, die in den letzten zehn Jahren in der internationalen philanthropischen Landschaft zu beobachten ist. Immer mehr Philanthropen möchten ihr Geld wirkungsvoll einsetzen. Darüber hinaus nutzen sie auch ihr Finanzvermögen, um ihre philanthropischen Ziele zu erreichen. Unterstützt wird die Entwicklung durch die Entstehung eines gemeinwohlorientierten Impact-Investment-Marktes, dessen Volumen innerhalb der nächsten zehn Jahre auf 1.000 Mrd. $2 wachsen soll. Dieses Geld soll aktiv in Unternehmen und Projekte investiert werden, die soziale Missstände lösen und Lebensumstände messbar verbessern.
Die Marktentwicklung geht an den Stiftungen nicht spurlos vorbei. Überall in Europa und in Übersee setzen sie verstärkt ihre Geldanlage (neben den Fördermitteln) wirkungsvoll für ihren gemeinnützigen Zweck ein. In den USA betrug der jährliche Zuwachs des Mission-Investing-Marktes zwischen den Jahren 2002 und 2007 16,2 % (1970–2002: 2,9 %).3 Laut einer aktuellen Marktmessung betreibt dort jede siebte Stiftung Mission Investing.4 Es gibt auch Stiftungen, die sich in besonderem Maße engagieren. Die KL Felicitas Foundation will beispielsweise bis Anfang 2013 ihr gesamtes Vermögen in Impact Investments anlegen. Im Dezember 2011 lag ihre Quote schon bei 78 %5. Andere Stiftungen gründen Netzwerke, um Mission Investing als wichtiges Instrument für sozialen Wandel bekannt zu machen und um die nötigen Rahmenbedingungen für einen weiteren Marktzuwachs zu schaffen. Hier ist vor allem die „More for Mission Initiative“ zu nennen, die unter anderem das Ziel hat, das in Mission Investments angelegte Volumen in den USA bis 2015 auf 10 Mrd. $ zu erhöhen.6
Was bringt Mission Investing für Stiftungen?
Mission Investing oder auf Deutsch „zweckbezogenes Investieren“ erlaubt es Stiftungen:
»das Stiftungsvermögen in Einklang mit ihrem gemeinnützigen Zweck zu bringen (zweckkonformes Investieren) und/oder
»den Stiftungszweck proaktiv zu fördern (zweckförderndes Investieren) und gleichzeitig
»im Sinne der rechtlichen Vorgaben der Vermögensverwaltung zu handeln.
Darüber hinaus hat das zweckbezogene Investieren ein enormes Potenzial, die Wirksamkeit jeder Stiftung zu steigern – sie kann ihre Leistungskraft auf diese Weise mehrfach hebe(l)n (siehe Abbildung 1). Vor allem ermöglicht es Stiftungen, einen positiven gesellschaftlichen Nutzen in einem Umfang zu erzielen, der durch reine Projektförderung nicht möglich wäre.
Beispiel: Die Kreditvergabe einer Non-Profit-Organisation (NPO) verbessert die Kreditwürdigkeit der Organisation und hilft ihr, zukünftig Finanzierungen einfacher zu erhalten.
Eine solche Erweiterung des Wirkungsspektrums ist dringend notwendig, denn die drängendsten Probleme der Welt werden in der Regel durch sozial und ökologisch falsche Marktmechanismen und wirtschaftliche Anreize verursacht. Sie können durch reine Projektförderung oder operatives Handeln kaum gelöst werden. Im Anlageprozess können Stiftungen Einfluss auf Wirtschaftsakteure nehmen. Die Auswirkung ihrer Vermögensverwaltung wird aktiv reflektiert und genutzt, um ihren gemeinnützigen Zweck zu unterstützen. Statt „Projektunterstützer“ agieren sie als „Problemlöser“.
Das Gesamtvermögen der deutschen Stiftungen wird auf mehr als 100 Mrd. € geschätzt.7 Unter der Annahme, dass es sich hierbei um investierbare Finanzmittel handelt und diese mit einem Durchschnittsertrag von 3 % p.a. verzinst wären, könnte den Stiftungen allein aus der Vermögensanlage eine Summe von rund 3 Mrd. € jährlich zur Verfügung stehen, um ihre gemeinnützige Arbeit zu leisten. Geht man davon aus, dass 40 % des Stiftungsvermögens im Betriebsvermögen gebunden sind (z.B. Gebäude, die die Stiftung selbst nutzt), dann verbleiben noch immer 60 Mrd. €, die Stiftungen als potenzielle Ressource für ihre Zweckverwirklichung nutzen können. Würden nur 15 % dieses Vermögens, sprich 9 Mrd. € wirkungsorientiert angelegt, so könnte der gesamte deutsche Stiftungssektor seine Leistungskraft um 300 % steigern.
Abbildung 1 Die Leistungskraft steigern
Quelle: Impact in Motion, 2012
Dabei ist wichtig zu unterstreichen, dass Mission Investing nicht von der Größe einer Stiftung abhängig ist. Die in dieser Studie dargestellten Fallbeispiele zeigen, dass eine Mission-Investing-Praxis für eine Stiftung mit einem Kapital von einigen zehntausend Euros genauso umsetzbar ist, wie für eine Stiftung mit 2 Mrd. €.
Darüber hinaus bringt die Umstellung auf Mission Investing nicht zwingend eine Veränderung in der Aufteilung des Stiftungskapitals auf die verschiedenen Vermögensklassen mit sich. Da Mission Investing über alle Anlageklassen hinaus umgesetzt werden kann, kann die prozentuale Aufteilung auf Aktien, festverzinsliche Papiere und ggf. Immobilien in diesem Prozess unangetastet bleiben.
Schließlich ist noch klarzustellen, dass die Einbeziehung des Stiftungszwecks in die Anlageentscheidungen sowohl stiftungs- als auch steuerrechtlich grundsätzlich zulässig ist. Zahlreiche Beispiele von Stiftungen, die Mission Investing...