Der Partizipationsbegriff ist Bestandteil vieler Bereiche der Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Dennoch oder gerade deshalb existiert kein einheitliches Begriffsverständnis. Betrachtet man zunächst die Definition, die der Duden (2006) gibt, so ist Partizipation das Teilhaben, Teilnehmen, Beteiligtsein. Unklar bleibt hier, wer an was wie und in welchem Umfang beteiligt wird oder sich beteiligt. Diese Parameter füllen Disziplinen wie Psychologie, Soziologie, Politik, Wirtschaft, Recht oder Pädagogik mit unterschiedlichen Inhalten. Auch innerhalb der sozialwissenschaftlichen Disziplin ist eine eindeutige Definition von Partizipation nicht gegeben.
Im Folgenden wird eine Übersicht über verschiedene Kategorisierungen in den Sozialwissenschaften zur Annäherung an den Begriff der Partizipation aufgezeigt. Ziel ist die Herausarbeitung einer Definition von Partizipation.
Alemann (1978, S. 18f.) bezeichnet Partizipation als „Teilhaben Vieler an Entscheidungen“ und als einen Prozess der Willensbildung und Entscheidungsfindung. Auch Schäfers (2000, S. 267) kennzeichnet in seinem Nachschlagewerk Grundbegriffe der Soziologie den Begriff der Partizipation als die Teilnahme oder Teilhabe an politischen und sozialen Entscheidungsprozessen. Er unterscheidet zwischen Demokratisierung als „die Institutionalisierung der Teilhabe an primär politisch relevanten Entscheidungsstrukturen und -prozessen“, Arten von Mitbestimmung als „Beteiligungsformen im Arbeits- und Wirtschaftsbereich“ und Partizipation als „die breite Beteiligung der Öffentlichkeit, [...] der Basis an den für sie relevanten Planungs- und Entscheidungsprozessen.“ Giddens (2001, S. 695) formuliert in seinem Werk Sociology den Kern partizipativer Demokratie dahingehend, dass „all members of a group or community participate collectively in the taking of major decisions.“
Um Partizipation weiter zu typisieren, lassen sich verschiedene Kriterien unterscheiden. Es gibt materielle oder finanzielle und immaterielle Partizipation (vgl. u. a. Hucker 2002, S. 13), außerdem repräsentative beziehungsweise indirekte versus direkte Beteiligungsformen, wobei sich indirekte Mitwirkung auf die Vertretung durch Betriebsräte oder Gewerkschaften bezieht (vgl. u. a. Hucker 2003, S. 22; Spickenbom 2003, S. 10; Domsch/ Reinecke 1982, S. 129) und auf den Status als Adressat von Information (vgl. Domsch/ Reinecke 1982, S. 129). Dachler und Wilpert (1978, S. 10ff.) unterscheiden darüber hinaus zwischen formalen (gesetzlich basierten) und informalen Partizipationsformen. Die Mitarbeiterbeteiligung im Taylorismus kann als eine inoffizielle, im Gegensatz zu der hier gemeinten offiziellen, bezeichnet werden, da auch in tayloristischen Strukturen Partizipation vorhanden ist, jedoch ohne Selbstständigkeit und nur zur Nutzung des Fachwissens der Mitarbeiter.
Weiterhin kann danach unterschieden werden, welche Personen partizipieren, aufgeschlüsselt nach hierarchischer Stellung, nach Bereichszugehörigkeit, nach direkter vs. indirekter Betroffenheit, nach Einzel- oder Gruppenbeteiligung.
Partizipation kann in Bezug auf Arbeitsorganisationen anhand der möglichen Stärken konkretisiert werden. Milbrath und Goel benutzen das Bild eines Kampfes und unterscheiden partizipative Level vom „Zuschauer“ bis hin zum „Gladiator“ (vgl. Smelser 1988, S. 413). Dachler und Wilpert (1978, S. 14) nehmen eine Kategorisierung innerhalb eines Einfluss- und Machtkontinuums vor, indem sie zwischen keinerlei Mitsprachemöglichkeit, Informationsrechten, Vorschlagsrechten, Mitbestimmungsrechten, Vetorechten und völliger Autonomie unterscheiden.
Wall und Lischeron (1980, S. 74) sehen Partizipation als „Beeinflussung des Entscheidungsprozesses mittels Interaktionsprozessen zwischen Arbeitnehmern und Managern auf der Basis von Informationsaustausch.“ Sie differenzieren zwischen drei Stufen der Mitwirkung: Informationsaustausch, Interaktion und Einfluss (ebd., S. 73).
Auch Kißler (1992, S. 79) kategorisiert Partizipation in Stadien von bloßer Informiertheit bis hin zu aktiver Einflussnahme.
Schäfers (2000, S. 268) unterscheidet Partizipation ähnlich in verschiedene Stufen der Informierung, Anhörung und Beratung bis hin zu faktischer Mitbestimmung.
Baethge et al. (1995, S. 170ff.) diagnostizieren ebenfalls drei Ebenen der Partizipation. Die erste Ebene bezeichnen die Autoren als informationelle Einbindung in die Unternehmenspolitik. Auf der zweiten Ebene ergeben sich Entscheidungsbefugnis und Verantwortung in der „mittleren Reichweite“ des eigenen Tätigkeitsfeldes, wobei dem eine (unternehmens-) kulturelle Trägheit bürokratischer Tradition entgegenstehen kann. Dispositionsspielräume ergeben sich auf der dritten Ausführungsebene, wobei Baethge et al. die Grenzen in Kostendruck und Kundenorientierung sehen. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die hier erläuterten Differenzierungen.
In Anlehnung an die Ausführungen der aufgeführten Autoren sollen in dieser Arbeit folgende drei Kategorien als Ebenen eines Partizipationskonstrukts verwendet werden: Information, Mitberücksichtigung und Eigenverantwortung.
Tabelle 1: Übersicht der Partizipationsebenen
Quelle: eigene Darstellung
Information ist die Basis der Partizipation (vgl. Minssen 1999, S. 131). Innerhalb der Ebene der Information geht es um wechselseitigen Austausch, um das Informieren und das Informiert werden. Information stellt einen Teil von Partizipation dar und bildet definitorisch hier die erste Ebene.
Mitberücksichtigung stellt die zweite Ebene von Partizipation dar und basiert innerhalb der hier verwandten Definition auf Comellis (1997, S. 57) „informierte Entscheidungen“. Entscheidungen werden auf Basis der ersten Ebene der Informiertheit gefällt. Mitberücksichtigung besteht zum Beispiel in der Form der Artikulation von Ideen und Bedenken von Mitarbeitern „vor einer endgültigen Entschlussbildung“ (Comelli 1997, S. 57). Gegebene Informationen werden beachtet und mitberücksichtigt, die Entscheidung wird aber nicht allein aufgrund dieser Information gefällt.
Auf der dritten Ebene treffen Mitarbeiter mit eigenverantwortlicher Tätigkeit eigenständige Entscheidungen, für die sie verantwortlich sind. Eigenverantwortung soll hier mit dem Begriff des direkten Einflusses konkretisiert werden. Gemäß Wall und Lischeron (1980, S. 74) ist Einfluss der wichtigste Begriff im Partizipationskonzept. Die höchste Stufe von Partizipation ist nach Meinung der beiden Psychologen erreicht, wenn ein Gleichgewicht der Einflussausübung zwischen Mitarbeitern und Geschäftsführung im Entscheidungsprozess besteht und Mitarbeiter ebenso wie die Unternehmensleitung innerhalb eines Prozesses Entscheidungen treffen können und Verantwortung tragen.
Der Begriff der Partizipation wird in Anlehnung an Dörres „Teilnahme der Mitglieder einer Organisation an Organisationsentscheidungen“ (1996, S. 7) definiert:
Partizipation bedeutet Teilnahme der Mitglieder einer Organisation an Organisationsentscheidungen. Das Maß der Teilnahme kann von reiner Information über Mitberücksichtigung hin zu Eigenverantwortung reichen. Partizipierende Organisationsmitglieder können Einzelpersonen oder Gruppen sein. Die Organisationsentscheidungen liegen im Rahmen von Arbeitsplatz, -prozess und/ oder -bedingungen und sind Gestaltungsmaßnahmen in der Organisationsstruktur innerhalb von Organisationsentwicklungsprozessen und in lernenden Organisationen.[15]
In Zusammenhang mit den skizzierten veränderten Anforderungen und Rahmenbedingungen wird seit Jahren ein aktiver, also herbeigeführter, beschleunigter Wandel der Organisation von Praktikern genauso wie von Theoretikern verlangt.
Die Organisationsentwicklung (OE) ist eine partizipative Methode zur Veränderung in und von Organisationen[16] in Form eines längerfristig angelegten, geplanten und systematischen Prozesses zur Entwicklung der Kultur, der Systeme und des Verhaltens einer Organisation mit dem Ziel, die Effektivität und Humanität der Arbeitsorganisation zu verbessern. Die OE entwickelte sich aus der Ende der 40er-Jahre innerhalb der Laboratoriumsmethode entdeckten Gruppendynamik als neue Lehr- und Lernmethode (vgl. French/ Bell 1990, S. 37ff.) und der zur gleichen Zeit erstmals erprobten Survey-Feedback-Methode[17]. Außerdem beruht die OE auf der Aktionsforschung und der Theorie soziotechnischer Systeme (vgl. Comelli 1997, S. 32).
Grundannahme der OE ist unter anderem ein Menschenbild im Sinne der Humanistischen Psychologie, in der der Mensch als ein „wertvolles Wesen, fähig zu Initiative, Engagement und Eigenverantwortlichkeit“ (Comelli 1997, S. 33; vgl. auch Königswieser/ Pelikan 1990, S. 89) gesehen wird. Mittelpunkt der OE ist daher die Beteiligung aller von der Veränderung betroffenen Akteure (vgl. Pekruhl 2001, S. 57; Elke 1999, S. 450) bei der Planung, Durchführung und Bewertung des Veränderungsprozesses zur Nutzung des Wissens und der Erfahrung aller Beteiligten und zur Akzeptanz, ebenso wie zur aktiven...