Dieses Kapitel stellt den deskriptiven Teil dieser Arbeit dar und liefert die theoretischen Grundlagen und Definitionen bzw. Beschreibungen von Begrifflichkeiten, die zum Verständnis der weiteren Kapitel beitragen.
Eine wesentliche Grundlage für menschliches Verhalten und Handeln stellt Motivation dar.[19] Eine allgemeingültige Definition von Motivation und eine allgemein akzeptierte Theorie, mit der erklärt wird, wie menschliches Verhalten (im Unternehmen) zustande kommt, existiert nicht.[20] Stattdessen finden sich in der Literatur mehrere zum Teil sehr unterschiedliche Versuche, eine Theorie der Motivation zu entwickeln.[21] In diesem Zusammenhang versucht die Motivationspsychologie zu erklären, wie menschliches Verhalten zustande kommt und wie es aufrechterhalten und gesteuert werden kann. Das Verhalten des Menschen wird dabei als Ergebnis der Wechselbeziehungen von personenbezogenen und situationsbezogenen Faktoren interpretiert. Das bedeutet, dass die aktuell vorhandene Motivation einer Person, ein bestimmtes Ziel anzustreben, von diesen Faktoren geprägt wird.[22] Zu den situationsbezogenen Faktoren zählen die situative Ermöglichung und das soziale Dürfen. Die personenbezogenen Faktoren werden in das persönliche Wollen und Können unterteilt.[23] Die folgende Abbildung veranschaulicht diesen vereinfacht dargestellten Prozess menschlichen Verhaltens:
Abbildung 6: Vereinfacht dargestellter Prozess menschlichen Verhaltens
Als persönliches Können werden in dieser Abbildung die Fähigkeiten, Erfahrungen und Kenntnisse einer Person, auch bezeichnet als Kompetenz, verstanden. Soziales Dürfen hingegen steht für gesellschaftliche Normen und Regeln, die unser Verhalten in vielen Bereichen steuern.[24] Der Fokus dieser Arbeit bezieht sich auf die Faktoren persönliches Wollen und situative Ermöglichung. In den Bereich persönliches Wollen fallen neben Instinkten, Wünschen, Werten und Erwartungen vor allem Bedürfnisse und Motive, die in enger Verbindung mit der Motivation stehen bzw. deren Ausgangslage bilden.[25] In den Bereich situative Ermöglichung fallen hingegen insbesondere die Anreize bzw. äußeren Umstände, die ebenfalls eine wichtige Einflussgröße bei der Motivation darstellen.[26] Im Weiteren wird nunmehr der Versuch unternommen, die Begriffe Bedürfnis, Motiv und Motivation zu definieren, da diese die grundlegenden Begriffe der Motivationstheorien darstellen.
Die beiden Begriffe Bedürfnis und Motiv werden in der Literatur häufig synonym verwendet.[27] So beschreibt beispielsweise Rosenstiel Motive als eine Art Mangelzustand, den es zu beseitigen gilt.[28] Tatsächlich stellt jedoch ein Bedürfnis und nicht ein Motiv das Verlangen dar, einen Mangelzustand zu beseitigen. Viel eher sind Motive den Bedürfnissen nachgelagert.[29] Sie stellen inhaltliche Klassen von Handlungszielen dar, deren Erreichung angestrebt wird. Motive sind daher viel eher ein Ausdruck von Bedürfnissen.[30]Beispielsweise stellt die körperliche Aktivität ein Handlungsziel bzw. eine Verhaltensklasse, also ein Motiv dar, deren Erreichung angestrebt wird. Hinter diesem Motiv könnte mehr als ein Bedürfnis stehen. So wäre es z. B. denkbar, dass hier das Bedürfnis, seine Muskeln zu bewegen, oder das Bedürfnis, Körperfett zu verlieren, inhaltlich dieses Motiv ausmacht. Weitere Motive finden sich im sog. Reiss-Profil.[31] Die folgende Abbildung stellt diese 16 Grundmotive dar:
| Darstellung nach Bartscher, T. et al. (2012), S. 80 [6] | |
Abbildung 7: Das Reiss-Profil
Diese 16 Grundmotive bestimmen nach Reiss das menschliche Verhalten, wobei jedes dieser Motive gleichberechtigt ist und dabei sowohl neutral, stärker oder aber auch schwächer ausgeprägt sein kann. Für jede Person ergibt sich aus der Kombination dieser 16 Motive schließlich ein ganz persönliches und individuelles Motivprofil. Kritisch anzumerken ist, dass Reiss neben diesen 16 Grundmotiven keine weiteren eigenständigen Verhaltensklassen zulässt. Daneben muss ebenfalls kritisch betrachtet werden, dass nach Reiss‘ Behauptung ein Großteil dieser Motive auf die Gene einer Person zurückzuführen ist.[32] Nach Schmalt jedoch können Motive in implizite und explizite Motive unterschieden werden. Die impliziten Motive sind demnach angeboren und/oder in der frühesten Kindheit erworben und haben somit eine evolutionäre Geschichte.[33] Demzufolge kann davon ausgegangen werden, dass die impliziten Motive von Individuum zu Individuum unterschiedlich sind. Schmalt spricht in diesem Zusammenhang auch von unbewussten Motiven, die nur durch Verfahren mit bildsituativer Anregung (z. B. Thematischer Auffassungstest nach McClelland, Atkinson, Clark und Lowell (1953)) gemessen werden können. Explizite Motive wurden im Gegensatz zu den impliziten Motiven in späteren Lebensphasen erlernt. Sie wurden geprägt von Kultur, Sprachen, Erziehung, Bildung und Sozialisation. Demnach also auch vom kalendarischen Alter einer Person. Hierbei handelt es sich um bewusste Motive, die durch sprachlich kodierte Verfahren (Fragebogen) gemessen werden können.[34] Die 16 Grundmotive nach Reiss stellen gemäß den obigen Ausführungen daher eine Kombination aus impliziten und expliziten Motiven dar. Da die impliziten Motive nur im Rahmen komplizierter psychologischer Verfahren gemessen werden können und sich diese von Person zu Person unterscheiden, weisen sicherlich die 50- bis unter 65-Jährigen keine Gemeinsamkeiten im Hinblick auf die impliziten Motive auf. Anders könnte es bei den expliziten Motiven sein. Da diese u. a. durch Erziehung, Bildung und Sozialisation geprägt bzw. erst in den späteren Lebensphasen erlernt wurden, könnten die älteren Arbeitnehmer durchaus gemeinsame (explizite) Motive aufweisen, die sich von den jüngeren Arbeitnehmern unterscheiden. Im Kapitel 4 wird auf die Motive der 50- bis unter 65-Jährigen genauer eingegangen.
„Das Grundprinzip der Motivationspsychologie besagt, dass ein Motiv zunächst durch einen dazu passenden Anreiz angeregt werden muss, bevor es auf das Verhalten einwirken kann.“[35] Sobald ein Motiv durch den entsprechenden bzw. passenden Anreiz wirksam wird, befindet sich das Individuum im Zustand der Motivation.[36] Die folgende Abbildung veranschaulicht dieses Grundprinzip der Motivationspsychologie:
Abbildung 8: Motivation im Handlungsablauf
Dabei geht das Motiv immer von der eigenen Persönlichkeit (Person) aus. Hingegen kann der Anreiz sowohl von außen (Umwelt) als auch von innen (Person) kommen. Beckmann, J. und Heckhausen, H. definieren den Anreiz als „[…] ein Konstrukt, das situative Reize bezeichnet, die einen Motivationszustand anregen können.“[37] Dazu muss das individuelle Belohnungszentrum jedoch auf den Anreiz anspringen. Worauf das Belohnungszentrum anspringt, ist vom Motiv der entsprechenden Person abhängig. So könnte beispielsweise das Motiv „Essen“ durch den Anreiz eines sich in der Nähe befindlichen Fast-Food-Restaurants aktiviert werden. Durch die Erwartung einer Belohnung (hier z. B. das Verzehren eines Hamburgers) wird der Neurotransmitter Dopamin vom Gehirn freigesetzt. Dieser transformiert die Handlungsabsichten (hier der Verzehr des Hamburgers) in Handlungen um, er „bewegt“ die entsprechende Person, also motiviert sie, alle Handlungen umzusetzen, die zum Erreichen des Handlungsziels bzw. Motivs „Essen“ notwendig sind.[38] Die Erwartung, d. h. die wahrgenommene Chance, dass sich aus einer Situation ein bestimmter Zielzustand ergibt bzw. ein Motiv befriedigen lässt (hier das Essen), ist neben dem Anreiz (hier das sich in der Nähe befindliche Fast-Food-Restaurant) eine weitere situative Variabel, die das Motivationsgeschehen determiniert.[39] Dies bedeutet, dass ausreichend Dopamin nur dann freigesetzt wird, wenn das Individuum davon ausgeht, dass sich aus einer Situation tatsächlich ein bestimmter Zielzustand ergeben kann. Hat die Person in der voran geschilderten Situation beispielsweise nicht ausreichend Geld, um sich einen Hamburger zu kaufen, sinkt die Erwartung, das Handlungsziel bzw. Motiv „Essen“ zu erreichen, sodass die Motivation unterbleibt.[40]
Es wird in der Literatur zwischen der intrinsischen und der extrinsischen Motivation unterschieden.[41] Die intrinsische Motivation bezieht sich dabei in erster Linie auf durch ein Individuum selbst bestimmte Faktoren, die jeweils individuell als wichtig...