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Selbstbestimmungstheorie der Motivation
In den letzten Jahren wurden die Anforderungen an Lehrkräfte explizit formuliert, und die wissenschaftliche und öffentliche Diskussion um die professionelle Kompetenz von Lehrpersonen hat an Bedeutung gewonnen, was wiederum verdeutlicht, wie enorm vielfältig der Beruf von Lehrerinnen und Lehrern ist. Lehrkräfte sollen inhaltliches Interesse und Engagement für ihre Fächer zeigen, ihren Unterricht weiterentwickeln und Erziehungsaufgaben, im Sinne einer Begleitung der Persönlichkeitsentwicklung von Schülerinnen und Schülern, erfüllen, mit Eltern, Kollegen und Fachleuten kooperieren, die eigenen Kompetenzen weiterentwickeln und sich an der inhaltlichen und strategischen Entwicklung ihrer Schule beteiligen (KMK, 2004; Sann & Preiser, 2008). Was kann nun eine optimistische, aufgeschlossene und motivierte Einstellung all diesen Anforderungen gegenüber positiv beeinflussen? Viele Studien beziehen sich hier auf die Selbstbestimmungstheorie der Motivation (Deci & Ryan, 1985a), die von der Annahme ausgeht, dass der Erfüllung von drei zentralen psychologischen Grundbedürfnissen – dem Autonomie- und Kompetenzerleben sowie sozialer Einbindung – für die selbstbestimmte Motivation von Lehrkräften ein wichtiger Anteil zukommt. In der Selbstbestimmungstheorie werden aber nicht nur verschiedene Inhalte (psychologische Grundbedürfnisse) definiert, sondern wird auch ein neues Verständnis des Prozesses (Kontinuum der Motivation) konzipiert.
Der Selbstbestimmungstheorie liegt ein humanistisches Menschenbild zugrunde. Menschen sind demnach von Grund auf neugierig, interessiert und lernwillig. Die Theorie geht nicht davon aus, dass Menschen aufgrund von persönlichen Mangelzuständen oder Defiziten – im Sinne einer Anregung – die Befriedigung von Bedürfnissen anstreben, sondern es wird angenommen, dass sich Personen aktiv und selbständig mit ihren zentralen psychologischen Grundbedürfnissen auseinandersetzen und von innen heraus danach streben, diese zu befriedigen. In den Überlegungen von Deci und Ryan wird trotzdem anerkannt, dass Handlungen von unterschiedlichen – auch externen – Ursachen, Zielen und Einflüssen bestimmt werden können. Daher wurden unterschiedliche Ausprägungen motivierten Handelns konzipiert, die den Grad der Selbstbestimmung bzw. das Ausmaß der Kontrolle beim Handeln ausdrücken. Insgesamt haben Deci und Ryan fünf Subtheorien entwickelt, aus denen sich die Selbstbestimmungstheorie zusammensetzt. Wir werden im Kontext dieses Buches nicht auf alle fünf Subtheorien Bezug nehmen, sondern zunächst nur die Theorie zu den psychologischen Grundbedürfnissen vorstellen. Anschließend erfolgt die Darstellung unterschiedlicher Motivationstypen, als Teil der Selbstbestimmungstheorie, die den Anregungsgrad zur Erfüllung der Grundbedürfnisse beschreiben und ein differenziertes Bild extrinsisch (kontrolliert) oder intrinsisch (selbstbestimmt) motivierten Verhaltens erlauben.
Folgende drei zentrale Begriffe müssen zum Verständnis der Theorie über die psychologischen Grundbedürfnisse zunächst definiert werden:
• Intention: Die Motivation, zu handeln, ist abhängig davon, welche Aspekte oder Konsequenzen der Handlung zugeschrieben werden. Die Handlung ist mit einer bestimmten Absicht verbunden (Schiefele & Köller, 2010).
• Handlungsregulation: Es gibt unterschiedliche Formen der Handlungsregulation, die sich darauf beziehen, wie stark eine Handlung fremd- oder selbstbestimmt ausgeführt wird. Es geht hierbei um die Steuerung des Handelns (Schiefele & Köller, 2010).
• Internalisierung: Handlungsziele, die ursprünglich nicht intrinsisch motiviert waren, werden internalisiert, damit eine Person ihre Bedürfnisse nach Kompetenz, Selbstbestimmung und sozialer Einbindung befriedigen kann. Die Internalisierung dient dazu, die Fremdbestimmung gewissermaßen aufzulösen und sich dieser anzupassen sowie die Werte und Einstellungen zu übernehmen, um selbstbestimmter handeln zu können (Deci & Ryan, 2000; Gagné & Deci, 2005).
Psychologische Grundbedürfnisse
Eine der grundsätzlichen Überlegungen, die die Basis der Selbstbestimmungstheorie bestimmt, ist die Theorie psychologischer Grundbedürfnisse. Deci und Ryan (1985a) unterscheiden dabei drei Grundbedürfnisse eines Menschen:
• Das Bedürfnis nach Autonomie oder Selbstbestimmung setzt voraus, dass eine Person sich selbst als Auslöser für das eigene Handeln versteht (Deci & Ryan, 1985a). Autonom bzw. selbstbestimmt handelnde Personen erfahren sich selbst als richtungsgebend und befürworten ihr eigenes Handeln, da sie der Auswahl einer Handlung ihre eigenen Interessen, Vorlieben und Bedürfnisse zugrunde legen.
• Das Bedürfnis nach Kompetenzerleben geht einen Schritt weiter als das Bedürfnis nach Autonomie oder Selbstbestimmung: Personen haben das Bedürfnis, ihr eigenes Handeln als effektiv und wirksam wahrzunehmen. Es geht hierbei nicht um bestimmte Fertigkeiten, sondern um ein generelles Vertrauen in die eigene Kompetenz.
• Das Bedürfnis nach sozialer Einbindung bezieht sich auf den Wunsch, sich als Teil einer Gemeinschaft zu erleben und Beziehungen zu anderen Personen einzugehen. Die subjektiv wahrgenommene Qualität einer solchen Interaktion bestimmt den gefühlten Grad der sozialen Einbindung.
Die Theorie der psychologischen Grundbedürfnisse folgt der Annahme, dass diese Grundbedürfnisse für alle Menschen relevant sind, auch wenn die Bedürfnisse eine unterschiedlich starke Bedeutung im Leben von Menschen haben können oder auch zu unterschiedlichen Lebensphasen mehr oder weniger dringlich befriedigt werden müssen. In der Forschung ist von Interesse, zu untersuchen, welche Konsequenzen aus dem Wunsch nach der Erfüllung der Grundbedürfnisse resultieren. Es kann auch untersucht werden, welche Arbeitsbedingungen sich positiv auf die Erfüllung der Grundbedürfnisse (und damit die selbstbestimmte Motivation) auswirken. Studienergebnisse, die diesen Sachverhalt untersucht haben, stellen wir ausführlich in Kapitel 4.1 vor.
An dieser Stelle soll darauf verwiesen werden, dass sich Individuen nicht nur in Bezug auf die Bedeutsamkeit der psychologischen Bedürfnisse unterscheiden können, sondern auch verschiedene grundsätzliche Orientierungen in Bezug auf die Initiation und Regulation von Handlungen existieren (= Kausalitätsorientierungen; Deci & Ryan, 1985b). Drei Orientierungen werden unterschieden:
• Personen mit Autonomieorientierung bevorzugen soziale Kontexte, die die Autonomie fördern und Selbstbestimmung erfordern, was sich meist positiv auf die Motivation auswirkt,
• während Personen mit Kontrollorientierung soziale Kontexte als kontrollierend erleben und sich daher auch kontrolliert fühlen, was sich negativ auf die selbstbestimmte Motivation auswirkt.
• Personen mit impersonaler Orientierung tendieren dazu, beispielsweise durch lange Arbeitslosigkeit, negative/demotivierende Erfahrungen und geringes Selbstvertrauen, amotiviert zu sein.
Selbstverständlich kann sich diese Art der Orientierung sehr direkt auf die Art der Motivation auswirken, die eine Person für die Ausübung einer Tätigkeit entwickelt.
Kontinuum der Motivation
Deci und Ryan (1985a) unterscheiden zwischen Motivationstypen, die sich in ihrem Grad der Kontrolle bzw. Selbstbestimmung unterscheiden.
• Die intrinsische Motivation gilt als vollständig selbstbestimmte Motivation, denn das Handeln geschieht hier aus eigenem Antrieb, eigenem Willen, aus Interesse der auszuführenden Tätigkeit gegenüber heraus.
• Im Gegensatz dazu zeichnet sich kontrollierte Motivation dadurch aus, dass Personen überprüft oder unter Druck gesetzt werden, beispielsweise durch Belohnungen, zu handeln.
Gemeinsam ist beiden Arten von Motivation, dass immerhin eine Handlungsintention vorliegt, auch wenn sie aus anders gearteten Quellen entstanden ist. Im Gegensatz dazu können Personen, die weder eine Handlungsabsicht verfolgen noch über Motivation verfügen, als amotiviert bezeichnet werden (Gagné & Deci, 2005).
In Tabelle 2 sind die Motivations- bzw. Regulationstypen inklusive einer kurzen Darstellung der Intention und Regulation zunächst zusammenfassend dargestellt.
Tab. 2: Das Kontinuum selbstbestimmter Motivation (eigene Darstellung in Anlehnung an Gagné & Ryan, 2005, S. 336)
Wenn Sie sich fragen, warum eine differenzierte Unterscheidung in extrinsische und...