I. Münze und Geld – Grundbegriffe der Numismatik
Die Münze ist eine der genialsten Erfindungen der Menschheit, denn sie vereinfachte ziemlich komplizierte Vorgänge: das Einvernehmen von Käufer und Verkäufer sowie die Beschaffung, Anhäufung und Aktivierung von Vermögen. Vor allem aufgrund ihres Edelmetallgehalts und erst in zweiter Linie durch staatliche Garantie hat die Münze diese klassischen Funktionen des Geldes von der Antike bis zum Ersten Weltkrieg praktisch unverändert ausgeübt, auch wenn sie diese Aufgaben seit dem 18. Jahrhundert zunehmend mit Geldscheinen und Banknoten teilte und dabei allmählich zum «Kleingeld» wurde.
Heute ist die Münze nur noch Kleingeld und stellt keinen eigenen, sondern nur noch einen staatlich garantierten Wert dar. Wenn wir beim Einkauf nach Münzen kramen, ist das eher lästig und insgesamt sind wir immer weniger auf Bargeld, noch seltener auf Münzgeld angewiesen. Die Münze hat eigentlich ausgedient, und ihre Abschaffung ist keine ganz unrealistische Perspektive. So weit ist es noch nicht gekommen, und es kann nicht schaden, etwas mehr über den Weg eines treuen und geschätzten Begleiters der Menschen seit mehr als zweieinhalb Jahrtausenden zu erfahren.
Die Münze ist nicht nur Geld, sie ist auch ein Stück Kulturgeschichte der Menschheit und spiegelt in ihren Bildern und Inschriften so gut wie alles, was mit dem Leben, Glauben, Handeln ihrer Zeitgenossen zu tun hat, wobei sie keineswegs unparteiisch ist: Herrscher werden weitaus öfter abgebildet als Beherrschte, Männer öfter als Frauen, Sieger öfter als Besiegte. Und sie ist buchstäblich Geschichte zum Anfassen. Wo und wie kann man sonst noch so direkt mit den «Großen» der Welt – Alexander dem Großen, Karl dem Großen oder Friedrich dem Großen – in Kontakt treten und sie sogar in die Hand nehmen? Wer von Geschichte fasziniert ist, dem können Münzen viel erzählen.
1. Was ist eine Münze?
Das Wort Münze geht auf das Lateinische moneta zurück. Eine Münze ist – auf die einfachste Formel gebracht – staatliches Metallgeld. Sie war und ist nicht die einzige Geldform, aber die historisch langlebigste und am weitesten verbreitete. Eine Münze wird bis heute durch Prägung hergestellt. Sie besitzt in der Regel Vorder- und Rückseite (Avers und Revers), seltener nur eine Seite, wie bei mittelalterlichen Brakteaten und neuzeitlichen Hohlpfennigen, tritt meist in runder bzw. annähernd runder Form auf und kann durch Sekundärmerkmale, wie etwa Gegenstempel oder Probemarken, nachträglich verändert werden.
Eine Münze besteht aus Metall, wobei die ersten Münzen im 7. Jahrhundert v. Chr. aus Elektron, einer natürlich vorkommenden Legierung aus Gold und Silber, hergestellt wurden. Vermutlich unter dem wegen seines Reichtums noch heute sprichwörtlichen Kroisos (Krösus), einem König des 6. Jahrhunderts v. Chr. im westlichen Teil der heutigen Türkei (Lydien), wurde die Elektronprägung durch eine separate Prägung von Gold- und Silbermünzen abgelöst. Die Römer fügten den beiden Münzmetallen Gold und Silber das Kupfer hinzu, das teils rein, teils zu Bronze bzw. Messing verarbeitet benutzt wurde. Bronze ist eine Legierung aus Kupfer und Zinn, Messing eine Legierung aus Kupfer und Zink. Als Billon bezeichnet man Silber, das zu mehr als 50 Prozent mit Kupfer versetzt wurde. Seit dem 19. Jahrhundert ist Nickel als Münzmetall hinzugekommen und das Gros der modernen Münzen besteht aus verschiedenen Nickel-Legierungen mit Aluminium, Kupfer und Zink. Das häufig verwendete sog. Neusilber (German Silver) ist eine Kupfer-Nickel-Zink-Legierung.
Im Zeitalter der Edelmetallmünzen war der Münzfuß eine wichtige Sache. Er bestimmte sehr genau Schrot und Korn, d.h. das Gewicht (Rauhgewicht) und den Edelmetallgehalt (Feingewicht) einer Münze. Er wurde vom Münzherrn festgesetzt und war die für dessen Territorium geltende Rechtsvorschrift.
Prägeberechtigter Münzherr ist heute der Staat. In Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit waren es die jeweiligen Landesherren, die als Inhaber der höchsten Gewalt (supremus princeps) auch das ihnen zustehende Münzrecht ausübten: Im Römischen Reich die Kaiser, in Monarchien die Könige, in weniger zentralisierten Staaten auch regionale oder lokale Gewalten (Herzöge, Grafen, Bischöfe, Äbte, Städte etc.). Münzprägung wurde bis in das 18. Jahrhundert als gewinnbringendes Gewerbe verstanden. Dieser Gewinn stand dem Münzherrn als Münznutzen bzw. Schlagschatz (lat. monetagium) zu. Zu Zeiten Karls des Großen wurde etwa ein Schlagschatz von zehn Prozent als normal empfunden, wobei fünf Prozent auf die Prägekosten entfielen und fünf Prozent als eigentlicher Gewinn abfielen. Die über eigene Edelmetallvorkommen verfügenden Münzherren zogen aus dem Münzgeschäft einen größeren Nutzen als jene, die auf den Kauf des Münzmetalls angewiesen waren. Letztere gaben daher bisweilen gerne der Versuchung nach, durch verringertes Feingewicht der Münzen ihre Gewinnmargen zu steigern. Bekanntestes Beispiel dafür ist die Kipper-und-Wipper-Zeit zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Neben ihrer wirtschaftlichen Bedeutung kam der Münzprägung auch ein hoher Prestigewert als Ausdrucksmittel von Herrschaftsansprüchen zu. Römische Gegenkaiser, islamische Potentaten oder deutsche Kleinfürsten gaben zu Regierungsantritt gerne eigene Münzen aus, um sich bekannt zu machen und Regierungsgewalt zu demonstrieren.
Bild und Schrift bilden das Gepräge einer Münze. Die Schrift kann als umlaufende Umschrift oder Inschrift angebracht sein, was mit dem Terminus technicus Legende bezeichnet wird. Von der Römerzeit bis in das 18. Jahrhundert ist die Sprache der Münzen Latein.
Als Faustregel zur Unterscheidung von Avers und Revers, Vorder- und Rückseite, kann gelten, dass Avers bzw. Vorderseite immer die hoheitsrechtlich entscheidende Seite ist, also die Seite, die den Münzherrn nennt, gleich ob antiker Herrscher, mittelalterliche Stadt, neuzeitlicher Fürst oder moderner Staat.
Kursfähiges Geld ist eine Münze im Hoheitsgebiet des jeweiligen Münzherrn. Heute sind das die Nationalstaaten oder Währungsgemeinschaften. In Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit waren diese Gültigkeitsbereiche wesentlich kleiner und reichten oft nicht über die Stadtgrenzen hinaus. Münzen wurden daher viel genauer geprüft und selten unbesehen angenommen. Gedruckte Mandate enthielten genaue Kurswerte für fremde Münzen und verbreiteten Steckbriefe verbotener Münzen. Gutes und schlechtes Geld konnte durch auf die Münzen eingeschlagene Gegenstempel (Kontermarken) unterschieden werden, etwa bei den böhmischen Groschen des 14. Jahrhunderts [68] oder den deutschen Doppelschillingen der Kipperzeit. Solche Kontermarken konnten aber auch eine Veränderung des Geldwertes anzeigen (wie bei den spanischen und portugiesischen Münzen des 17. und 18. Jahrhunderts) oder fremdes Geld legalisieren (wie etwa deutsche Taler im Russland des 17. Jahrhunderts, die sog. Jefimoks [108]).
2. Münztechnik
Münzen werden in spezialisierten Betrieben, den Münzstätten (engl. mints), hergestellt. In Deutschland existieren – als Erbe der territorialstaatlichen Vergangenheit – noch fünf von ihnen, obwohl angesichts des hohen Automatisierungsgrads und entsprechender Ausstoßquoten heute eine einzige ausreichend wäre. Wenn man sich unsere Euromünzen genauer anschaut, kann man auf der Rückseite neben oder unter der Jahreszahl das Zeichen der Münzstätte entdecken: A = Berlin, D = München, F = Stuttgart, G = Karlsruhe, J = Hamburg.
In früheren Zeiten war Münzherstellung schwere Handarbeit und...