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DIE TRIGGERPUNKTE
2.1 Was sind Triggerpunkte?
„Trigger“ kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „Auslöser“ oder „Abzug“ (zum Beispiel bei einer Pistole). Der Begriff Triggerpunkt beschreibt demzufolge hyperreaktive Zonen im Gewebe, in denen durch einen Reiz eine pathophysiologische Reaktion ausgelöst werden kann.
Ein Triggerpunkt ist eine hyperreaktive Zone im Gewebe, der pathophysiologische Reaktionen hervorruft, wenn der Punkt (beispielsweise durch Druck) gereizt wird.
Übt man auf einen Triggerpunkt einen Reiz, beispielsweise per Fingerdruck, aus, löst man eine pathophysiologische Reaktion aus. Die Region ist extrem schmerzhaft, wobei der Schmerz auch in andere Regionen ausstrahlt. Zusätzlich kann es zu weiteren vegetativen Symptomen und motorischen Phänomenen kommen.
Ein Reiz auf einen Triggerpunkt kann durch Druck, Zug, Strom, Wärme, Kälte oder durch anderweitige Faktoren übertragen werden. Das Areal reagiert zunächst mit Schmerz und kann in weiter entfernten Gebieten zudem ebenfalls Schmerzen, Missempfindungen, aber auch vegetative Symptome (Schwitzen, Schwindel, Vasodilatation) oder motorische Phänomene (Schwäche, Koordinationsprobleme) hervorrufen. Man spricht hierbei von einem übertragenen Schmerz (referred pain – siehe Kap. 2.2.2).
Manchmal werden myofasziale Triggerpunkte mit Verspannungsarealen im Muskel gleichgesetzt, was allerdings zu Missverständnissen führen kann. Die Begriffe wie Myogelosen, Verhärtung, Verkrampfung oder Tenderpoint können nicht synonym verwendet werden, weil diesen Punkten und Arealen die typische Eigenschaft des ausstrahlenden Schmerzes fehlt. Die Triggerantwort grenzt den Triggerpunkt klar von anderen reaktiven Punkten und Zonen ab (siehe Kap. 2.1.2).
Ein Triggerpunkt kann in verschiedenen Geweben vorkommen, wobei die Lage eines Triggerpunkts unterschiedliche Phänomene hervorruft. So erzeugt nur der myofasziale Triggerpunkt ausstrahlende Schmerzen und ist fast immer an denselben Stellen lokalisiert. Dies ist der Grund, weshalb man von myofaszialen Triggerpunkten (Stresspunkte, die in der Muskulatur vorkommen) einen Katalog erstellen kann.
Im Prinzip können Triggerpunkte überall vorkommen, so beispielsweise in der Viscera (Organe), im Periost (Knochenhaut) und in den Knochen, Sehnen und Bändern, im Bindegewebe und in den Hautnerven. Ein Beispiel für einen visceralen Triggerpunkt ist der sogenannte „McBurney-Punkt“, der bei einer Blinddarmentzündung (Appendizitis) des Menschen schmerzhaft reagiert. Der McBurney-Punkt liegt im Bauchraum auf einer Linie zwischen dem Bauchnabel und dem rechten vorderen, oberen Darmbeinstachel (Spina iliaca anterior superior). Die Triggerpunkte in anderen Geweben sind oft wechselnd und nicht konstant, im Gegensatz zu den myofaszialen Triggerpunkten (mTrP), die im Muskel-Fasziensystem vorkommen.
Der myofasziale Triggerpunkt ist aufgrund seiner häufig konstanten Lage manuell sehr gut auffindbar und behandelbar. Dennoch können sich Triggerpunkte auch im Muskel an verschiedenen Stellen manifestieren oder ein ganzes Areal quasi überschwemmen. So differenziert man verschiedene Formen von Triggerpunkten (siehe Kap. 2.1.1), deren Unterscheidung für den Behandlungsablauf von entscheidender Bedeutung ist.
Der mTrP liegt stets in einem hypertonen Muskelhartstrang, der palpatorisch gut von den normotonen Muskelfasern abgegrenzt werden kann.
Für die Bezeichnung des Muskeltonus bedeuten die Begriffe:
Hyperton = übermäßige Grundspannung
Normoton = ausgeglichene Grundspannung
Hypoton = zu geringe Grundspannung.
Typisch für einen mit einem Triggerpunkt beladenen Muskelhartstrang ist, dass die Aktin- und Myosinfilamente in den Myofibrillen im Bereich des Triggerpunkts kontrakt sind, also stärker ineinandergeschoben. Im Ausgleich dazu sind die Sarkomere (= eine Einheit aus Aktin- und Myosinfilamenten in der Myofibrille) im muskulotendinösen Übergang verlängert. Dies ist der Grund dafür, weshalb ein triggerpunktbeladener Muskel zum einen kontrakt und damit nur verringert dehnfähig und zum anderen auch schwächer (durch die unterschiedlichen Längen der Sarkomere) ist. Für die Schwäche des Muskels ist möglicherweise zusätzlich die Minderdurchblutung durch die kontrakten Fasern verantwortlich.
2.1.1 Hyperreaktive Punkte und Zonen
Während es unterschiedliche Arten von Triggerpunkten gibt, die sich nach ihrer Lokalisation differenzieren, grenzt man auch innerhalb der myofaszialen Triggerpunkte verschiedene Formen voneinander ab. Für die Behandlung der Triggerpunkte ist es wichtig zu wissen, welchen Triggerpunkt man erspürt hat, um ein effizientes Ergebnis zu erzielen.
Zunächst unterscheidet man einen latenten von einem aktiven Triggerpunkt. Der Unterschied liegt darin, dass ein aktiver Triggerpunkt selbst in der Ruheposition Schmerzen erzeugt. Ein latenter Triggerpunkt hingegen ist nur schmerzhaft, wenn man den Punkt palpiert. Die unterschiedliche Sensibilität der Punkte ist nicht stabil, das heißt, dass latente Triggerpunkte durch bestimmte Faktoren relativ schnell zu aktiven Triggerpunkten avancieren. Aktive Triggerpunkte können aber auch zu latenten Triggerpunkten werden, insbesondere wenn die Faktoren fehlen, die einen Triggerpunkt aufrechterhalten (siehe Kap. 4.1).
Beim Pferd können aktive Triggerpunkte von latenten nicht ganz so einfach differenziert werden wie beim Menschen, der seine Schmerzen verbal kommunizieren kann. Wenn man jedoch sensibel genug palpiert, kann man eine höhere Schmerzhaftigkeit bei einem aktiven Triggerpunkt feststellen. Der aktive Triggerpunkt ist auch derjenige, der den Leidensdruck deutlich erhöht, und hat deshalb oberste Priorität bei der Behandlung.
Als Nächstes unterscheidet man primäre und sekundäre Triggerpunkte. Der primäre Triggerpunkt entsteht direkt aufgrund einer muskulären Läsion wie beispielsweise einer Überdehnung oder Überlastung. Der sekundäre Stresspunkt hingegen entsteht infolge eines primären Triggerpunkts, allerdings meist in der antagonistischen oder synergistischen Muskulatur. Da der Muskel, in dem der primäre Triggerpunkt entsteht, überlastet ist, wird die Arbeit sowohl der Gegenspieler als auch der synergistischen Muskulatur beeinträchtigt. Die Synergisten haben aufgrund der Einschränkung des Nachbarmuskels mehr Arbeit zu leisten, um den angeschlagenen Muskel zu kompensieren. In Folge davon kommt es deshalb auch in diesem Muskel zu einer Überbeanspruchung, die wiederum Triggerpunkte zur Folge hat. Diese Triggerpunkte sind sekundär entstanden und regenerieren sich, sobald man die primären Triggerpunkte behandelt hat.
Triggerpunkte entstehen, wenn die Muskulatur überlastet ist. Eine muskuläre Überlastung kann relativ schnell durch Verletzungen, aber auch durch hohe sportliche Leistungen eintreten.
Durch primäre Triggerpunkte entstehen noch weitere, im Prinzip sekundäre Triggerpunkte, die aber nicht als solche bezeichnet werden. Die Rede ist von myofaszialen Satelliten-Triggerpunkten, die in der Zone entstehen, in der es zu ausstrahlenden Schmerzen kommt, sowie von verwandten Triggerpunkten. Beide Punktarten sind beim Pferd von sekundären Stresspunkten schwierig zu unterscheiden, lösen sich aber ebenfalls auf, wenn die primären Triggerpunkte erfolgreich behandelt worden sind. Bei den verwandten Triggerpunkten handelt es sich um kleinere mTrP im Bereich des primären Triggerpunkts. Primäre myofasziale Triggerpunkte sind prominenter, schmerzhafter und eindeutiger zu lokalisieren. Sie nehmen bei deren Auflösung die sekundären, Satelliten- und verwandten Triggerpunkte quasi mit.
Da ein Behandlungserfolg nur gegeben ist, wenn der primäre Triggerpunkt aufgelöst wird, ist es wichtig, die bevorzugte Lage der primären mTrP zu kennen und diese auch als solche zu spüren. Die Abgrenzung zu anderen Punkten und Punktsystemen ist in diesem Zusammenhang für eine adäquate Behandlungsstrategie von großer Wichtigkeit.
Nur wenn der primäre Triggerpunkt behandelt wird, kann sich langfristig ein Behandlungserfolg einstellen, weil die Entstehung der sekundären Triggerpunkte von den primären abhängig ist.
2.1.2 Abgrenzung zu anderen Punktsystemen
Es kursieren unterschiedliche Begriffe für diverse Punkte und deren Behandlungsansätze in der therapeutischen Fachwelt. Häufig werden diese auch miteinander vermischt oder alternativ verwendet, was insbesondere den Laien verwirrt. Dies ist auch gar nicht verwunderlich, weil interessanterweise viele Punkte in ihrer Lokalisation übereinstimmen. Insbesondere kennt man die oft gleiche Lage von Trigger-, Tender- und Akupunkturpunkten. Trotzdem muss man diese Punkte klar voneinander trennen, weil sie anderen Systemen und Gesetzmäßigkeiten zugehören.
Bei all den angesprochenen Punkten handelt es sich um druckschmerzhafte Stellen am Körper, dennoch gibt es...