Willst du mich heiraten, Tina?« Das war der schlichte Satz, mit dem mir Erwin Bach, die Liebe meines Lebens – der Mann, in den ich mich auf den ersten Blick verliebt hatte, bei dem mir schwindlig wurde, kaum dass ich ihn erblickt hatte – , einen Antrag machte. Sein Englisch klang ein bisschen unbeholfen – Erwin ist Deutscher, Englisch ist also eine Fremdsprache für ihn – , aber es gefiel mir. Er war wohl etwas überrascht, als ich ihm erklärte, dass ich auf seine Frage keine Antwort wüsste. Sie lautete weder »Ja« noch »Nein«, so viel war klar.
All das geschah 1989, als wir drei Jahre zusammen waren. Ich steuerte auf meinen fünfzigsten Geburtstag zu, und Erwin, der dreiunddreißig war, meinte wohl, er müsste mir irgendwie beweisen, dass er sich mir verpflichtet fühlte. Das war ungeheuer lieb von ihm, aber mir gefiel unsere Beziehung so, wie sie war. Außerdem hatte ich ein ambivalentes Verhältnis zur Ehe. Durch eine Hochzeit kann sich vieles ändern, und zwar, wie ich aus schmerzlicher Erfahrung wusste, nicht unbedingt immer zum Besseren.
Dreiundzwanzig Jahre später (so viel zu Verpflichtungen) machte mir Erwin erneut einen Antrag. Diesmal war alles perfekt geplant: Wir kreuzten auf der Lady Marina, der Yacht unseres Freundes Sergio, mit einem Dutzend guter Freunde und Bekannter durchs Mittelmeer. Eigentlich hätte ich damals merken müssen, dass etwas im Busch war. Wir waren an einem hübschen Ort, aber Erwin fand die Umgebung noch nicht romantisch genug. Später erfuhr ich, dass er danach Sergio zurate gezogen hatte. Der hatte vorgeschlagen, zur griechischen Insel Skorpios zu fahren. Das sei der schönste Ort, den er kenne, für einen sehr romantischen Augenblick.
Als die Yacht an jenem Abend den Kurs änderte und unterwegs zu unserem neuen Ziel Geschwindigkeit aufnahm, fragte ich: »Wohin fahren wir, Liebling?« Erwin antwortete ausweichend, gab vor, es nicht zu wissen. Das allein war schon verdächtig, denn Erwin weiß immer alles. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, sah ich die zauberhafte Insel Skorpios vor mir, die früher einmal Aristoteles Onassis gehört hatte. Am Strand Jackies berühmtes Badehaus mit der blauen Tür.
Wir verbrachten einen ziemlich faulen Tag auf der Yacht. Ich suchte mir einen Platz im Schatten, um meine Haut zu schonen, während die anderen in der Sonne brutzelten. Dann trennten wir uns, um uns zum Abendessen fertig zu machen. Als wir uns wieder zu den Cocktails trafen, fiel mir auf, dass die Männer alle Weiß trugen. Wie hübsch, dachte ich, sie sehen wirklich gut aus in ihren weißen Jeans und weißen Hemden. Die Frauen waren ebenfalls in wunderschöne Sommer-Outfits gekleidet. Ich hatte ein elegantes und leichtes Kleid aus schwarzem Leinen angezogen. Es war ein wunderbarer Abend in netter Gesellschaft. Eine sanfte Brise wehte, und am Himmel stand der Mond. Doch nach dem Essen änderte sich die Stimmung plötzlich, und es lag eine gewisse Erwartung, ja, Aufregung in der Luft. Was ging hier vor sich?
Ich bemerkte, dass alle Blicke auf Erwin gerichtet waren. Und dann kam er auf mich zu und ging vor mir in die Knie. In der ausgestreckten Hand hielt er eine kleine Schachtel.
»Ich habe dich schon einmal gefragt, und nun frage ich dich noch einmal: Willst du mich heiraten, Tina?«, diesmal in perfektem Englisch. Die Männer hatten – was mich wirklich wunderte – Tränen in den Augen, und die Frauen juchzten, als ich bewegt »Ja!« rief. Ich sagte Ja zu Erwin und Ja zur Liebe. Ja zur Liebe meines Lebens. Dieses Bekenntnis fiel mir nicht leicht. Schließlich war ich inzwischen dreiundsiebzig und würde zum ersten Mal in meinem Leben Braut sein. Ja wirklich, zum ersten Mal. Ich heiße Tina Turner und war die Ehefrau von Ike Turner. Aber ich war niemals eine Braut.
Meine Hochzeit mit Ike – wenn sie den Namen Hochzeit überhaupt verdient – verlief anders, ganz anders. Im Gegensatz zu vielen Mädchen hatte ich früher nie davon geträumt, als Erwachsene einmal eine große Hochzeit zu feiern. Natürlich ging ich wie selbstverständlich davon aus, irgendwann zu heiraten, aber damals in Nutbush hatten wir keine besondere Vorstellung von solchen Festen mit einer Braut in Weiß und all dem Drumherum. Jedenfalls erinnere ich mich an nichts dergleichen, denn meine Eltern und Tanten und Onkel waren alle schon verheiratet, als ich auf die Welt kam. Wenn sie denn überhaupt eine Ehe eingegangen waren.
Ikes Antrag hatte mit Romantik nichts zu tun. Vielmehr ging es dabei in erster Linie um vertrackte Verhandlungen mit einer seiner Ex-Frauen, die vom Erfolg unserer Platten gehört hatte und Geld aus ihm herauspressen wollte. Ike war so oft verheiratet gewesen, dass ich irgendwann nicht mehr mitkam und völlig das Gefühl dafür verlor, ob er nun gerade geschieden oder verheiratet war. Ganz abgesehen von den unzähligen Freundinnen, die mit atemberaubender Geschwindigkeit auftauchten und wieder verschwanden. Ike schlief mit nahezu jeder Frau in unserem Dunstkreis oder legte es zumindest darauf an – ganz gleich, ob sie nun verheiratet, Single oder irgendwas dazwischen war. Ich weiß nicht mehr, wie er durch die Heirat mit mir sein Finanzproblem lösen wollte, doch nach Ikes Ansicht war es das richtige Manöver. Aus heiterem Himmel fragte er: »Willst du mich heiraten?« Einfach so – ruppig, kurz angebunden, ohne ein freundliches Wort. Wie Ike eben war.
Ich wollte eigentlich nicht, und aus heutiger Sicht weiß ich, wie sehr ich eigentlich nicht wollte. Zu jener Zeit hatte ich ihn schon von seiner schlimmsten Seite kennengelernt. Andererseits war unser Leben ziemlich kompliziert, mit den vier Kindern, die wir großzogen: unser gemeinsamer Sohn Ronnie, dann Craig, mein Sohn aus einer früheren Beziehung, und Ikes Söhne, die er mit seiner letzten Ehefrau Lorraine hatte, Ike jr. und Michael. Und natürlich war da noch unsere gemeinsame Karriere, die es nicht weniger kompliziert machte. Kurzum, damals glaubte ich, keine andere Wahl zu haben.
Ich beschloss, wenn ich tatsächlich heiratete, sollte ich wenigstens entsprechend aussehen. Ich zog eins meiner besten Kleider an und setzte einen schicken braunen Hut mit breiter Krempe auf. Ein Hut erschien mir irgendwie angemessen. Ich wollte nicht sexy wirken, wie auf der Bühne oder in einem Club, und war der Meinung, ein Hut sei seriöser und in gewisser Weise hochzeitsmäßiger. In Fragen der Etikette gab es niemanden, an dem ich mich orientieren konnte, da war ich ganz auf mich und mein Gefühl angewiesen. Denn wegen Ike hatte ich keine Freundinnen. Deshalb auch hatte ich mir angewöhnt, auf Flughäfen oder in einer fremden Stadt und insbesondere bei Auftritten in Europa die Menschen zu beobachten, um von ihnen zu lernen. Weil ich stets auf dem neuesten Stand sein wollte, las ich außerdem Modezeitschriften wie Vogue, Harper’s Bazaar oder Women’s Wear Daily. Durch sie lernte ich, wie man sich anzog, sich schminkte und allmählich seinen persönlichen Stil entwickelte.
Am Tag unserer Trauung fühlte ich mich nicht wie auf einer Hochzeit. Ich zog mich an und setzte mich neben Ike auf die Rückbank des Autos. Duke, der gewöhnlich unseren Bus fuhr, saß am Steuer und würde uns über die Grenze nach Mexiko bringen. Weil Duke und seine Frau Birdie, die unsere Jungs betreute, wenn wir auf Tournee waren, sozusagen zur Familie gehörten, fand ich es schön, ihn bei diesem Trip dabeizuhaben.
Ike hatte immer irgendwelche raffinierten Pläne. Jedenfalls hatte er herausgefunden, Tijuana sei der ideale Ort für eine Blitzhochzeit, ohne dass man dort nach einer Heiratserlaubnis oder dem obligatorischen Bluttest gefragt wurde. Womöglich wäre die Ehe nicht einmal gültig. Aber es hatte keinen Sinn, seine Entscheidungen anzuzweifeln. Er würde wieder nur ausrasten, und die Folge davon wäre eine weitere Attacke mit einem Kleiderbügel, einem Schuhspanner oder was Ike sonst gerade in die Finger fiel. Und ich wollte ganz bestimmt nicht mit einem blauen Auge vor den Altar in Tijuana treten.
Tijuana war in jenen Tagen eine schäbige Stadt mit einem noch schäbigeren Ruf. Wir überquerten die Grenze und fuhren dann eine staubige Straße entlang – mein Gott, dieser Staub! – zur mexikanischen Variante eines Friedensrichters. In einem schmuddeligen kleinen Büro schob mir ein Mann einige Papiere über den Schreibtisch zu, die ich unterschreiben musste. Das war’s. Auch ohne große Erfahrung, was Hochzeiten betraf, wusste ich, dass man in einem solchen Moment irgendwie bewegt und glücklich sein sollte. Ich war es aber nicht. Kein »Sie dürfen die Braut jetzt küssen!«. Kein Glas Sekt zum Anstoßen. Keine Glückwünsche. Kein Wort über den »Bund fürs Leben«.
Aber es kam noch schlimmer. Ike wollte Spaß haben in Tijuana, und zwar Spaß nach seinem Geschmack. Was machten wir also? Gingen geradewegs in ein Bordell. In unserer Hochzeitsnacht! Ich habe noch nie davon erzählt, weil ich es einfach zu beschämend fand.
Niemand kann sich wirklich vorstellen, wie Ike war. Welcher Mann geht mit seiner Frau gleich nach der Trauung in einen Puff, um sich dort live eine komplett pornografische Sexshow anzugucken? Aber da saß ich nun in diesem Drecksschuppen, musterte meinen sogenannten Ehemann aus den Augenwinkeln und fragte mich dabei: Gefällt ihm das wirklich? Kann das sein, so schrecklich, wie es ist? Der Mann auf der Bühne, ein unfassbar hässlicher Kerl, bekam keinen hoch, und das Mädchen … nun, ihre Darbietung war eher gynäkologisch als erotisch. Ich fühlte mich dabei die ganze Zeit über so elend, dass ich am liebsten geweint hätte. Aber es gab kein Entrinnen. Wir würden erst gehen, wenn Ike dazu bereit war, und Ike war noch lange...