151. Kapitel
Warum es sich für Sie lohnt, dieses Buch zu lesen
Der Schriftsteller Thomas Mann erzählt in seinem Roman „Buddenbrooks“ vom allmählichen Niedergang – oder wie es im Untertitel heißt: Verfall – einer wohlhabenden Lübecker Kaufmannsfamilie. Er beschreibt darin über vier Generationen hinweg die inneren und äußeren Umstände, die zum Fiasko führen: Stärken und Schwächen der Protagonisten, ihre Gefühle und Neurosen, ihre Ängste und Hoffnungen, aber eben auch Begebenheiten und historische Ereignisse, für die der Clan keine Verantwortung trägt und die dennoch maßgeblich zum Ruin beitragen. Am Ende steht die Familie vor einem emotionalen und finanziellen Scherbenhaufen. Anders ausgedrückt könnte man sagen: Den Buddenbrooks sind schlicht die Mitglieder mit kaufmännischem Geschick und unternehmerischer Weitsicht ausgegangen. Es fehlte ihnen an Strategie, Kraft und Substanz, ihr Handelskontor in die nächste Generation zu bringen.
Da Manns Meisterwerk der Realität durchaus nahekommt, ist das „Buddenbrook-Syndrom“ zum Synonym für den traurigen Verlauf vieler Firmengeschichten in Familienbesitz geworden: Die erste Generation baut das Unternehmen auf, die zweite sichert und stärkt es, die dritte wirtschaftet es herunter. Das legt nahe, dass Familienunternehmen höchstens zwei Nachfolgen schaffen, in der dritten Generation folgt das bittere Ende. Außerdem stellen Digitalisierung, Technologiesprünge und die Geschwindigkeit der Geschäftszyklen Risiken dar, die es heute schwer machen, das Familienunternehmen so weiterzuentwickeln, dass es überhaupt zur Übergabe bereitsteht.
Überall auf der Welt gibt es Sprichwörter, die dieses Szenario beschwören. In Deutschland lautet der Spruch dazu frei nach Thomas Mann: „Der Vater erstellt’s, der Sohn erhält’s, beim Enkel zerfällt’s.“ 16Die Brasilianer sagen „Pai rico, filho nobre, neto pobre“ – „Reicher Vater, edler Sohn, armer Enkel“. In Italien ist von „Dalle stalle alle stelle alle stalle“ die Rede, was so viel heißt wie „Vom Stall zu den Sternen und zurück zum Stall“. Und die Chinesen bringen es mit dem Satz „Fu bu gua san dai“ auf den Punkt: „Wohlstand überlebt nie drei Generationen.“
Und trotzdem ist es – den Unternehmerfamilien sei Dank – nur die halbe Wahrheit. Die Drei-Generationen-Formel spiegelt zwar nicht selten die Realität wider, ist aber keineswegs in Stein gemeißelt. Rund um den Erdball existieren Vorbilder für den Erhalt von Unternehmen über Jahrhunderte in nur einer Familienhand. Paradebeispiel hierzulande ist das 1253 gegründete Weingut Fürst Hohenlohe Oehringen, das als das älteste deutsche Unternehmen im Besitz einer Dynastie gilt. In Japan gibt es das älteste Familienunternehmen der Welt, ein traditionelles japanisches Hotel namens „Hoshi Onsen“, das 2018 stolze 1300 Jahre feiert und bei dem seit 46 Generationen immer der älteste Sohn das Unternehmen übernimmt. Gab es keinen, wurde der Ehemann der ältesten Tochter adoptiert, er musste seinen Namen in „Zengoro Hoshi“ ändern und bekam das Unternehmen.
Natürlich ist nicht allen Familienunternehmen eine solch lange Lebensdauer beschieden. Die meisten schaffen es nicht bis über die dritte Generation hinaus. Vielfach beerdigen nicht erst die Enkel das Erbe des Gründers, sondern schon dessen Kinder. Nach einer Studie von John Ward überleben von 100 Neugründungen nur 30 den ersten Generationenwechsel, den zweiten 13 und den dritten noch ganze drei Familienunternehmen. Denn wenn der Patriarch ergraut, geht es in Familienunternehmen manchmal zu wie in der Fernsehserie „Dallas“: Der Senior klammert, der Junior zaudert – und die Verwandtschaft zerschießt das Erbe.
Damit dem Aufstieg nicht der Niedergang folgt – die Notwendigkeit einer Nachfolgeregelung
Es gibt viele Ursachen, weshalb Jahr für Jahr Tausende Betriebe in Familienhand aufgegeben werden. Ein hoher Anteil der Schließungen geht auf gescheiterte Übergaben zurück. Das Thema ist seit Jahren bekannt und wird inzwischen verstärkt öffentlich diskutiert. Und doch ignorieren noch immer viel zu viele Unternehmerfamilien die Problematik und setzen damit unter Umständen ihr Vermögen und ihren Einfluss in der Gesellschaft aufs Spiel. Untersuchungen belegen: Wer die Suche nach einer stimmigen Nachfolgestrategie 17und einem geeigneten neuen Unternehmenslenker auf die lange Bank schiebt, gefährdet den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg. Je nach Studie bewegt sich der Anteil der Familienunternehmer, die kein langfristiges Nachfolgekonzept haben, zwischen 43 und 85 Prozent. Völlig unvorbereitete Firmen erwischt es besonders hart, wenn ihr Leitwolf plötzlich nicht mehr am Leben ist.
Doch langsam zeichnet sich ein Geisteswandel ab. Das wachsende Bewusstsein für die Notwendigkeit, vorbereitet zu sein, resultiert aus persönlichen Erfahrungen. Gerade weil es in Unternehmerfamilien auch um Geld, Einfluss und Macht geht, sind sie vor Streit und Stammesfehden nicht gefeit. Kinder bekommen diese Konflikte nicht selten an „vorderster Front“ mit und ziehen daraus Schlüsse für die Zukunft. Das Erleben von Zwietracht und Spannungen oder die Erinnerung an den Starrsinn der Großeltern, unter dem schon die Eltern litten, hat sich im Gedächtnis von Unternehmerkindern eingeprägt und zu der Erkenntnis geführt: Es kann und muss auch anders gehen, denn ein glücklicher Übergang zur nächsten Generation ist kein Hexenwerk – wenn man ihn früh genug angeht, die Weichen stellt und alle Beteiligten rechtzeitig einbindet. Gerade bei den 20- bis 40-jährigen Unternehmerkindern hat sich dieses Bewusstsein inzwischen durchgesetzt, wozu auch eine wachsende Zahl einschlägiger Studiengänge, spezielle Weiterbildungen für Nachfolger und zahlreiche Konferenzen und Veranstaltungen beitragen.
Hilfreich ist schon die Erkenntnis, dass die Nachfolge in Familienunternehmen selten geradlinig wie ein 100-Meter-Sprint vonstattengeht, sondern einen vielschichtigen Komplex unterschiedlichster Faktoren, Varianten und Optionen bildet, in dem unternehmerischen, innerbetrieblichen, familiären, persönlichen, menschlichen, juristischen, steuerlichen, finanziellen und emotionalen Aspekten Rechnung zu tragen ist. Erst wenn diese Ebenen im Einklang sind und jeder Beteiligte den damit verbundenen Entscheidungen zustimmen kann, ist der Weg zur Sicherung des Unternehmens und zu nachhaltigem Familienfrieden geebnet.
Ihr Fazit: Wo stehen Sie in Ihrem Nachfolgeprozess?
Mithilfe des folgenden Fragenkatalogs können Sie überprüfen, wie weit Sie in Bezug auf Ihre persönliche Nachfolgestrategie schon sind. Bitte beantworten Sie – je nachdem, ob Sie Eltern oder Nachfolger in spe sind – die folgenden Fragen zu Familie, Unternehmen, Gesellschafterkreis und zu Ihrer Person mit Ja oder Nein. Wenn Sie sich nicht sicher sind, nicht eindeutig antworten können oder etwas nicht wissen, dann kreuzen Sie bitte die mittlere Spalte an.
Wir haben die Kinder/Meine Eltern haben mich schon früh mit dem Unternehmen vertraut gemacht. | | | |
Wir reden offen über die Zukunft. | | | |
Die Familie hat einen starken Bezug zueinander und hält zusammen. | | | |
Wir treffen uns regelmäßig im Familienkreis. | | | |
Alle sind sich darin einig, dass das Unternehmen vorgeht. | | | |
Was auch immer ich/die Eltern entscheide/n, es wird den Zusammenhalt in der Familie nicht beeinflussen. | | | |
Alle Familienmitglieder unterstützen die Entscheidung des Nachfolgers in spe – egal, wie sie ausfällt. | | | |
Am Ende finden wir immer einen gemeinsamen Konsens, selbst wenn vorher gestritten wurde. | | | |
Die Familie trifft sich regelmäßig, um Traditionen zu pflegen und gemeinsam Spaß zu haben. | | | |
Unser Unternehmen gibt es schon seit mehreren Generationen und wir können auf die Erfahrungen erfolgreicher Übergaben zurückgreifen. | | | |
Wir tauschen uns über zukünftige Herausforderungen auf Augenhöhe aus und erzielen Einigkeit in diesen Themen. | | | |
Die Digitalisierung unseres Unternehmens und unseres Geschäftsmodells treiben wir voran. | | | |
Innerhalb unserer Branche(n) sind wir den Wettbewerbern immer mindestens einen Schritt voraus. | | | |
Unsere Ertragslage ist gut und wir haben eine gesunde Eigenkapitalquote. | | | |