11. Kapitel
Überblick zum Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht
I. Allgemeines
Die Erbschaftsteuer hat zum Ziel, den unentgeltlichen Vermögensübergang von einer Person auf eine andere Person steuerlich zu erfassen. Es kann sich um einen Erwerb von Todes wegen handeln oder aber um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden. Die deutsche Erbschaftsteuer knüpft dabei an den Erwerb des Erben oder sonstigen Erwerbers (Beschenkten) an, nicht an das vom Erblasser hinterlassene Vermögen (Erbanfallsteuer). Die Erbschaft- und Schenkungsteuer richtet sich also nach der Bereicherung, die dem einzelnen Erwerber aufgrund des Erbfalls beziehungsweise der Schenkung zufließt. Die durch diese Bereicherung aufgrund des Erbes beziehungsweise der Schenkung eingetretene Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Empfängers soll besteuert werden. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist insoweit mit der Einkommensteuer verwandt. Sie unterscheidet sich von der Einkommensteuer allerdings dadurch, dass sie nicht an eine am Markt gebildete Wertschöpfung und somit nicht an das Markteinkommen, sondern an einen Vermögenstransfer anknüpft. Sie wird daher wie beispielsweise die Umsatzsteuer oder die Grunderwerbsteuer als Verkehrssteuer eingeordnet. Das Besteuerungssystem der Erbschaft- und Schenkungsteuer berücksichtigt das persönliche Verhältnis eines jeden einzelnen Erwerbers zum Erblasser oder Schenker. Die Steuerberechnung richtet sich also nach der Höhe der persönlichen Freibeträge 2und des anzuwendenden gestaffelten Steuertarifs und steht daher grundsätzlich in Abhängigkeit des Verwandtschaftsgrads des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker.
II. Entwicklung der Reform
Im Jahre 1996 mit Stichtag zum 1.1.1996 hat das Bundesverfassungsgericht eine entscheidende Wende in Bezug auf das Erbschaftsteuergesetz vorgenommen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte die Frage zu klären, ob die ungleiche Bewertung von Grundbesitz im Gegensatz zur Besteuerung von Kapitalvermögen verfassungsgemäß sei. In seiner Entscheidung vom 22.6.1995 wurde der Gesetzgeber aufgefordert, die Bewertung vor allen Dingen des Grundvermögens auf den Stand der Verkehrsbewertung anzuheben. Mit dieser Reform endete der Ansatz des Wertes nach dem sogenannten Einheitswert des Grundvermögens.
Damit einhergehend erfolgten eine Änderung der Steuerklassen, eine Anhebung der persönlichen Freibeträge und eine Neugestaltung der Steuertarife. Vor allem im Bereich der Unternehmensvermögen wurden größere Steuervergünstigungen für zu übergebendes Unternehmensvermögen im Gesetz aufgenommen. Ein Unternehmensvermögen war gegeben, wenn die Betriebsvermögenseigenschaften vorgelegen hatten. Dabei genügte die Rechtsform der sogenannten gewerblich geprägten Personengesellschaft (GmbH & Co. KG).
Mit Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.5.2001 – II R 61/99 wurden die Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes erneut bemängelt und abermals zur Überprüfung auf dessen Verfassungsmäßigkeit hin dem BVerfG vorgelegt. Einer der Kritikpunkte war, dass das Erbschaftsteuergesetz einen einheitlichen Steuertarif auf verschiedene Vermögensgegenstände anwende. So war Gegenstand des Streitfalls die grundsätzliche Frage, ob die Gesetzesbestimmungen des § 19 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 S. 1 und 2 und § 12 ErbStG wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig seien. § 19 Abs. 1 ErbStG sehe die Anwendung eines einheitlichen Steuertarifs auf alle Erwerbsvorgänge vor, obwohl 3Betriebsvermögen, Grundbesitz, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften nur mit einem geringeren Teil ihrer Verkehrswerte in die Bemessungsgrundlage eingingen und übriges Vermögen mit dem gemeinen Wert, § 9 BewG, oder einem diesen vergleichbaren Wert, §§ 10–16 BewG, anzusetzen sei. Während ein geschenkter oder vererbter Geldbetrag mit seinem sogenannten Nominalwert anzusetzen und es dem Beschenkten oder Erben somit nicht möglich war, eine Verminderung dieses Nominalwerts über die üblichen persönlichen oder sachlichen Freibeträge hinaus zu erreichen, wurde das Grundvermögen mit einem sehr viel niedrigerem Ansatz der Erbschaft- oder Schenkungsteuer unterworfen.
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7.11.2006 bestätigte diese Verfassungswidrigkeit. Die Erhebung knüpfe bisher an Werte an, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften sowie land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht genüge. In der Konsequenz dieser Entscheidung wurde der Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.12.2008 eine Neuregelung zu treffen und die Besteuerung im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG an der aus dem Erwerb folgenden Steigerung der Leistungsfähigkeit auszurichten und dadurch eine Belastungsgleichheit herzustellen. Am 25.5.2007 haben sich die Regierungsparteien im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerreform 2008 am 25.5.2007 dafür ausgesprochen, die Erbschaftsteuer beizubehalten und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Da die Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer den Vermögenszuwachs besteuert, sei die Bemessungsgrundlage stets am gemeinen Wert des Erwerbs auszurichten. Der Gesetzgeber war aufgefordert, bereits bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage die gemeinen Werte zugrunde zu legen. Erst in einem zweiten Schritt sollte die Möglichkeit gegeben sein, für bestimmte Vermögensgegenstände Befreiungen vorzusehen. Die Grundlage für die einheitliche Bewertung auf der Basis des Verkehrswerts war geschaffen.
4Das Gesetz war zum 1.1.2009 in Kraft getreten. Es war im Kern geprägt durch 3 wesentliche Elemente, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 7.11.2006 vorgegeben hatte:
■ Völlige Neufassung der wesentlichen Bewertungsvorschriften,
■ Neuregelung der Verschonungsregelungen sowie
■ Veränderungen bei Freibeträgen und Steuertarif.
Die umfassendsten Veränderungen haben sich im Rahmen der Bewertungsvorschriften ergeben. Es sollten nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts alle Vermögenswerte mit einem zumindest dem Verkehrswert nahekommenden Wert angesetzt werden. So kam es insbesondere bei Immobilien und Betriebsvermögen zu einer deutlichen Anhebung der der Besteuerung unterliegenden Werte. Zu keinen wesentlichen Änderungen kam es bei der Bewertung börsennotierter Kapitalgesellschaften und zum Privatvermögen zu rechnenden Vermögensgegenständen.
Für die Bewertung wurden typisierte Bewertungsverfahren eingeführt. Zunächst sollten diese Regelungen in gesonderten Rechtsverordnungen aufgenommen werden. Man entschied sich dann aber, die Regelungen als Gesetz zu beschließen. Rechtsverordnungen werden nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber, sondern von der Exekutive (Regierung) erlassen. Förmliche Gesetze sind dagegen vom parlamentarischen Gesetzgeber zu beschließen und daher unmittelbar unter dem Grundgesetz (der höchsten Norm des Bundesrechts) einzuordnen.
Die Reform hatte somit eine entscheidende Regelung, nämlich den Ansatz der Verkehrswerte.
In der Pressemitteilung (Nr. 11/2007 vom 31. Januar 2007) zu diesem Beschluss heißt es: „Dem Gesetzgeber ist es unbenommen, bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe in einem zweiten Schritt der Bemessungsermittlung mittels Verschonungsregelungen den Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände zu begünstigen. Die Begünstigungswirkungen müssen hinreichend zielgenau und innerhalb des Begünstigerkreises möglichst gleichmäßig eintreten. Schließlich kann der Gesetzgeber auch mittels Differenzierungen beim Steuersatz eine steuerliche Lenkung verfolgen.“
5Die wesentlichen Begünstigungen wurden fast ausschließlich Unternehmen zugedacht. Entscheidend war sicherlich, dass die Unternehmer die Gefährdung von Arbeitsplätzen reklamiert hatten, soweit sie mit nicht bezahlbarer Erbschaft- oder Schenkungsteuer belastet würden. Sie erhielten daraufhin eine sogenannte Regelverschonung mit einem Abschlag von 85% bei einer Behaltensfrist von 7 Jahren. Die Lohnsumme müsse in dieser Zeit durchschnittlich 650% erreichen. Weitere Voraussetzung war, dass das Verwaltungsvermögen weniger als 50% betrug. In § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG wird das Verwaltungsvermögen definiert. Dort heißt es u.a. „Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten.“ Damit hat der Gesetzgeber die private Vermögensverwaltung vollkommen von den Steuerbefreiungen für Unternehmer ausgeschlossen.
In einer weiteren Entscheidung des BVerfG vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12) wurden die Regelungen der §§ 13a und 13b ErbStG jeweils i.V.m. § 19 Abs. 1 ErbStG als mit Art. 3 Abs. 1 GG, dem Gleichheitsgrundsatz, unvereinbar angesehen. Gleichzeitig wurde der Gesetzgeber aufgefordert, die Privilegierung bis zum 30.6.2016 zu überarbeiten. Wie bekannt verstrich dieser Termin ohne gesetzliche Änderungen. Nachdem das BVerfG in einer Presseerklärung vom 14.7.2016 angekündigt hatte, sich nach der Sommerpause Ende September 2016 zum weiteren Vorgehen zu beraten, hat auch der Vermittlungsausschuss am 22.9.2016 eine Beschlussempfehlung abgegeben, die der Deutsche Bundestag am 29.9.2016 angenommen hatte. Mit dem Gesetz zur „Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ (BT-Drs. 18/9690) erfolgte die Umsetzung.
Die...