Das GAIA-Prinzip
„Löst der Mensch sich von der natürlichen
rhythmischen Naturordnung,
wie es in modernen Zivilisationen passiert,
dann kommt es nicht nur zu
chronischen Zivilisationskrankheiten,
sondern auch zu ökosozialen Problemen.“
Univ. Prof. Max Moser; Med-Uni Graz
Das GAIA-Prinzip besteht aus acht Phasen, die sich zyklisch wiederholen und in denen die mitteleuropäische Jahreszeitenabfolge abgebildet ist.
Das GAIA-Prinzip in seiner Grundstruktur
Das GAIA-Prinzip entspricht dem Sonnenjahr: Rechts in dieser Kreisdarstellung entwickelt sich der Aufschwung der länger werdenden Tage im Frühling, links der darauffolgende Abschwung im Herbst. Oben und unten liegen die Ruhepole von Sommer und Winter, an denen sich die Tageslänge kaum ändert. Sonnwenden und Tagundnachtgleichen liegen an den orthogonalen Achsen. Damit zeigt sich die erste Grundeigenschaft des Prinzips: abwechselnde Aktivitäts- und Ruhezeiten.1
In Mitteleuropa hat sich in jahrtausendelangen Beobachtungen natürlicher Entwicklungen auf der Erde und im Kosmos gezeigt, dass es bestimmte Tage gibt, an denen eine Zeitqualität sich abschließt und eine neue beginnt. Diese Tage markieren einen Übergang, spezielle Zeiträume und sind in ihrer Qualität und ihren Aspekten als Richtwerte und als Orientierung zu verstehen. Entsprechend zugeordnete Naturzeitqualitäten können davor oder danach spürbar vorhanden sein und sind nicht immer als abrupter Übergang erlebbar.
„Alles Leben beginnt in der Dunkelheit“, zitierte auch Goethe die Weisheit unserer Urahnen. Jeder Samen reift im Schoß der dunklen Erde, jedes keimende Lebewesen entwickelt sich im Mutterleib vom Innen zum Außen. Die ursprüngliche Tageszählung begann mit der Nacht und das Jahr setzte am 1. November ein, am Tag des Sterbens, der Würdigung der Ahnen. Deshalb beginnt jeder GAIA-Zyklus mit Rückzug, Sterben, Loslassen.
Im Brauchtum haben die genannten Tage fixe Bedeutungen, die teilweise seit Tausenden von Jahren zelebriert werden. Oft ist uns die ursprüngliche Kraft dieser Tage nicht mehr bewusst und liegt wie ein „versteckter Schatz“ im Untergrund. Mythologische und geomantische Sichtweisen bringen Licht in diesen Schatz und lassen erkennen, wie viele gebräuchliche Symbole, Farben, Riten immer noch die alten Weisheiten in sich tragen.
Auf den folgenden Seiten findet sich nun eine Übersicht der acht Phasen des Prinzips, jeweils mit Bezug auf die Natur und parallel dazu mit Bezug auf die Organisation/das Unternehmen.
Jede dieser Phasen wird dann noch einzeln ausführlich erläutert.
Das GAIA-Prinzip und seine Entsprechungen im Jahreslauf
Phase und ihre Aspekte | Bildhafte Beschreibung dieser Phase in der Natur | Mögliche Entsprechung in Organisation, Unternehmen, Projekten |
Essenz & Rückzug Ursprung, Abschied, Wurzeln Beginn: 31.10/1.11 | In der Natur wird es ruhiger. Die Pflanzen ziehen ihre Säfte in die Wurzeln zurück. Viele Tiere beginnen ihren Winterschlaf. Die Tage werden immer kürzer, die Dunkelheit nimmt zu. Die Menschen gedenken der Toten. Christliche Spiritualität sieht vor, im „Advent“ die „stillste Zeit“ im Jahr zu leben. | Nach getaner Arbeit, nach Erfolgen die Aktivität loslassen und zurückblicken. Wertschätzendes Feedback geben und dafür Freiräume schaffen. Was war wesentlich, die „Essenz“? Was war der Ursprungsimpuls? Was hat sich im letzten Zyklus entwickelt? Was können wir daraus lernen? Was darf sterben, um Platz zu schaffen für Neues? |
Innehalten Aus Stille, Kontemplation, Chaos entsteht innere Wandlung Beginn: 21. 12. | Wendepunkt – Weihnachtsfriede. Schnee bedeckt die Landschaft, Samen ruhen darunter. Früher blieben die Menschen im Haus und lebten von den Vorräten. Werkzeuge wurden geprüft, repariert. Es wurde gesponnen, gewebt, Geschichten erzählt. Die Tage werden langsam wieder länger. | Den Beitrag zum größeren Ganzen sehen. Arbeiten ruhen lassen. Entschleunigung, Orte der Stille erlauben, Auszeit nehmen, tiefe Erneuerung zulassen. Netzwerke pflegen, neue Verbündete erkennen Resilienz schaffen. Die tieferliegende Ordnung wiederherstellen. „Kassasturz“: Inventur von Themen, Aufgaben, Ressourcen. |
Vision Träume, intuitives Wissen, Inspiration Beginn: 2.2. | Schnee und Eis, erste zaghafte Knospen und Blüten zeigen sich. Verkleidung: Was wollen wir eigentlich sein? Draußen wird es heller, klarer, aber es ist noch sehr kalt. Die Vorräte gingen zur Neige, die Menschen fasteten. Zeit der Reinigung, damit Neues entstehen kann. | Welche Vision zeigt sich? Wo entfacht sich der Funke der Begeisterung? Klarheit schaffen. Was ist die nächste Aufgabe? Die bestmögliche Zukunft vorbereiten: Innovation zulassen und fördern. Den Weg skizzieren. |
Wachstumsbeginn Planen, Beginn von Aktion und Umsetzung Beginn: 21.3. | Tag und Nacht sind gleich lang. Der Schnee schmilzt, die Tage sind wieder länger und wärmer. Die Keimlinge eines Samens durchbrechen die schützende Kapsel und bilden Knospen. Aussaat. Höhepunkt der Reinigungsund Fastenzeit. Erneuerung im Osterfest. Das neue Leben wird sichtbar. | Planung, Strategie, Maßnahmen und Budget festlegen, Chancen und Risiken erkennen. Rahmenbedingungen schaffen für mehr Kreativität und Talente-Förderung. Ausbildungen starten. Operativer Projektbeginn mit Start-up, Team-Building-Maßnahme und Feier. |
Flow & Wachstumshöhepunkt höchste Aktions-Intensität, Handeln Beginn: 30.4./1.5. | Die Natur wächst wild und unbezähmbar in die Höhe, erweitert ihre bisherigen Grenzen. Strotzende, erotische, pulsierende Lebenskraft ist am Werk. Zeit des Blühens, des Begehrens, der Schönheit und Ästhetik. | Flow, Spaß, Freude, Energie, Lust auf Ästhetik: Wie fließt Schönheit in die Arbeit ein? Humor? Anregungen von außen (z. B. Kundenfeedback) nutzen. Dialog-Methoden im Team anwenden. |
Reifen Genuss, Pflege, Feuerkraft Beginn: 21. 6. | Wendepunkt zur Sommersonnenwende. Nährende Feuerenergie, die das Wachstum in die Höhe abschließt und stattdessen nun ein Reifen in die Breite ermöglicht. Aus den Blüten reifen Früchte. Optimales Gedeihen von Gemüse und Früchten erfordert achtsame, nachhaltige Pflege. | Feedback- und Kommunikationskultur pflegen, vor allem nach innen. Konsolidierung und Strukturierung der Kräfte und Aktivitäten. Empowern statt Auspowern; keine Über- oder Unterforderung. Ausreifen ermöglichen. Was ist noch wichtig für eine optimale Fertigstellung? |
Ernteschnitt Entscheidung, Abschluss Beginn: 2.8. | Die Ernte ist ausgereift und wird geschnitten, gemäht, gepflückt und haltbar gemacht. Der Doppelaspekt des Hochsommers zeigt sich in Fülle und Zerstörung. Das Getreide, die Früchte müssen zum richtigen Zeitpunkt geerntet, geschnitten werden. Auch Unreifes wird vom Feld, vom Baum genommen. Als Kompost wird es zum Dünger für die nächste Wachstumsphase. | Prüfen, was fertig ist. Den richtigen Zeitpunkt für den Abschluss, Ernteschnitt finden. Die Essenz des Gereiften erkennen. Entscheidungen treffen, auch endgültige. Das Unfertige abschließen und die darin gebundenen Ressourcen freimachen. Auch Fehler sind Feedback. Mut zu Fehlern! Gelerntes und Erfahrungen sichern und teilen, z. B. in MitarbeiterInnen-Gesprächen. |
Erntedank Wertschätzung, Bilanz erstellen Beginn: 21.9. | Tagundnachtgleiche. Die Tage werden ab nun kürzer. Der Herbst ist da. Die Natur feiert sich in ihrer goldenen Pracht und zieht sich dann mehr nach innen zurück, um die Kräfte des Lebens zu erneuern... |