1.Warum Aktien die bessere Alternative sind
„Geld, das Zinseszinsen trägt, wächst anfangs langsam.“
– RICHARD PRICE
Die Aufteilung oder Allokation (englisch „Allocation“) des Vermögens auf die einzelnen Anlageklassen (auch Assetklassen genannt) gilt als die wichtigste Einzelentscheidung der Kapitalanlage. Unterstützt wird diese Einschätzung durch die akademische Forschung, die davon ausgeht, dass bis zu 90 Prozent der langfristigen Anlagerenditen auf die Asset Allocation zurückzuführen sind.
Üblicherweise beginnt die Asset Allocation mit der grundsätzlichen Entscheidung, welchen Anteil Ihres Vermögens Sie in Aktien investieren sollen, welchen Anteil in Anleihen, Immobilien, Rohstoffe, Gold und neuerdings Bitcoin. Manche Vermögensverwalter verwenden dabei pauschale (und häufig geradezu skurrile) Faustregeln wie 100 (alternativ 110 oder 120, je nach Gusto) abzüglich des Lebensalters als den prozentualen Anteil, den ein Anleger idealerweise in Aktien investieren sollte. Auch wenn diese Formeln recht willkürlich erscheinen, so beachten sie immerhin die grundlegende Einsicht, dass jüngere Anleger grundsätzlich risikofähiger sind als ältere. Hintergrund ist, dass jüngere Anleger in Form ihres langfristigen Arbeitseinkommens über einen „zinsähnlichen“ Einkommenszufluss verfügen. Problematisch wird es dagegen im weiteren Verlauf der Asset Allocation, wenn zu entscheiden ist, welche Anteile des Vermögens innerhalb der einzelnen Assetklassen investiert werden sollen. Nachfolgende Tabelle der Möglichkeiten innerhalb der Assetklasse Aktien zeigt, wie schwierig eine Abgrenzung und erst recht eine Allokation innerhalb dieser einen Assetklasse ist.
Abbildung 1Asset Allocation im Bereich Aktie
Regionale Allokation (Auswahl) | Größen-Allokation | Sektor-Allokation (Auswahl) |
Deutsche Aktien | Global Titans | Banken und Versicherungen |
Aktien in der EU-Zone | Large Caps | Energiewerte |
Aktien aus Großbritannien, Schweiz etc. | Mid Caps | Einzelhandel |
US-Aktien | Small Caps | Rohstoffwerte |
Chinesische Aktien (alternativ BRIC) | Micro Caps | Immobilien-Aktien |
Aktien aus Schwellenländern | Nano Caps | Alternative Energien |
| | Autohersteller und -zulieferer |
Quelle: Eigene Darstellung
Angesichts der schier unendlichen Kombinationen allein in der Asset Allocation von Aktien ist es kein Wunder, dass jeder professionelle Anlageberater ein eigenes System hat, nach dem er ein auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Portfolio verspricht. Ich habe jedoch meine Zweifel, ob diesen Systemen präzise Informationen über die für jede Assetklasse erwarteten Renditen, Volatilitäten (Risiken) und die wechselseitigen Korrelationen zwischen den enthaltenen Anlageklassen zugrunde liegen.
Das Problem dieser Vorgehensweise ist, dass beim Blick auf das Ganze wichtige Details nicht beachtet werden. Ist es wirklich wichtig, inwieweit die Asset Allocation zu 20 oder 30 Prozent auf Large Caps oder zu 60 oder 70 Prozent auf ausländischen Aktien beruht? Solange sich ein Vermögensverwalter mit diesen Aspekten beschäftigt, fehlt am Ende die Zeit, innerhalb der Allocation die richtigen Einzeltitel auszuwählen. Hier kostet Sie eine falsche Auswahl viel mehr, als Sie je mit einer 5-prozentigen Feinjustierung möglicherweise gewinnen könnten.
Dabei kommen seit Jahrzehnten alle Studien zum gleichen Ergebnis: Langfristig sind Aktien die mit Abstand überlegene Anlageform. Zwischen 1959, als der Hardy-Index, Vorgänger des Index der Börsen-Zeitung und damit des Deutschen Aktienindex DAX, erstmals berechnet wurde, und dem Jahr 2017 erreichte der DAX einen durchschnittlichen jährlichen Kurszuwachs von 5,7 Prozent. In 40 der vergangenen 58 Jahre schloss der DAX zum Jahresende mit einem Zugewinn ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Aktienjahr mit einem Plus abschließt, liegt mithin bei rund 69,0 Prozent. In einem Gewinnjahr lag der durchschnittliche Kursanstieg bei 20,4 Prozent, während der durchschnittliche Verlust in einem Verlustjahr bei 18,4 Prozent lag.
Weder Anleihen noch Gold oder Rohstoffe, noch nicht einmal Immobilien in 1a-Lagen wie der Münchener Innenstadt konnten auch nur annähernd an die durchschnittliche jährliche Rendite eines breiten – und nicht gerade besonders „intelligent“ zusammengestellten – Marktindex wie dem DAX heranreichen. Besonders bemerkenswert ist, dass diese Überlegenheit gegenüber anderen Assetklassen für nahezu jeden Zeitraum belegt werden kann. Als Beispiel dient die Situation in Deutschland seit der Wiedervereinigung:
Abbildung 2Performance von Assetklassen in Deutschland seit der Wiedervereinigung2
Quelle: Bloomberg
„Aber“, werden Sie einwenden, „die Unterschiede in den Durchschnittswerten sind doch gar nicht so groß. Ob durchschnittlich 8,6 Prozent für den DAX oder 5,1 Prozent für Anleihen … das spielt doch keine so große Rolle!“ Doch, tut es. Natürlich nicht auf kurze Sicht von zwei oder drei Jahren, wohl aber langfristig. Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen Betrag von 10.000 Euro, den Sie über einen Zeitraum von 30 Jahren anlegen möchten. In diesem Fall ergeben sich in Ihrem Endvermögen gravierende Unterschiede, wie nachstehende Abbildung 3 erkennen lässt:
Abbildung 310.000 Euro, angelegt über 30 Jahre, ergeben ein Endvermögen von …
Quelle: Bloomberg
Während Sie Ihr Vermögen mit Gold innerhalb von 30 Jahren gerade einmal knapp vervierfachen, steigt Ihr Endvermögen mit MDAX-Aktien auf 222.816 Euro an – vorausgesetzt, die nächsten Jahrzehnte verlaufen so wie die vergangenen. Eine auf den ersten Blick kleine Differenz hat also langfristig erhebliche Auswirkungen. Nun werden Sie vielleicht einwenden, dieses Ergebnis sei Zufall. Es hänge von der gewählten Datenlage ab, andere Anfangs- und Endzeitpunkte führten zu ganz anderen Ergebnissen. Schließlich dürfe man keiner Statistik trauen, die man nicht selbst gefälscht habe. Bleiben wir beim DAX, dem einzigen deutschen Aktienindex, für den langfristige Kursdaten von mehr als 50 Jahren zur Verfügung stehen. Gehen wir also nochmals zurück bis ins Jahr 1959, in dem der DAX zum ersten Mal berechnet wurde, und wählen den 30-Jahres-Horizont, der seither die schlechteste Entwicklung gezeigt hat (das ist der Zeitraum von 1960 bis 1990), dann ergibt sich eine durchschnittliche Kursentwicklung von knapp 3,3 Prozent pro Jahr. Würden Sie Ihren Kapitaleinsatz von 10.000 Euro zu jährlich 3,3 Prozent anlegen, hätten Sie nach 30 Jahren ein Vermögen von 26.486 Euro verdient. Selbst mit der schlechtestmöglichen Performance des DAX schlagen Sie auf lange Sicht zumindest das Sparbuch.
Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum das so ist? Warum Aktien, unabhängig von der Größenklasse, eine deutlich bessere Performance als andere Assetklassen aufweisen? Diese einfach klingende Frage ist Gegenstand zahlloser wissenschaftlicher Abhandlungen. Die Erklärungen reichen von stärkeren Schwankungen, denen Aktien im Vergleich zu Anleihen ausgesetzt sind, bis hin zur Nachrangigkeit des Eigenkapitalgebers im Falle der Insolvenz des Schuldners und dem dadurch höheren Risiko. In der Tat sind sich die Autoren uneins, möglicherweise ist die Risikoprämie, wie die Renditedifferenz auch genannt wird, einfach nur Ausdruck der höheren Forderungen, die ein Investor an Aktien im Vergleich zu Anleihen stellt. Auf jeden Fall ist die gewöhnlich zu lesende Begründung, Aktien seien die riskantere Anlageform, weil sie eine höhere Durchschnittsrendite aufweisen müssten, ebenso einfältig wie falsch. Im Einzelfall, und der ist für Sie als Anleger relevant, ist der Kauf einer bestimmten Anleihe nicht automatisch mit einem geringeren Risiko verbunden als der Kauf einer bestimmten Aktie:...