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E-Book

Naturwissenschaftler reden von Gott

VerlagBrunnen Verlag Gießen
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783765573705
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
' ... als der Taxifahrer von meinem Beruf erfuhr, stellte er ganz erstaunt fest: 'Sie sind eine Physikprofessorin, die glaubt?' So etwas war ihm wohl noch nie begegnet.' So wie Barbara Drossel geht es auch den anderen Autoren, die in diesem Buch erzählen, wie sie geworden sind, was sie sind. Ihr Lebensweg führte sie ans CERN und zur NASA, sie beschäftigen sich mit Bakterien und Tumoren. Gleichzeitig sind sie überzeugte Christen, die in der Bibel lesen und sonntags in den Gottesdienst gehen. Und sie sind keine gespaltenen Persönlichkeiten, sondern halten den christlichen Glauben auch in der heutigen Zeit für relevant und gut fundiert. Sie sind überzeugt: Glaube und Wissenschaft ergänzen einander. Mit Beiträgen von: Alister McGrath (Prof. f. Wissenschaft u. Religion, Oxford), Peter C. Hägele (Prof. f. Physik, Ulm), Joan Centrella (NASA), Siegfried Scherer (Prof. f. Mikrobielle Ökologie, München), Barbara Drossel (Prof. f. Theoretische Physik, Darmstadt), Francis Collins (ehem. Leiter d. Human Genome Projects), Monika Schönhoff (Prof. f. Polymere und Nanostrukturen, Münster), Jonathan Sleeman (Prof. an der medizinischen Fakultät, Heidelberg/Mannhein) und Robert White (Prof. f. Geophysik, Cambridge).

Barbara Drossel, Jahrgang 1963, studierte Physik in München und Straßburg. Von 1999 bis 2001 arbeitete sie u.a. an einem Forschungsprojekt an der Universität von Tel Aviv. Seit 2002 ist sie Professorin für Theoretische Physik an der Technischen Universität Darmstadt. Für einen Beitrag über den 'Zufall in der Evolution' wurde sie 2011 mit dem Herrenalber Akademiepreis ausgezeichnet.

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Leseprobe

Wissenschaft, Glaube
und der Sinn hinter den Dingen

Alister McGrath

Alister McGrath wurde in Belfast geboren und war überzeugter Atheist, bis er sein Universitätsstudium begann. Er studierte Chemie in Oxford und promovierte in Biochemie, bevor er zur Theologie wechselte und auch in diesem Fach promoviert wurde. Von 1995 bis 2005 war er Direktor der Wycliffe Hall an der Universität von Oxford; 2008 wechselte er von einem Lehrstuhl in historischer Theologie an der Universität Oxford auf eine Professur für Theologie, Gemeindedienst und Erziehung am King’s College London. 2014 wurde er auf die Andreas-Idreos-Professur für Wissenschaft und Religion an der Universität Oxford berufen. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Verhältnis von Wissenschaft und christlichem Glauben, zu denen auch zwei viel beachtete Erwiderungen auf die Ideen von Richard Dawkins gehören.1

„Wahre Wissenschaftler glauben nicht an Gott!“ Diese Parole wird jedem bedrückend vertraut sein, der sich mit den endlosen Exkursen, Übertreibungen und Missverständnissen auseinandergesetzt hat, die sich in Richard Dawkins’ Der Gotteswahn finden. Hinter diesem Satz steht eine Sichtweise, die nur durch den schonungslosen Einsatz selektiver Wahrnehmung und überladener Überrumpelungsrhetorik aufrechterhalten werden kann, die aber nicht auf einer auf wissenschaftlichen Belegen gründenden Argumentation beruht. Dennoch ist es eine Sicht der Dinge, die anscheinend viele in der westlichen Kultur als der Weisheit letzter Schluss anzunehmen bereit sind. Schon Karl Marx wies darauf hin, dass die beständige Wiederholung dessen, was grundsätzlich unwahr ist, den Eindruck erzeugt, dass es vertrauenswürdig und verlässlich sei.

Dawkins hält es für eine selbstevidente Wahrheit, dass die Naturwissenschaften wesensmäßig atheistisch sind – eine Wahrheit, die alle akzeptieren, außer jenen, die von Natur aus Idioten sind oder deren Verstand von der irrigen Vorstellung befallen ist, dass ein Gott existiere, der an uns und unserem Wohlergehen interessiert sei. Das mag uns vielleicht helfen, seine Wut, Intoleranz und Arroganz zu verstehen, die er dem hartnäckigen – manche würden sagen „wieder auflebenden“ – Gottesglauben entgegensetzt, dessen unabwendbares Ableben die säkularen Propheten der späten 1960er- und frühen 1970er-Jahre vorausgesagt hatten.

Dawkins ist zurückhaltend, was autobiografische Einzelheiten angeht. Wenn ich jedoch die Schilderung seiner Hinkehr zum Atheismus recht verstanden habe, war das entscheidende Element dieses Prozesses die wachsende Überzeugung, dass der Darwinismus das Wesen der Welt weit besser erklärt als irgendeine der Weltsichten, die sich auf einen Gott berufen. Dawkins Entdeckung des Darwinismus begann während seiner Zeit als Schüler an der Oundle School und festigte sich während seines Studiums der Zoologie an der Oxford University. Die Naturwissenschaften wirkten somit als Katalysator bei seiner Abwendung von einem ohnehin nur nominellen und blutleeren anglikanischen Glauben.

Nun sind wir alle geneigt, unsere persönliche Geschichte so zu betrachten, als enthülle sie ein umfassenderes Muster der Dinge oder die tiefere Struktur der Wirklichkeit. Glaubensvorstellungen, die wir persönlich für überzeugend halten, müssen demnach auch für alle anderen überzeugend sein. Es überrascht nicht, dass jene, die nicht in dieses Muster passen, für gefährlich gehalten werden. Man neigt dazu, sie als Spinner, Idioten oder Irre abzutun. Warum ist das so? – Weil derjenige, der die vereinfachenden Glaubensvorstellungen nicht anerkennen will, eine Bedrohung für sie darstellt. Denn was Dawkins als allgemeingültiges, maßgebliches Muster betrachtet, ist nicht mehr als eine mögliche gedankliche Option unter anderen, wobei jede von ihnen mit der Zeit ihre Unterstützer gewonnen hat. In diesem Kapitel werde ich meine eigene Geschichte erzählen; ich überlasse es meinen Lesern, selbst zu entscheiden, ob sie weiter gehende Bedeutung hat.

Meine Liebesbeziehung zu den Naturwissenschaften begann, als ich neun oder zehn Jahre alt war. Ich war überwältigt von der Schönheit des Sternenhimmels und sehnte mich danach, ihn näher zu erforschen. Ich durchkämmte meine Schulbücherei nach Büchern über Astronomie und es gelang mir, selbst ein kleines Teleskop zu bauen, mit dem ich die Jupitermonde beobachten konnte. Etwa zur gleichen Zeit schenkte mir ein Großonkel, der die Pathologieabteilung am Royal Victoria Hospital in Belfast geleitet hatte, ein altes deutsches Mikroskop, das mir erlaubte, eine andere neue Welt zu erforschen. Es steht noch immer auf meinem Studiertisch und erinnert mich an die Macht der Natur zu begeistern, zu faszinieren und Fragen aufzuwerfen.

Eine dieser Fragen ließ mir einfach keine Ruhe. Als Teenager hatte ich von Autoren wie Bertrand Russel einen unkritischen Atheismus aufgesaugt. Der Atheismus war, so glaubte ich, der natürliche Ort, an dem ein wissenschaftlich informierter Mensch, wie ich es war, seine weltanschauliche Ruhe hatte. Die Naturwissenschaften hatten sich entfaltet und sie bewohnten nun den intellektuellen Raum, der früher durch die nun aufgegebene Vorstellung von Gott besetzt war. Es bestand keine Notwendigkeit, sich einer derart veralteten Vorstellung zuzuwenden, geschweige denn sie ernst zu nehmen. Gott war ein armseliges Überbleibsel der Vergangenheit, das durch den wissenschaftlichen Fortschritt als Täuschung entlarvt worden war.

Worum ging es also im Leben? Was ist sein Sinn? Während ich über die Reichweite und Stärke der Wissenschaften nachdachte, gelangte ich allmählich zur Ansicht, dass das Leben gar keinen Sinn haben könne. Ich war das zufällige Nebenprodukt blinder kosmischer Kräfte, ein Bewohner eines Universums, in dem man lediglich von Richtung, nicht aber von einem Ziel sprechen konnte. Das war keine besonders attraktive Vorstellung, aber ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass deren Kälte und Kargheit bestimmt ein Indiz für ihre Wahrheit wären. Diese Vorstellung war so unattraktiv, dass sie einfach zutreffen musste. Ich muss mir an diesem Punkt eine gewisse Selbstgefälligkeit eingestehen und das Gefühl der intellektuellen Überlegenheit über jene, die in ihrem Glauben an Gott Trost und Befriedigung fanden.

Dennoch blieben Fragen offen. Während ich weiterhin den Nachthimmel untersuchte, empfand ich dessen Stille als beunruhigend. Ich genoss es, durch mein kleines Teleskop den berühmten Nebel im Sternbild Andromeda, M31, zu betrachten, der hell genug ist, um ihn mit bloßem Auge zu sehen. Ich wusste, dass er so weit entfernt ist, dass Licht, das ihn jetzt verlässt, zwei Millionen Jahre benötigt, um die Erde zu erreichen. Zu jenem Zeitpunkt würde ich schon gestorben sein. Der Nachthimmel wurde so zu einem mich in zunehmendem Maße beunruhigenden, düsteren Symbol für die Kürze des menschlichen Lebens. Welche Bedeutung hatte es? Alfred Tennysons Verse in The Brook (Der Bach) schienen die Lage des Menschen zusammenzufassen:

Denn Menschen kommen, Menschen gehen – Ich rinne fort ohn’ Ende.

Dennoch blieb ich fest davon überzeugt, dass die Härte und Tristheit dieser Position ihre Richtigkeit bestätigten. Es lag auf der Hand, dass die Wissenschaft den Atheismus forderte und ich war willens, mich von der Wissenschaft führen zu lassen, wohin sie mich auch leiten würde.

Und so fuhr ich fort, mich mit Mathematik, Physik und Chemie zu beschäftigen und erwarb schließlich ein Stipendium für Chemie an der Universität Oxford. Die Zusage für Oxford erhielten die meisten damals in der Oberstufe. Ich erfuhr von der Bewilligung des Stipendiums für Oxford im Dezember 1970, wobei ich aber mein Studium erst im Oktober 1971 aufnehmen durfte. Was sollte ich in der Zwischenzeit tun? Im Anschluss an die Schule gingen die meisten meiner Freunde auf Reisen oder verdienten sich etwas Geld. Ich beschloss, daheim zu bleiben und die Zeit zu nutzen, um Russisch und Deutsch zu lernen, denn beides würde mir bei meiner wissenschaftlichen Arbeit gute Dienste leisten. Nachdem ich mich besonders mit der Physik beschäftigt hatte, war mir zugleich bewusst, dass ich meine Kenntnisse der Biologie vertiefen musste. Ich richtete mich deshalb darauf ein, längere Zeit mit Lektüre und Nachdenken zu verbringen.

Nach etwa einem Monat intensiver Lektüre wissenschaftlicher Literatur in der Schulbücherei hatte ich die Werke zur Biologie durch und stieß auf einen Bereich, den ich vorher nie wahrgenommen hatte. Er nannte sich Geschichte und Philosophie der Wissenschaft und war reichlich eingestaubt. Für diesen Stoff hatte ich wenig Zeit, und ich neigte dazu, ihn als oberflächliche Kritik jener zu betrachten, die sich von den einfachen und sicheren Fakten der Naturwissenschaften bedroht fühlten. Philosophie war – wie Theologie – lediglich haltloses Mutmaßen angesichts von Fragen, die durch die richtigen Experimente beantwortet werden konnten. Was wollte die Philosophie eigentlich? Als ich allerdings meine Lektüre der kärglichen Bestände der Schule über dieses Thema beendet hatte, wurde mir deutlich, dass ich einige Dinge gründlich überdenken musste. Die Geschichte und Philosophie der Wissenschaft war alles andere als verdummende und fortschrittsfeindliche Gedankenspielerei, die dem konsequenten Voranschreiten der Wissenschaft unnötige Hindernisse in den Weg legte; vielmehr stellte sie all die richtigen Fragen im Blick auf die Verlässlichkeit und die Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis. Und diese Fragen hatte ich mir bisher nicht gestellt. Die Unterbestimmtheit von Theorien durch Daten, radikale Theoriewechsel in der Geschichte der Wissenschaft,...

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