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E-Book

Neuro-Yoga

Wie die alte Weisheitspraxis auf unser Gehirn wirkt

AutorAnna Trökes, Bettina Knothe
VerlagO.W. Barth eBook
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl267 Seiten
ISBN9783426410639
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Anna Trökes präsentiert mit Yoga der Energie ein einzigartiges Lehr- und Praxisbuch zum Hatha-Yoga. Wie können wir unsere inneren Sinne schärfen und die tieferen Schichten unseres Seins erfahren? Anna Trökes zeigt, dass der scheinbar so bekannte Hatha-Yoga in Wirklichkeit ein Yoga-Weg der Energie ist und aus der Tradition des Tantra stammt. Die Lebensenergie Prana ist der Dreh- und Angelpunkt für alle Prozesse, die unser menschliches Leben bestimmen. Die Übungen zur Intensivierung der Achtsamkeit und Konzentration sowie zahlreiche Bewusstseinslenkungen ermöglichen eine neue Dimension eigenen inneren Erlebens. Die jahrzehntelange Erfahrung von Anna Trökes und ihre Kenntnis der neuesten Forschungen zu Meditation und Yoga fließen in dieses aktuelle und hilfreiche Buch mit ein. Es ist inzwischen erwiesen, dass der im Westen hauptsächlich verbreitete Hatha-Yoga wesentlich aus der Philosophie und Spiritualität des Tantra entstanden ist. Aus welchen Traditionen und Quellen er ursprünglich schöpft und wie wir diese faszinierenden Ideen auch praktisch umsetzen können, zeigt Anna Trökes in diesem einzigartigen Handbuch. Grundlegende Texte wie die Hatha-Yoga-Pradipika und das Vijnana Bhairava Tantra werden hier erstmals in einen stringenten Zusammenhang mit dem Hatha-Yoga gebracht. Yoga-Praktizierende, die Wege suchen, ihre Selbsterforschung nachhaltig zu vertiefen und zu verfeinern, werden hier reich beschenkt. Die Konzepte und Praktiken von Mudra, Chakra und Kosha werden ebenso behandelt wie die Meditationen auf die inneren Räume unseres Bewusstseins und die subtilen energetischen Ströme im Körper. Durch diese Übungen können wir Blockaden und Anspannungen lösen und unsere eigene Yoga-Erfahrung auf ein völlig neues Niveau heben.

Anna Trökes ist eine Pionierin des deutschen Yoga. Sie unterrichtet seit 1974 und ist seit fast 40 Jahren eine Institution in der Yoga-Lehrer-Ausbildung des Berufsverbandes der Yoga-Lehrenden in Deutschland (BDYoga) und lehrt europaweit Yoga-Philosophie, Pranayama, Meditation und die fortgeschrittenen Aspekte der Hatha-Yoga-Praxis. Die bekannte Autorin hat mehr als 30 Bücher veröffentlicht.

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Leseprobe

Die Wirkkräfte innerhalb eines nicht geschulten Mind


Eines der wesentlichen Anliegen einer mentalen Yoga-Praxis, wie sie in den Upanishaden, der Bhagavadgita oder im Yoga-Sutra beschrieben wird, besteht darin, uns verstehen zu lassen, welche Mechanismen dazu beitragen, dass wir immer wieder Leid erfahren. Um das zu erklären, setzen sich diese Schriften mit den tiefen Ebenen unseres Mind auseinander. »Verstehen« meint in diesem Zusammenhang, uns wirklich vollkommen der Einsicht zu öffnen, dass es in der äußeren Welt keine Probleme gibt, sondern nur Geschehnisse und Sachverhalte. Sehr aufschlussreich teilt unsere Sprache uns mit, dass »ich ein Problem mit etwas habe« bzw. »dass mir etwas Probleme bereitet«, sodass in der Folge »ich mich aufrege«, »ich mich ärgere« oder »mich etwas beschäftigt«. Hier muss die Frage erlaubt sein, wer hier wen ärgert und wer hier wen beschäftigt.

Die Formulierungen der deutschen Sprache lassen keinen Zweifel daran, dass es dieses »Ich« ist, das sich von einem bestimmten Geschehnis oder Sachverhalt beschäftigen, aufregen oder ärgern lässt. Deswegen lässt sich das, was als Problem empfunden wird, auch nur innerhalb des Mind dieses »Ich« lösen. Dazu müssen wir aber erkennen, welche unserer inneren Kräfte aktiv daran mitwirken, dass für uns der subjektive Eindruck entsteht, ein Problem zu »haben«. Das Yoga-Sutra unterscheidet sehr genau zwischen inneren Wirkkräften, die sehr stark in unserer Biologie verankert sind, wie Genen und Prägungen, und zum anderen Wirkkräften, die als Prägungen durch die Außenwelt an uns herangetragen werden, die wir unbewusst verinnerlichen und die im Laufe der Zeit unsere Persönlichkeit bilden.

Die Meister des Yoga sind jedoch durch ihre Erfahrungen zu der Überzeugung gelangt, dass wir keineswegs Opfer dieser Wirkkräfte sind, sondern dass sich vielmehr jede dieser Wirkkräfte mit den Methoden einer angemessenen Yoga-Praxis regulieren und modulieren lässt.

Vasana: tiefsitzende, unbewusste Wirkkräfte


Der Begriff vasana bedeutet wörtlich »Geruch« und steht für »uralte, für überwunden gehaltene Triebe« (Sriram 2006:231). Vasanas bergen ein Wissen, das sich auf unsere Erinnerungen stützt, und zwar im Besonderen auf die unbewussten Eindrücke von Handlungen. Desikachar nennt sie die negativen, tief in uns ruhenden Tendenzen (Desikachar 1997:146). Diese unbewussten Eindrücke in der Psyche, die in engem Zusammenhang mit der Erinnerung stehen, sind »latente, unterbewusste Empfindungen, die immer wieder vrittis hervorbringen und daher das schwierigste Hindernis für Yoga darstellen« (Deshpande/Bäumer 1977:199).

Vasanas sind wie Keime, die ganz tief im Feld des Citta (des Mind) ruhen. Manche von ihnen sind in uns eingesenkt, bleiben aber ein Leben lang inaktiv. Andere werden wirksam, ohne dass wir mitbekommen, wodurch und warum sie aktiviert wurden. Es sind innere Regungen, die in uns ein Befremden auslösen können, weil wir bemerken, dass etwas durch uns hindurchwirkt und damit Macht über uns hat, ohne dass wir auch nur eine Ahnung hätten, was es ist. Oft zeigen sich Vasanas in Form diffuser Ängste oder als eine tiefsitzende – ebenfalls diffuse – Unsicherheit, die dazu führt, dass wir eher introvertiert und verschlossen sind. Ebenso kann sich das Wirken der Vasanas in übergroßer Empfindsamkeit einerseits oder dem Mangel an Empfindungsfähigkeit andererseits ausdrücken, die der Nährboden sowohl für Autoaggression als auch für Aggressivität sein kann.

Moderne Entsprechungen zu diesem yogischen Konzept der Vasanas könnten in den Wirkweisen der Epigenetik zu finden sein. Dieser neue Wissenschaftszweig erforscht die Wirkungsweise des Zusammenspiels zwischen Umwelt, Gesellschaft und Individuum auf unsere genetische Ausstattung und die Arbeitsweise der Gene (die Genexpression).

Gene lassen sich an- und abschalten

Im Rahmen der Erforschung des menschlichen Erbguts hielt sich lange die Auffassung, dass das, was uns vererbt worden ist, nicht nur unser Aussehen und einige körperliche Funktionsweisen wie etwa die Art, wie wir unsere Muskulatur benutzen, bestimmt, sondern auch unsere Persönlichkeit und damit unser Verhalten determiniert. Seit einigen Jahren wissen wir dank einer Vielzahl von Studien (zum Beispiel mit Zwillingen) jedoch, dass »die menschliche Entwicklung ein Resultat der Auswirkungen von Erlebnissen auf das sich entfaltende genetische Potenzial ist. Die Gene enkodieren die Information darüber, wie die Neuronen wachsen, zueinander in Verbindung treten und wieder absterben sollen, sobald die erforderliche Differenzierung der Gehirnschaltkreise erreicht ist. Diese Prozesse sind genetisch vorprogrammiert und erlebensabhängig.« (Siegel 2006:33) Das, was erlebensabhängig ist, ist die sogenannte Transkriptionsfunktion, »die darüber entscheidet, welche Proteine synthetisiert werden« (a.a.O.). Der Mechanismus also, welcher innerhalb des Zellkerns das Ablesen der Informationen des genetischen Materials in Gang setzt (das Ablesen »anschaltet«), schafft die Voraussetzung dafür, dass anschließend an anderer Stelle innerhalb der Zelle die entsprechenden Proteine synthetisiert werden.

Daraus lässt sich folgern, dass unsere Gene einerseits – den Vasanas gleich – unser Sein ganz aus der Tiefe der Zellen heraus steuern. In unserer Kindheit wurden dabei die daraus erwachsenden Verhaltensmuster wie zum Beispiel Schüchternheit oder Stressanfälligkeit im Kontakt mit unserer Umwelt entweder verstärkt oder aber abgeschwächt.

Das gilt auch für das »Gedächtnis des Körpers« (Bauer 2002), das bewirkt, dass alle besonders eindrücklichen Erfahrungen von Fürsorge oder Vernachlässigung, besonders aber erlittene Traumata in den Zellen gespeichert bleiben. Neuere Forschungen der Epigenetik scheinen nahezulegen, dass auch erlernte und erworbene Fähigkeiten wie etwa der Umgang mit Stress über die Keimzellen von einer Generation zur nächsten vererbt werden können. Auch traumatische Erfahrungen, wie sie etwa bei Katastrophen oder Kriegen gemacht werden, können offenbar über die Gene weitergegeben werden.

Forschungen der letzten Jahre mit Kindern von Kriegsopfern haben gezeigt, dass diese Menschen überdurchschnittlich anfällig für Stress und Depressionen sind. Bei ihnen sind vermutlich unbewusste Kräfte am Werk, die bewirken, dass aus der gesamten Gensequenz bestimmte Abschnitte angeschaltet und abgelesen werden, die verhindern, dass sich ihr Körper und ihr Nervensystem dem Stress anpassen. Es ist, als wenn ein solcher Mensch aus der Bibliothek seines Unbewussten, an dessen Schaffung das limbische System (siehe folgendes Kapitel) in der Tiefe des Gehirns beteiligt ist, immer nur jene Bücher herauszieht und liest, die ihn in seiner Ansicht bestätigen, dass die Welt gefährlich und voller Leid ist. Eine solche unbewusste Auswahl wird vermutlich das Immunsystem eines Menschen auf Dauer schwächen, und er wird ein erhöhtes Risiko haben, bestimmte Krankheiten zu entwickeln.

Wir wissen heute aber auch, dass epigenetische Muster außerordentlich wandlungsfähig sind. Durch eine systematische und kontinuierliche Schulung der Achtsamkeit können wir zum Beispiel erkennen lernen, wenn in uns eine Tendenz wirksam ist, die unsere Aufmerksamkeit vor allem auf die negativen und dunklen Aspekte des Lebens lenkt, und was das für unsere körperliche und seelische Gesundheit bedeutet. Vor allem aber können wir lernen, unsere Wahl zu verändern, was einem bewussteren Umgang mit unseren Vrittis entspricht. Eine nachhaltige Einübung von stressreduzierenden Methoden wie Achtsamkeit, Atemgewahrsein und vor allem Meditation scheint erwiesenermaßen dazu zu führen, dass Menschen in der Folge eher diejenigen Bücher aus ihrer genetischen Bibliothek auswählen und lesen, die einen gesundheitsfördernden und positiven Inhalt haben, denn: »Erfahrungen, Gefühle und Beziehungen führen zu biologischen Spuren in den Nervenzellen und entscheiden (somit) maßgeblich, wie es der Seele geht.« (Blech 2010:103)

Genau hier setzt der Yoga mit seiner Achtsamkeitsschulung an. Wir können lernen, mit anderen Menschen, insbesondere aber mit unseren Kindern, einfühlsam und achtsam umzugehen. Wir können sie in einer Atmosphäre der Sicherheit aufwachsen lassen und ihnen dadurch ein Erleben ermöglichen, in dem ihre Stress- oder Angstprogramme immer seltener angeschaltet werden.

Auf die Frage, ob Yoga und Achtsamkeitspraxis gegen Stress das Gehirn regelrecht umbauen können, antwortete der Wissenschaftsjournalist Jörg Blech: »Durch Yoga bilden sich in der grauen Substanz des Gehirns neue Strukturen. Das weiß man von Menschen, die noch nie meditiert oder Yoga gemacht haben, [sic!] und einen Yoga-Kurs absolvierten. Ihre Gehirne wurden vorher und nachher im Scan untersucht: Die Architektur des Gehirns hatte sich verändert. Und diese segensreiche Veränderung muss über ein Scharnier erfolgen, an dem sich die Meditation in biologische Strukturen überträgt. Man vermutet, dass dies just über die epigenetische Prägung funktioniert.« (Blech o.J.)

Samskaras: unterbewusste Prägungen


Das Wort samskara bedeutet »Eindruck, Nachwirkung«. Samskaras sind »unterbewusste Eindrücke, die von inneren und äußeren Eindrücken in der Psyche hinterlassen werden« (Deshpande/Bäumer 1977:197)....

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