Hauptaufgabe des Marketing ist es, Kunden mit passenden Produkten zu verbinden.[1] Was aber für den Kunden passend ist, bleibt zunächst im Verborgenen und muss von Marktforschern antizipiert werden.
Apple-Gründer Steve Jobs hat sich dieses Antizipieren zu eigen gemacht und den Konsumenten als jemanden betrachtet, der gar nicht wissen könne, was er wolle, bis man es ihm zeige.[2] Doch nicht jedes Unternehmen profitiert von der schier unbändigen Nachfrage nach Produkten wie Apple es derzeit tut.
Was also bewegt letztlich den Konsumenten dazu, sich für ein bestimmtes Produkt zu entscheiden oder gezielt zu einer Marke zu greifen?
Eine neue wissenschaftliche Disziplin aus den Gebieten der Kognitions- und Neurowissenschaften, Psychologie und Ökonomie versucht hierauf Antworten zu finden und Erkenntniszuwächse über die Entscheidungsfindung des Konsumenten zu erlangen. Dabei wird versucht anhand moderner, bildgebender Verfahren aus der Hirnforschung die „Black Box“ des Kunden mit Licht zu füllen und dem Mysterium Konsument seine Unberechenbarkeit zu nehmen.
Es geht mit anderen Worten um den Versuch, durch die Möglichkeit der Visualisierung von Gehirnfunktionen, unbewusstes Verhalten zu erforschen und Muster im Gehirn zu entschlüsseln.[3] Dazu kommt die lange Zeit völlig unterschätzte Rolle der Emotionen und die des Unbewussten bei Kaufentscheidungen, welche das Neuromarketing als vielversprechende Disziplin erscheinen lassen.
Im Ursprungsland USA hat die gerade etwas über zehn Jahre alte Forschungsrichtung gar zu einem eigenen Studienfach an Universitäten geführt.
Als wahre Geburtsstunde des Neuromarketing wird das Jahr 2002 betrachtet, als es McClure/Montague gelang, unterschiedliche Hirnaktivitäten durch funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) darzustellen, je nachdem ob Testkandidaten Coca-Cola oder Pepsi konsumierten.[4] Zum ersten Mal wurde das Potential hinter den Erkenntnissen der Neurowissenschaften in Bezug auf die Effizienz von Marketingaktivitäten deutlich. Inzwischen beschäftigen sich weltweit Wissenschaftler mit der Frage, was Menschen zu Kaufentscheidungen treibt und wie sie diese fällen.[5] Die Erwartungen und Hoffnungen sind groß, was noch weiter durch mediales Interesse verstärkt wird. Genauso wächst allerdings auch die Sorge, Hirnforschung im ökonomischen Kontext könnte einen „Kaufknopf“ offenbaren, der es ermöglicht, Konsumenten zu steuern und je nach Bedarf in einen Kaufrausch zu versetzen.[6] Verbraucherschutzorganisationen fürchten die gezielte Manipulation des Menschen durch die Erkenntnisse des Neuromarketing.
Steuern also in Zukunft die Werbeschaffenden das Kaufverhalten des Konsumenten? Oder führen die Erkenntnisse der Neuroökonomie vielmehr zu einem Paradigmenwechsel in der Marktforschung, welcher einerseits Werbern hilft, die wirklichen Bedürfnisse des Kunden zu verstehen und diese besser adressieren zu können und andererseits dem Menschen helfen, sein eigenes Verhalten besser zu durchschauen, um so gegen Verführungen gewappnet zu sein? Harvard Business School Professor Gerald Zaltman ist überzeugt davon, dass sich die Methoden als hilfreiche Werkzeuge für Marketeers herausstellen: „[...] in time, however, neuroimaging techniques will likely serve as helpful tools in bringing better and more meaningful goods and services to consumers“[7].
Ziel der Neuroökonomie ist es, Gründe und Motive für unser Konsumverhalten zu erlangen und diese für die Marketingpraxis nutzbar zumachen. Denn wie es scheint, hat das alte ökonomische Bild des rational handelnden homo oeconomicus ausgedient und es ist die Zeit gekommen, dieses durch ein neues, biologisches Modell zu ersetzen.
Entwickelt sich die Forschungsrichtung rund um die Neuroökonomie in Zukunft genauso zügig weiter wie bisher, wird man sicherlich das bisherige Verständnis von menschlichem Verhalten im ökonomischen Kontext neu definieren müssen.
Jeden Tag wirken mehr als 3.000 Werbebotschaften in Form von Werbespots, Printanzeigen, Mailings, Online-Banner und Events auf den Konsumenten ein,
im Supermarkt warten durchschnittlich 10.000 Artikel darauf ausgewählt zu werden und jährlich kommen etwa 26.000 neue Produkte auf den Markt.[8]
Diese Zahlen verdeutlichen, für Unternehmen wird es immer schwieriger durch den Nebel an Botschaften ihre Konsumenten zu erreichen und Produkte erfolgreich am Markt zu platzieren. Es herrscht ein regelrechter „Kampf um die Aufmerksamkeit des Kunden“, denn die werbliche Belastung der Konsumenten nimmt stetig zu, während die Werbewirksamkeit der Botschaften immer mehr sinkt.[9] So kommen 98% der auf den Konsumenten einwirkenden Informationen nicht beim Rezipienten an.[10] Dieser „Information Overload“ und die damit einhergehende begrenzte Informationsaufnahmekapazität des Konsumenten stellt Marketeers vor neue Herausforderungen und rückt die Bedeutung von Marken und ihrem Image in einen neuen Fokus: wenn immer mehr Produkte, die sich kaum voneinander unterscheiden um eine nahezu gleichbleibende Masse an potentiellen Käufern werben, so kann nur die Marke als Differenzierungsinstrument gegen diese Substituierbarkeit wirken. Sie ist somit der Schlüsselfaktor für den Erfolg von Unternehmen und beeinflusst Kaufentscheidung- und verhalten in erheblichem Maße.[11] Zudem stellen Marken einen bedeutsamen immateriellen Wert im Unternehmen dar. Nicht nur extern, sondern auch intern führen Marken zu höherer Motivation und Loyalität der Mitarbeiter durch stärkere Identifikation.
Denjenigen Marken, die sich von ihren Mitbewerbern mit einer eindeutigen Kommunikation unterscheiden und dem Konsumenten durch ihr Image einen Zusatznutzen bieten, wird es auf lange Sicht gelingen, eine herausragende Position im Wettbewerb mit anderen einzunehmen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass es die Marke schafft, auf den Konsumenten zu wirken. Ihr muss es gelingen, den Kunden zu erreichen und mit einer Botschaft zu überzeugen, die (wiederholt) zum Kauf führt.
Die traditionellen Instrumente der Marktforschung, mit denen versucht wurde Markenwirkung und Kaufverhalten von Kunden zu messen, sind nur begrenzt hilfreich für die eben beschriebene Problematik. So scheitern trotz umfangreicher Untersuchungen und millionenschwerer Werbemaßnahmen ca. 70% aller Produkteinführungen.[12] Doch eigentlich dürfte diese erschreckende Zahl nicht verwundern. Um den Kunden richtig zu verstehen und um sehen zu können, wie unterschiedliche Werbebotschaften auf ihn wirken, reicht die klassische Marktforschung nicht mehr aus. Klassische Marktforschungsinstrumente, wie Fragebögen, Einzelinterviews, Beobachtungen oder Imageanalysen sind nicht ausreichend in der Lage, die „Determinanten des Kaufverhaltens vollständig zu erfassen“[13]. Das liegt daran, dass die für das Kaufverhalten so wichtigen impliziten, also emotionalen Komponenten nur schwer „abgefragt“ werden können, da Konsumenten ihre unbewussten Präferenzen nicht kennen und diese demnach auch nicht in der Lage sind zu verbalisieren. Auch können Beeinflussungen, beispielsweise des Befragenden auf den Befragten, nie gänzlich ausgeschlossen werden. Und dennoch werden heute noch 80 bis 90% aller empirischen Untersuchungen in Bezug auf Konsumenten- und Verhaltensforschung durch Befragungen oder andere verbale Messmethoden durchgeführt.[14] Neuroökonomie ist also gewissermaßen eine Methode aus der misslichen Lage heraus, nicht weiterzuwissen, was den Konsumenten und seine Entscheidungsfindung betrifft. So entstand die Forschungsrichtung, als man sich verstärkt bei wissenschaftlichen Nachbardisziplinen wie den Neuro- und Kognitionswissenschaften bediente.
Mit Hilfe der Forschungsergebnisse der Neurowissenschaften ist es gelungen, in den letzten Jahren ein deutlich höheres Maß an Erkenntnissen über das Verhalten des Kunden zu erlangen um Schlüsse daraus zu ziehen, wie Botschaften gestaltet werden müssen, um im Gehirn zu wirken.
Neuromarketing kann also einen Lösungsweg ebnen, der es Unternehmen endlich ermöglicht, ihre Kunden gezielt und effektiv zu erreichen. Experten hoffen,:
„[...] that neuroimaging will soon be able to reveal hidden information about consumer preferences“[15].
Im Rahmen dieser Bachelorthesis wird ein Einblick in die Neuroökonomie, im Speziellen in das Neuromarketing gegeben. Im Wesentlichen werden dabei die Erkenntnisse über das Konsumentenverhalten thematisiert. Ziel der Arbeit ist es, dem Leser...