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E-Book

Nie mehr Flugangst

Ein Selbsthilfeprogramm in sechs Schritten

AutorKarin Bonner
VerlagPatmos Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl152 Seiten
ISBN9783843604741
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Herzrasen, Schweißausbrüche, Todesangst - sobald sich die Flugzeugtür schließt, beginnt für Menschen mit Flugangst der blanke Horror. Viele vermeiden daher das Fliegen, so gut es geht, oder sie versuchen, mit Alkohol oder Beruhigungspillen die Angst zu unterdrücken. Doch damit ist es nicht getan. In diesem Buch stellt Karin Bonner ein klares, in Seminaren der Lufthansa erprobtes 6-Schritte-Programm gegen Flugangst vor. Mit Hilfe konkreter Übungen hilft sie Flugängstlichen, sich mit ihrer Angst zu konfrontieren und sie erfolgreich zu überwinden.

Karin Bonner, Diplompsychologin und Flugbegleiterin sowie ausgebildete Sportpsychologin, leitet seit vielen Jahren Seminare zu Flugangst- und Stressbewältigung für die Lufthansa und betreut auch Hochleistungssportler mit Wettkampfängsten.

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Leseprobe

Teil 1
Flugangst verstehen


1. Was ist Angst?


Angst ist ganz normal – jeder Mensch hat Angst


Das Wort »Angst« geht auf das lateinische Wort »angustiae« zurück. Der Ausdruck steht für einen Zustand der Beklemmung und Enge. Unsere menschliche Angst ist ein normales und wichtiges Gefühl. Sie gehört zu unseren grundlegenden Gefühlen, ebenso wie Trauer, Freude oder Wut. Wir spüren dann Angst, wenn wir ein Ereignis als bedrohlich empfinden, wenn eine Situation ungewiss oder unkontrollierbar wirkt.

Halten Sie sich vor Augen: Sie erleben Ihre Angst zwar als sehr unangenehm. Die Angst selbst ist aber für Sie nicht gefährlich! Angst ist im Gegenteil ein wichtiges und notwendiges Gefühl. Mit ihrer Hilfe überstehen wir tatsächlich bedrohliche Situationen. Unsere Angst löst bei Gefahr eine Alarmreaktion des Körpers aus, so dass wir auf Kampf oder eine notwendige Flucht vorbereitet sind. In bestimmten Phasen des menschlichen Lebens treten Ängste sogar fast regelmäßig auf. Ein Beispiel dafür ist die Angst vor Fremden bei Kleinkindern in einer bestimmten Entwicklungsphase.

Die Angst verändert auch unsere Wahrnehmung. Es entsteht der so genannte Tunnelblick: Wir sind dann nur noch auf die mögliche Gefahrenquelle konzentriert. Genau dies begünstigt negative Gedanken. Bei Flugangst kann dies bedeuten, dass wir die angespannte Miene einer Stewardess als Zeichen von Gefahr interpretieren, während diese in Wirklichkeit Kopfschmerzen oder Liebeskummer hat – eine für die Dame unangenehme Belastung, die für die Sicherheit an Bord jedoch ohne Belang ist.

Menschen, die sich vor dem Fliegen fürchten, halten auch unbekannte Geräusche im Flugzeug für Anzeichen einer Gefahr. Die eigene Bewertung und Reaktion auf Flugreize führt blitz­artig in einen Teufelskreis: Katastrophengedanken und spürbare körperliche Anzeichen von Angst peitschen einander gegenseitig hoch.

Die meisten Menschen fürchten sich heutzutage weniger vor realen Gefahren, wie bestimmten Chemikalien, dem elektrischen Strom oder manchen Verkehrsmitteln, weil sie ständig von ihnen umgeben sind. Größere Angst lösen bei uns Situationen aus, die bereits für unsere Vorfahren gefährlich sein konnten, denen wir heute allerdings eher selten ausgesetzt sind. So kann jemand panische Angst vor Schlangen oder Spinnen haben oder vor großen Höhen. Wir reagieren also anders auf Angst, wenn wir uns an deren Auslöser gewöhnt haben.

Generell kann alles Angst machen. Manche Ängste, wie jene vor Schlangen oder vor Höhen, sind leicht nachvollziehbar. Andere sind weniger leicht verständlich, belasten die Betroffenen jedoch genauso.

Angst zeigt sich immer auf drei Ebenen. Ein Fallbeispiel aus meiner Praxis:

Sara S., Modedesignerin aus Düsseldorf, flog häufig mit dem Flugzeug zu Modemessen. Eines Tages war das Flugzeug bis auf den letzten Platz besetzt, die Luft war stickig. Sara wurde plötzlich gleichzeitig heiß und kalt. Kalter Schweiß bedeckte ihre Hand­flächen. Sie spürte, wie sie unter den Achseln schwitzte. Ihr Herz begann zu rasen. Sie dachte: »Himmel, was ist das?« Sie atmete immer schneller und fühlte sich schwindlig. »Jetzt falle ich jeden Moment um und sterbe.« Sie wollte nur noch raus aus dem Flugzeug.

Als das Flugzeug gelandet war und die Tür aufging, sprang sie auf und verließ voller Panik den Flieger. »Ich bin gerade noch davon­gekommen«, dachte sie.

Seither fängt ihr Herz an zu rasen, wenn sie nur daran denkt, ein Flugzeug zu betreten.

An diesem Beispiel sind die drei Ebenen der Angst deutlich erkennbar:

Die körperliche Ebene: Hände und Achseln voll kaltem Schweiß, Herzrasen, schnelle Atmung, Schwindel.

Die gedankliche Ebene: Der Gedanke, jeden Moment tot umzufallen. Menschen mit einer Angststörung richten ihre Wahrnehmung übermäßig stark auf mögliche oder vorgestellte Gefahren. Ein eingefahrenes, automatisch ablaufendes Angstdenken ist am Ende die Folge. Allein der Gedanke an Fliegen löst dann sofort eine Angstreaktion aus.

• Die Verhaltensebene: Sara wollte seit dem Erlebnis nicht mehr mit dem Flugzeug fliegen. Angst führt dazu, dass wir uns anders als bisher verhalten. Wir fliehen aus der Situation oder tun alles, um nur ja nicht mehr in eine solche Situation zu gelangen.

Alle drei Ebenen sind daran beteiligt, dass Angst entsteht und aufrechterhalten bleibt. Die einzelnen Aspekte der Angst sind jedoch bei verschiedenen Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Bei manchen – den so genannten »Bauchmenschen« – stehen die körperlichen Symptome im Vordergrund. Andere handeln mehr als »Kopfmenschen«, und so werden sie stärker von den gedanklichen Aspekten der Angst bestimmt. Vorhanden sind jedoch stets alle drei Ebenen.

Wann ist Angst sinnvoll?


Angst ist sinnvoll als eine rettende Alarmreaktion auf eine tatsächliche Bedrohung. Sie hat sich im Laufe der Evolution entwickelt, damit wir den Gefahren effektiver begegnen können. Die Veränderung unserer Lebensbedingungen der letzten Jahrhunderte hat den Automatismus der Angst nicht verändert. Wir haben noch die gleiche genetische Ausstattung und die gleichen emotionalen Reaktionen wie vor einigen tausend Jahren. Stellen Sie sich einen Höhlenmenschen vor, der plötzlich einem Bären gegenübersteht. Was war in dieser Situation für den Menschen überlebensnotwendig? Er musste entscheiden: Kämpfen oder fliehen? Zu beidem musste er sofort körperlich in der Lage sein. Dies ermöglicht die Angstreaktion. Übertragen auf die heutige Zeit: Nähert sich, während Sie gerade eine Straße überqueren, rasant ein LKW, springen Sie schnell zur Seite. Dazu sind Sie durch die Angstreaktion körperlich bestens gerüstet. Das kann Ihnen das Leben retten.

Biologisch lässt sich die Angstreaktion so erklären: Die körperlichen Veränderungen bei einer Angstreaktion bereiten den Körper auf blitzschnelles Handeln vor. Dazu gehören beispielsweise schnelleres Atmen, stärkere Durchblutung und angespannte Muskeln. In einer Gefahrensituation ist es nicht sinnvoll, lange nachzudenken – daher die Automatisierung des Angstmechanismus: Durch den Tunnelblick ist die Wahrnehmung in einer ­kritischen Situation ganz auf die Gefahrenquelle konzentriert. Das Gehirn kann dadurch schnell die nützlichen körperlichen Symptome auslösen.

Nun reagiert der Körper aber nicht nur auf Wahrnehmungen der Außenwelt, wie etwa auf die einer realen Gefahr durch Bären. Ihrem Körper ist es völlig egal, ob die Bedrohung – real – aus einem wilden Tier oder – irreal – aus einem Flug nach Hamburg besteht. Er reagiert auf Ihre Bewertung der Situation. Nicht Menschen, Objekte, Situationen oder Ereignisse produzieren die Angst, sondern Sie selbst, indem Sie sie auf eine bestimmte Art und Weise bewerten. Eine Flugreise kann als spannend und angenehm bewertet werden – oder aber als gefährlich und unangenehm. Sie bewerten die Dinge aufgrund Ihrer Lebenserfahrungen. Sind diese in Bezug auf das Fliegen negativ, reicht allein der Gedanke an einen unangenehmen Flug aus, um Ihren Körper blitzschnell zu mobilisieren. Der Körper will ja die vermeintlich gefährliche Flugsituation (= Gefahr) rasch abwenden. Doch im Gegensatz zu einer tatsächlichen Gefahr müssen Sie weder kämpfen noch fliehen. Sie können es auch gar nicht, und so ist es nicht möglich, die durch die Angstreaktion frei werdenden Energien zu nutzen. Die überschüssige Energie richtet sich folglich gegen Ihren eigenen Körper. Das kann schnell in einem unangenehmen, aber nicht lebensbedrohlichen Teufelskreis der Angst enden.

Machen Sie sich klar: Wir haben zu Recht Angst davor, jung zu sterben. Wir fürchten uns davor, unsere Ziele nicht zu erreichen oder einen geliebten Menschen zu verlieren. Wir haben Angst da­vor, zu versagen oder falsche Entscheidungen zu treffen, die sich in der Folge negativ auswirken. Nur Menschen, die niemals lieben und keine Hoffnungen hegen, haben auch keine Ver­lust­ängste. Überlegen Sie einmal: Sind diese Menschen glücklich?

Schwierigen Situationen und Gefahren begegnen wir daher am besten mit einer ausgewogenen Mischung aus Mut, Angst und Vorsicht. Erkennen Sie aber dabei: Hundertprozentige Si­cherheit gibt es nicht. Lernen Sie also, mit Ihrer Angst umzu­gehen. Nie mehr Angst zu haben ist kein realistisches Ziel. Überschreitet Ihre Angst aber ein sinnvolles Maß, sollten Sie sie eindämmen können. Es ist eine Illusion, die Angst an sich be­seitigen zu können. Der Versuch würde Ihre Anspannung nur noch mehr steigern, und das wollen Sie bestimmt nicht.

Wenn der Alltag schwierig wird – wenn Angst belastet


Zu große Angst bringt mehr Nachteile als Vorteile mit sich. Sobald Ihre Angst zur Qual wird, ist sie zu groß und nicht mehr in Ordnung. Mit einem solchen Ausmaß an Angst handeln Sie nicht mehr konzentriert. Im Gegenteil: Nach dem Yerkes-Dodson- Gesetz (zu hohe körperliche Aktivierung = geringe Verhaltenseffektivität und umgekehrt) ist die Leistungseffektivität am größten, wenn die körperliche Aktivierung eine mittlere Intensität hat. Zu wenig Anspannung macht uns träge und sorglos, wir verhalten uns lethargisch. Zu viel Anspannung macht uns dagegen konfus, wir verhalten uns ungeschickt und fühlen uns wie gelähmt. Ein mittleres Maß an Lampenfieber beispielsweise spornt einen Schauspieler oder eine Sportlerin am besten zu Höchstleistungen an.

Angst wird aus medizinischer Sicht zur Angststörung, wenn

• sie unangemessen stark ist und ohne reale Bedrohung...

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