Wim Hof
Damit Sie Wim Hof ein wenig kennenlernen, bevor Sie anfangen, mit seiner Methode, der WHM, zu arbeiten, wollen wir ihn kurz vorstellen. Es ist gut und nützlich zu wissen, was ihn dazu gebracht hat, die Kälte aufzusuchen und in seinem Bestreben immer radikaler zu werden.
Sittard
Wim Hof wurde 1959 in der Stadt Sittard, im südlichen Teil der niederländischen Provinz Limburg geboren. Er hat sieben Brüder und zwei Schwestern und auf die Welt kam er im Flur des örtlichen Krankenhauses. Nachdem seine Mutter seinen Zwillingsbruder André geboren hatte, merkte niemand, dass noch ein zweites Kind unterwegs war. Als der Arzt bereits gegangen war, stellten sich bei seiner Mutter erneut Wehen ein.
Als gute Katholikin betete sie, auch das zweite Kind möge gesund zur Welt kommen. Sie äußerte die Hoffnung, wenn dieses Kind gesund sein würde, möge es Missionar werden. Wims Mutter erzählte diese Geschichte regelmäßig und er glaubt, dass die Umstände seiner Geburt und die Stärke seiner Mutter großen Einfluss auf ihn hatten.
Bereits früh war der kleine Wim von Kälte fasziniert. In einer eisigen Winternacht fand ein Nachbar den Siebenjährigen im Schnee. Der Junge war aus dem Bett geklettert und hatte sich von der weißen Landschaft stark angezogen gefühlt. Er schlich hinaus und legte sich im Schnee schlafen. Hätte der Nachbar ihn nicht entdeckt, wäre er wahrscheinlich erfroren.
Doch Wim wurde als kleiner Junge nicht nur von der Kälte angezogen. Er liebte auch Bücher. Mit gerade mal neun Jahren verschlang er Bücher über fremde Religionen, Yoga und Meditation. Sein Interesse wurde durch seinen älteren Bruder geweckt, der mehrere Monate lang im Nahen und Mittleren Osten getrampt und mit merkwürdigen und wunderbaren Geschichten zurückgekehrt war. Vor vierzig Jahren war eine solche Reise durch die Türkei, Iran, Pakistan und Indien noch geheimnisvoll. Sein Bruder hatte sich verändert, nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich. Seine langen Haare und seine Kleidung machten ihn zu einer auffälligen Erscheinung. Wim blickte zu seinem Bruder auf und fühlte sich von fernen Ländern und fremden Religionen stark angezogen. Zudem bemerkte er an seinem Bruder eine Energie und Heiterkeit, die ihn neugierig machten.
In der Stadtbibliothek gab es Bücher über Hinduismus und Buddhismus und Wim lernte daraus bereits in sehr jungen Jahren das Meditieren. In der katholischen Kirche in Sittard konzentrierte er sich mehr auf seine Atmung als auf die Worte des Pfarrers bei der Predigt. Anhand Mircea Eliades Buch Yoga – Unsterblichkeit und Freiheit brachte er sich selbst Yoga bei. Damals war Wim erst zehn Jahre alt und ging mit offenem Widerwillen zur Schule. Er war bekannt als eigenwilliger, cleverer und fröhlicher Junge. Seine Wissbegierde war groß, allerdings nicht auf intellektueller Ebene, sondern durch eigenes Erfahren und Erleben. Mit 17 Jahren beschloss Wim, von der Schule abzugehen und nach Indien zu reisen. Dort wollte er einen Lehrer finden, der ihm mehr über die wirklich wichtigen Dinge im Leben beibringen konnte. Er suchte nach einem tieferen spirituellen Verständnis.
Indien – das kalte Wasser des Ganges
Also flog Wim nach Karatschi und fuhr von dort mit dem Zug nach Neu-Delhi. Auf der Suche nach Yogis schlief er in dem riesigen Birla-Mandir-Tempelkomplex. Dort begegnete er dem Besitzer eines Teehauses und dem rebellischen Sohn eines Teppichmagnaten. Die beiden Männer überzeugten Wim, sie nach Rishikesh und Badrinath zu begleiten, zwei Pilgerstätten am Ganges.
Gemeinsam machte sich das ungewöhnliche Trio auf den Weg: ein kräftiger bärtiger Sikh, der ein Teehaus leitete, ein schwarzes Schaf aus der Teppichindustrie, das alles haben konnte, was es wollte, und der Korruption in seiner Welt überdrüssig war, und der Niederländer, den beide für verrückt hielten, weil er mehrmals pro Tag im Ganges schwamm. Wim schwamm sogar ans andere Ufer hinüber, eine beachtliche Leistung angesichts der starken Strömung. Er beeindruckte seine Gefährten außerdem durch seine akrobatischen Yogaübungen, obwohl er keine einzige Yogastunde in seinem Leben gehabt hatte.
In Indien entdeckte Wim, dass ihn sein ▶ autodidaktischer Ansatz schon weit gebracht hatte. Er konnte bereits auf einem Bein stehen und das andere Bein hinter seinen Nacken bringen, eine Position, für deren Beherrschung viele Menschen jahrelang üben müssen.
Seine Reisebegleiter blieben in einem ▶ Ashram zurück, aber Wim fühlte sich dort nicht zu Hause. Ihm gefiel die »anhänglich-vertrauliche« Art der anderen ausländischen Besucher nicht, und obgleich viele Yogis sehr spezielle Techniken erlernt hatten, mochte er die Art und Weise nicht, in der sie davon profitierten. Außerdem entdeckte er, dass er von ihnen nicht viel lernen konnte, weil er ihre Geschicklichkeit bereits besaß. Er setzte seine Reise zu Fuß allein fort.
Kaltes Wasser, eine Entdeckung
Dort, wo der Ganges zwischen himmelhohen Bergen in einer Kaskade aus Wasserfällen ins Tal donnert, hatte Wim ein erstaunliches Erlebnis. Er fühlte inneren Frieden und eine gewaltige Kraft. Er verspürte den unwiderstehlichen Drang, in den gefährlichen Wasserfall zu springen – und genau das tat er auch. Nach einer schwierigen Schwimmstrecke stand Wim unter dem mächtigen Wasserfall und seine Gedanken wurden sofort von dem kalten Wasser abgeschaltet.
Dieses Gefühl einer Stärke und einer Kraft, die viel größer waren als er selbst, fesselte ihn. Seither liebt er eiskaltes Wasser.
Wim war also auf der Suche nach Noumena (dem spirituell-philosophischen Hintergrund vieler esoterischer Bücher) nach Indien – der Wiege der Spiritualität – gereist und hatte dort entdeckt, welchen Einfluss Kälte auf seinen Körper und, vor allem, auf seinen Geist hat.
Nach dieser Entdeckung blieb Wim nicht länger in Indien. Zwar liebte er das Land, das Klima und die Menschen, aber er vermisste die Niederlande und beschloss, nach Hause zu reisen. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, was er tun würde, aber die Lektion des eiskalten Wassers hatte bei ihm einen tiefen Eindruck hinterlassen. Er wusste, dass er irgendetwas damit anfangen musste.
Amsterdam
1979 zog der mittlerweile Zwanzigjährige nach Amsterdam. Durch einen Freund seines Bruders bekam er einen Platz in einem besetzten Haus namens De Wielingen, einem ehemaligen Waisenhaus, wo er mit 90 anderen Leuten wohnte. Wim führte ein asketisches Leben, aß wenig und betrieb viel Yoga. Sein Lebensstil unterschied sich deutlich von dem der hippieähnlichen Studenten, die sonst in dem besetzten Haus lebten, LSD und Joints konsumierten und Haschkekse aßen, um in entrückte Stimmung zu kommen.
Im Vondelpark, einem großen Park in Amsterdam, zeigte Wim jedem, der sich dafür interessierte, die Yogapositionen, die er beherrschte, und erklärte auch gern ihre physiologische Grundlage. An einem sonnigen Herbsttag schwamm er im Teich des Parks. Triefend nass setzte er sich zum Trocknen in die Sonne. Da spürte er zwei Hände auf seinem Rücken, die bald darauf begannen, ihn zu massieren. Wim verharrte in seiner Yogaposition, ohne sich umzudrehen. Dort, im Freilichttheater im Vondelpark, spürte er die Liebe. Nach der Massage blickte er sich um und geradewegs in die Augen der Frau, die ihn massiert hatte. Sie ließ ihn vor Freude strahlen.
Die Frau hieß Olaya und war, wie sich herausstellte, Spanierin – genauer gesagt, sie stammte aus dem Baskenland. Von dem Augenblick im Park an waren sie ein Jahr lang unzertrennlich. Olaya, die sehr verliebt war, zog zu Wim in das besetzte Haus. In diesem ersten Jahr hatten sie keinen Sex, obgleich sie zusammen auf einer schmalen Matte schliefen. Ihre platonische Beziehung war warmherzig und körperbetont. Wims Leben war dem Yoga gewidmet und seine spanische Freundin respektierte dies.
Nach einem Jahr bekam Olaya Heimweh und ging zurück zu ihrer Familie im Norden Spaniens. Wim wollte noch mehr von der Welt sehen und beschloss zusammen mit seinem Zwillingsbruder, mit dem Fahrrad in den Senegal zu fahren.
Auf dem Hollandrad in den Senegal
Die beiden Brüder starteten in Sittard auf zwei normalen Hollandrädern. Auf dieser Reise entdeckte Wim die Wirkung der Sonne auf seine Stimmung. Obgleich die Brüder im Herbst losfuhren, schien sie unaufhörlich. Schlechte Erinnerungen und deprimierende Gedanken verschwanden auf den täglichen Fahrten in der Sonne. Wim dachte regelmäßig an seinen Landsmann Vincent van Gogh, von dem man ebenfalls weiß, dass er in Südfrankreich weniger depressiv war. Wieder erlebte Wim den großen Einfluss eines »normalen« natürlichen Phänomens.
Während der Fahrradreise Richtung Senegal hatte er auch ein tiefes spirituelles Erlebnis, bei dem sein Körper und sein Geist eins wurden. Das Gefühl der Dualität schien verschwunden zu sein – ein neuer Durchbruch für Wim. Sein Körper wurde vom Hilfsmittel zum Fortbewegungsmittel. Dieses Gefühl hatte er eines Morgens nach einem intensiven Yogatraining. Es war etwa in der Zeit, als er Wolfgang kennenlernte, einen Deutschen, dem sich die Brüder in den Pyrenäen anschlossen und mit dem sie Freundschaft schlossen. Wolfgang wollte von Wim Yoga lernen und da sein Ziel nicht der Senegal, sondern Algerien war, betrieben sie den Unterricht sehr schnell und intensiv. Wim erklärte, was beim Yoga mit dem Körper geschieht, und brachte seinem zeitweiligen Reisebegleiter viele seiner Fähigkeiten bei. Die Tiefe, die sie dabei erreichten, erwies sich als weiterer wichtiger Schritt auf Wims Weg.
Nach dieser lehrreichen Fahrradreise ging Wim erneut nach Indien. Dieses Mal war er nicht auf der Suche nach Yogis, sondern nach der Kraft der Natur. Er trainierte seinen Körper und seinen...