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E-Book

Öfter mal auf Autopilot

Warum Nichtstun so wichtig ist

AutorAndrew Smart
VerlagGoldmann
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783641145163
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Faulenzer haben mehr vom Leben!
Ständig werden wir dazu angehalten, schneller und effizienter zu sein. Multitasking ist längst zur Notwendigkeit geworden. Doch Kognitionswissenschaftler Andrew Smart zeigt, dass Faulenzer letzten Endes die Nase vorn haben werden - ob im Berufsleben oder in der Freizeit. Gestützt durch wissenschaftliche Erkenntnisse liefert er überzeugende Argumente dafür, dass es dem Gehirn nur schadet, wenn wir allzu aktiv sind. Das perfekte Buch, um dem Chef, der Familie und den Freunden zu erklären, weshalb man sich ausruhen muss - jetzt sofort.

Andrew Smart ist Kognitionswissenschaftler und Autor. Er erhielt seinen Master of Science an der Universität Lund, Schweden, wo er unter anderem die positiven Auswirkungen von Lärm auf das Erinnerungsvermögen und die Aufmerksamkeit von Kindern mit ADHS erforschte. Sein besonderes Interesse für das Nichtstun und die Abscheu vor Zeitmanagement brachten ihn dazu »Öfter mal auf Autopilot« zu schreiben.

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Leseprobe

Einleitung

»Ich habe mich oft gefragt, ob nicht gerade die Tage, die wir gezwungen sind, müßig zu sein, diejenigen sind, die wir in tiefster Tätigkeit verbringen? Ob nicht unser Handeln selbst, wenn es später kommt, nur der letzte Nachklang einer großen Bewegung ist, die in untätigen Tagen in uns geschieht?

Jedenfalls ist es sehr wichtig, mit Vertrauen müßig zu sein, mit Hingabe, womöglich mit Freude. Die Tage, da auch unsere Hände sich nicht rühren, sind so ungewöhnlich still, dass es kaum möglich ist, sie zu erleben, ohne vieles zu hören.«

Rainer Maria Rilke, Brief an Tora Holmström,
24. August 1904

In diesem Buch geht es ums Nichtstun. Das Nichtstun gehört zu den wichtigsten Aktivitäten im Leben. Ich habe mich dazu aufgerafft, meine Gedanken dazu aufzuschreiben, und hoffe, auch andere davon zu überzeugen – trotz der Tatsache, dass überall auf der Welt immer länger gearbeitet wird und in jedem Zeitmanagement-Buch, das es auf dem Markt gibt, behauptet wird, dass man noch mehr machen könnte und sollte. Dieses Buch vermittelt eine gegenteilige Botschaft. Sie sollten weniger tun, ja, Sie sollten sogar faul sein. Laut Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft muss sich unser Gehirn entspannen – und zwar genau in diesem Augenblick. Auch wenn unser Geist für intensive Aktivitäten außerordentlich gut entwickelt ist, muss unser Gehirn, um normal funktionieren zu können, auch müßig sein dürfen – und das sogar sehr häufig, wie sich herausgestellt hat.

Wir sind oft zu zielgerichtet, zu gelenkt; wir sollten uns selbst öfter einmal in den Autopilot-Modus versetzen. In der Luftfahrt ist der Autopilot eine automatische Anlage, die Flugzeuge lenkt, ohne dass Piloten eingreifen müssen. Der Autopilot wurde entwickelt, weil das manuelle Steuern eines Flugzeugs absolute und fortwährende Aufmerksamkeit des Piloten erfordert. Da die Flugzeuge im Lauf der Zeit immer höher und schneller flogen und die Flüge immer länger wurden, führte das manuelle Steuern eines Flugzeugs bei Piloten zu ernsthaften (und gefährlichen) Ermüdungserscheinungen. Die Einführung des Autopiloten gestattete es den Piloten, sich bei der physischen Lenkung des Flugzeugs Pausen zu gönnen, um ihre geistigen Kräfte für riskantere Flugphasen wie Starten und Landen zu schonen. Heutzutage steuert der Autopilot Flugzeuge auf der Basis von Computersoftware.

Die Kehrseite des Autopilot-Modus ist, dass Piloten manchmal nicht mehr unterscheiden können, ob nun der Autopilot oder sie selbst das Flugzeug steuern. Dieser Zustand wird im Englischen Mode Confusion genannt (deutsch etwa: Modus-Verwirrung) und hat schon zu schwerwiegenden Unfällen geführt.

Interessanterweise besitzt auch Ihr Gehirn einen Autopiloten. Wenn Sie sich ausruhen und sozusagen die »manuelle Kontrolle« über Ihr Leben aufgeben, übernimmt der Autopilot. Er weiß, wo Sie wirklich hinwollen und was Sie wirklich tun wollen. Und der einzige Weg herauszufinden, was er weiß, besteht darin, die Steuerung des Flugzeugs aufzugeben und sich von Ihrem Autopiloten leiten zu lassen. Nicht nur Piloten werden bei der manuellen Steuerung von Flugzeugen so müde, dass es gefährlich werden kann – auch wir brauchen öfter Pausen, in denen wir unser Flugzeug von unserem Autopiloten fliegen lassen sollten. Die Kunst besteht darin, die Mode Confusion zu vermeiden, das heißt es locker angehen zu lassen, unsere Terminkalender zur Seite zu legen und die Dinge einfach nicht zu erledigen.

Psychologische Studien haben gezeigt, dass Menschen das Nichtstun eher scheuen. Doch dieselben Studien zeigen auch, dass Menschen, wenn sie nicht gerade gute Gründe dafür haben, geschäftig zu sein, im Durchschnitt lieber untätig wären. Einerseits scheuen wir uns, untätig zu sein, andererseits würden wir gleichzeitig lieber faulenzen. Dieser Widerspruch könnte ein Überbleibsel aus der Evolutionsgeschichte sein. Im Lauf seiner Entwicklungsgeschichte war es für den Menschen zumeist oberste Priorität, mit seinen Kräften zu haushalten, denn die Nahrungsbeschaffung allein war eine gewaltige körperliche Anstrengung. Heutzutage ist das Überleben in den westlichen Ländern (wenn überhaupt) nur mit geringer körperlicher Anstrengung verbunden; daher haben wir uns alle möglichen Arten von nutzlosen Beschäftigungen ausgedacht. Gibt man Menschen auch nur den leisesten, ja fadenscheinigsten Grund, etwas zu tun, werden sie geschäftig. Menschen, die zu viel Zeit haben, neigen zum Unglücklichsein oder zur Langeweile. Doch wie wir in diesem Buch sehen werden, könnte das Nichtstun möglicherweise der einzige wirkliche Weg zur Selbsterkenntnis sein. Bei dem, was Ihnen ins Bewusstsein kommt, während Sie untätig sind, handelt es sich häufig um etwas aus den Tiefen Ihres Unterbewusstseins – und diese Informationen sind vielleicht nicht immer angenehm. Nichtsdestoweniger wird Ihr Gehirn Ihre Aufmerksamkeit mit gutem Grund darauf lenken. Durch den Müßiggang bekommen bedeutende Ideen, die in Ihrem Unterbewusstsein schlummern, eine Chance, in Ihr Bewusstsein zu dringen.

Unsere seit Langem bestehende Angst vor dem Nichtstun hat unweigerlich dazu geführt, dass wir heutzutage von Geschäftigkeit nahezu besessen sind. 2006 hat Bruce Charlton in seinem vorausschauenden Leitartikel in der Zeitschrift Medical Hypotheses behauptet, die moderne Gesellschaft werde von Berufen beherrscht, die sich durch eine besondere Geschäftigkeit auszeichnen. Mit Geschäftigkeit ist Multitasking gemeint – aufgrund eines von außen auferlegten Zeitplans viele Tätigkeiten nacheinander ausführen und häufig zwischen ihnen wechseln. In den meisten Berufen besteht die einzige Möglichkeit voranzukommen darin, so zu tun, als beherrsche man das Multitasking. Francis Crick, Nobelpreisträger und Mitentdecker der DNS, war berühmt für seine Weigerung, sich durch die Verwaltungsebenen zu kämpfen, um in der akademischen Welt aufzusteigen. Er verabscheute die Geschäftigkeit, die eine leitende Stellung mit sich bringt.

Die Definition des Nichtstuns, die ich in diesem Buch erörtere, ist die Antithese der Geschäftigkeit: vielleicht ein oder zwei Dinge am Tag zu erledigen, und dies – und das ist entscheidend – nach einem intern auferlegten Zeitplan. Chronische Geschäftigkeit ist schlecht für Ihr Gehirn und kann auf lange Sicht ernsthafte gesundheitliche Konsequenzen haben. Kurzfristig zerstört starke Geschäftigkeit die Kreativität, die Selbsterkenntnis, das emotionale Wohlbefinden, Ihre sozialen Fähigkeiten – und sie kann das Herz-Kreislauf-System schädigen.

Vom neurowissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet erweist sich die Erforschung des Nichtstuns im Labor als leicht. Tatsächlich wurde die unglaubliche Gehirnaktivität, die nur dann auftritt, wenn man gerade gar nichts tut, durch Zufall entdeckt – als nämlich Probanden bei Experimenten mit bildgebenden Verfahren einfach nur in den MRT-Geräten lagen und vor sich hin träumten. Ich erweitere dieses Laborergebnis insofern, als ich dazu auch jeden Moment Ihres Tagesablaufs zähle, in dem Sie sich nicht an einem von außen auferlegten Zeitplan orientieren und die Gelegenheit haben, wirklich nichts zu tun, oder in dem Sie die Freiheit haben, Ihre Gedanken zu allem wandern zu lassen, was in Ihr Bewusstsein dringt, sobald Sie einmal nicht beschäftigt sind. Wahre Erkenntnis, sei sie künstlerischer oder wissenschaftlicher, emotionaler oder sozialer Natur, kann sich wirklich nur in diesen allzu seltenen Momenten des Müßiggangs einstellen.

Selbst Wissenschaftler geben zu, dass man einige der immer wiederkehrenden Ideen der Neurowissenschaft vielleicht nie wirklich verstehen wird – man gewöhnt sich nur an sie. Es ist jedoch hilfreich, sich in diesem Buch schon früh mit diesen Konzepten vertraut zu machen, und sei es auch nur, weil Sie damit teilweise rechtfertigen können, es locker anzugehen. Man wird Sie künftig in Ruhe lassen, wenn Sie Ihre Faulheit postwendend mit einem Satz wie diesem erklären: »Ich lasse die Hubs meines Default-Mode-Netzwerks schwingen, um herauszufinden, was ich mit meinem Leben anfangen will.« Zudem lassen sich mit dem Wissen um diese Konzepte viele Fakten, das Gehirn betreffend, in einen entsprechenden Zusammenhang stellen.

Betrachten Sie dieses Buch als einen Crashkurs in Komplexitätstheorie und Neurowissenschaft. Das menschliche Gehirn ist eine Kreativmaschine – ein komplexes, nichtlineares natürliches Objekt, das folgende Eigenschaften hat:

  • Nichtlinearität oder Chaos: exponentiell sensible Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen. Wie bitte? Die meisten Systeme, mit denen es Ingenieure zu tun haben, sind lineare oder deterministische Systeme. Die meisten Systeme werden, auch wenn sie nichtlinear sind, wie lineare Systeme modelliert, weil es so einfacher (oder anders nicht möglich) ist, sie zu berechnen. Für ein lineares System lässt sich die Zukunft sehr genau vorhersagen – vorausgesetzt, man verfügt über genügend Wissen über die Werte der Variablen, die das System zu einer bestimmten Zeit beschreiben, und über genügend Wissen darüber, wie sich diese Variablen ändern. Wenn Sie eine bestimmte Eingangsgröße in ein lineares System eingeben, wissen Sie genau, welche Ausgangsgröße Sie erhalten. Das ist natürlich dann sehr praktisch, wenn man ein Kommunikationsnetzwerk entwickeln, einen Damm bauen oder ein Flugzeug konstruieren möchte. Unmöglich hingegen ist es, die Zukunft für ein nichtlineares System vorherzusagen – selbst wenn Sie sämtliche Informationen über den Zustand des Systems zu einem bestimmten Zeitpunkt...
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