3 Leben und Umwelt im Wasser (S. 83)
In Abschnitt 2 wurden die spezifischen Probleme besprochen, die es Wasserlebewesen schwerer machen, sich bei der Ortsbewegung irgendwie „von der Umgebung abzustoßen". Dies scheint in gleicher Weise für alle Wasserlebewesen zu gelten, ob sie groß oder klein sind, schnellbewegt oder langsam. Doch ist dies ein Trugschluss. Wiederum sind es physikalischen Grenzen, die beinharte ökophysiologische Randbedingungen aufbauen.
Demnach kann man kurz sagen: Wasser ist nicht gleich Wasser. Wasser wirkt auf Organismen in ganz unterschiedlicher Weise als umgebendes Medium, je nachdem, ob sie winzige Langsamschwimmer oder riesige Schnellschwimmer sind, mit allen Kombinationen dazwischen. Es soll dies an drei typischen Möglichkeiten der „Einnischung" klar gemacht worden.
Zum einen kann man dies an Planktonorganismen ohne Eigenbewegung aufzeigen, die darauf achten müssen, in Seen möglichst langsam abzusinken. Zum anderen an -ebenfalls sehr kleinen- Bewohnern der Grenzschichten strömender Gewässer.
Schließlich sind die Größen- und Geschwindigkeitseffekte als Reynolds-Einflüsse vergleichend dargestellt und decken die große Spanne ab zwischen Bakterien, die sich mit Geißeln im Wasser bewegen, und Walen, die mit ihrer riesigen Schwanzflosse Vortrieb erzeugen. Da die Fluideffekte gleichartig sind, treten sie nun in Wasser auf oder in der Luft, führen diese über eine Zwischenbetrachtung dann weiter zum Leben im Luftmeer.
3.1 Ist Wasser für Lebewesen „nischenmäßig" strukturiert?
Wenn sich eine Organismengruppe evolutiv entwickelt, versucht sie, möglichst viele „ökologische Nischen" der Umwelt auszunutzen, sich dort einzupassen, zu spezialisieren und zu behaupten. So bewohnen Insekten den Ackerboden, das Laubstreu, die Wiesenoberfläche, Baumstämme, Blätter und Blüten, sie legen ihre Eier unter Steinvorsprüngen ab oder in Blütenböden, bohren in Holz oder minieren in Pflanzenstängeln.
Auf dem Land, das für eine „evolutive Radiation" ganz offensichtlich sehr viele strukturelle Nischen bietet, hat sich eine Vielzahl von ökophysiologischen Anpassungen zwischen dem Ambiente und auf dieses eingestellten Lebewesen entwickelt. Hier sind die Möglichkeiten der Einnischung ganz augenscheinlich (Abb. 3.1-1).
Das Land bietet den Lebewesen eine Vielzahl von Nischen, die man als morphologische oder ökophysiologische bezeichnen kann. Tiere und Pflanzen können sich so spezialisieren, dass sie diese Nischen nutzen. Wie aber ist es mit dem Wasser als Lebensraum? Wasser ist offensichtlich nicht strukturiert.
Ein Kubikmeter Wasser, in Gedanken herausgenommen aus der durchsonnten Oberflächenregion des Bodensees, einer Flussmündung, oder der Tiefsee der Meere, ist eben Wasser, und seine physikalischen Eigenschaften werden durch Unterschiede im Salzgehalt, der Temperatur, dem Gasgehalt und dem Druck nicht dramatisch verändert.
Setzt man einen Fisch in eine Badewanne voller Wasser, würde er sich schwimmend fortbewegen, ein Wasserfloh hüpfend, ein begeißeltes Bakterium wird seine Mikro-Spiralen ziehen. Warum eigentlich bewegen sich die Organismen so unterschiedlich?
Mit anderen Worten: Bietet auch Wasser, ein für uns unstrukturiert erscheinendes Medium, Lebewesen, die darin leben und sich darin fortbewegen, spezielle Nischen, dann also „physikalische Nischen"? Das wird zu untersuchen sein.
3.2 Wie schaffen es kleine Plankter, so langsam abzusinken?
Beginnen wir mit der Betrachtung kleiner Plankteer, die im allgemeinen keine Eigenbewegung aufweisen.