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Ohne Kreuz keine Krone

Eine Abhandlung über die Eigenschaft und Wirkung des heiligen Kreuzes Christi

AutorWilliam Penn
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl420 Seiten
ISBN9788026840329
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Ohne Kreuz keine Krone' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. William Penn (1644-1718) gründete die Kolonie Pennsylvania im Gebiet der heutigen USA. 1693 verfasste er den 'Essay towards the Present and Future Peace of Europe'. Aus dem Buch: '1. Was das Kreuz Christi ist. - Das Wort Kreuz ist ein figürlicher Ausdruck der göttlichen Kraft, welche die Welt kreuzigt. §. 2. So versteht es Paulus in seiner Epistel an die Korinther. §. 3. Wo das Kreuz erscheint, und wo es getragen werden muß. Es erscheint im Innern des Herzens; da wo die bösen Leidenschaften ihren Sitz haben, müssen sie auch gekreuzigt werden. §. 4. Dieser lehret einem Jeden die Erfahrung, und Christus behauptet es in den Worten: 'Aus dem Herzen kommen arge Gedanken, Mord, Ehebruch etc.' Dieses ist das Haus, wo der Stärkere den Starken binden muß. §. 5. Wie das Kreuz getragen werden müsse! Es geschiehet auf eine geistliche Weise, wenn man sich selbst und die Vergnügungen der Sünde verleugnet, Gott zu gefallen und seinem Willen zu gehorchen bestrebt ist, wie derselbe durch das Licht, das er verleihet, der Seele geoffenbaret wird. §. 6. Dieses zeigt, wie schwer, aber auch, wie nothwendig es ist, das Kreuz zu trauen.'

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Leseprobe

Zweites Kapitel.



§. 1. Aus dem, was bisher gesagt ist, kann die Christenheit ihren Verfall und ihre große Verderbtheit erkennen. – Ihr Zustand ist wegen ihrer Ansprüche auf Christenthum nur desto schlimmer. §. 2. Bei Gott ist aber Barmherzigkeit und Versöhnung durch das Blut Jesu, wenn sie ihre Sünden bereuet und ihr Leben ändert. §. 3. Christus ist das Licht der Welt, welches die Finsterniß, nämlich das Böse in der Welt, bestraft; er wird im Innern der Seele erkannt. §. 4. Die Christenheit ist, wie die Herberge vor Zeiten, in welcher kein Raum für ihn war, voll anderer Gäste. – Sie wird angewiesen, an Christum zu glauben, ihn aufzunehmen und sich an ihn zu wenden. §. 5. Von der Eigenschaft des wahren Glaubens; er giebt Kraft, jede Erscheinung des Bösen zu überwinden. Dieses leitet zur Betrachtung des Kreuzes Christi, woran es bisher so sehr gemangelt hat. §. 6. Vom apostolischen Amte; Zweck und gesegnete Wirkungen desselben. – Charakter der apostolischen Zeiten. §. 7. Vortreifflchkeit des Kreuzes Christi, und sein Triumph über die heidnische Welt; ein Spiegel für die Christen, worin sie sehen können, was sie nicht sind und was sie seyn sollten. §. 8. Die Ursachen ihres Verfalles. §. 9. Die traurigen Wirkungen, die daraus erfolgt sind. §. 10. Aus der Erwägung der Ursache dieses Verfalles, kann das Mittel zu ihrer Wiederherstellung leicht erkannt werden; oder, da die tägliche Vernachlässigung des getreuen Aufnehmens des Kreuzes die Ursache desselben ist, so muß auch das tägliche getreue Tragen des Kreuzes das Mittel zu ihrer Wiederherstellung seyn.



§. 1. Aus Allem, was dir, o Christenheit, bisher gesagt ist, und vermöge jener bessern Hülfe, – wenn du dich derselben nur bedienen wolltest! – nämlich des Lichts, das Gott in dir angezündet hat, und welches noch nicht ganz erloschen ist, kannst du nun erkennen, wie groß und entsetzlich dein Fall ist. Dann wirst du auch einsehen, wie du ungeachtet deines offenbaren Verfalles, nichts destoweniger mit deinem leeren Bekenntnisse vom Christenthume deiner verderbten Selbstliebe geschmeichelt, und auf eine schreckliche Art dich selbst mit falschen Hoffnungen der Seligkeit getäuscht hast. Das Erstere macht deine Krankheit gefährlich, durch das Letztere wird sie aber fast unheilbar.

§. 2. Jedoch, da bei dem Gott des Mitleids Barmherzigkeit ist, damit man ihn fürchte, und da er keinen Gefallen an dem ewigen Tode armer Sünder hat, wenn sie auch Abtrünnige sind; sondern vielmehr will, daß Alle zur Erkenntniß der Wahrheit und zum Gehorsame gegen dieselbe gebracht, und errettet werden sollen: [1] so hat er seinen Sohn zur Versöhnung dargestellt, und zum Heilande gegeben, um die Sünden der ganzen Welt hinwegzunehmen, damit Diejenigen, die an ihn glauben und ihm folgen, in der Vergebung ihrer Sünden und ewigen Tilgung ihrer Uebertretungen die Gerechtigkeit Gottes erkennen möchten. [2] Siehe! hier ist das unfehlbare Heilmittel für dein Uebel, das Gott selbst verordnet hat; in der That eine köstliche Arznei, die niemals fehlschlägt; das große Universalmittel, dem alle Krankheiten weichen müssen.

§. 3. Du wirst aber vielleicht fragen: Was ist denn Christus? und wo ist er zu finden? Wie kann man diese Arznei für die Seele erhalten? und wie muß man sie anwenden, um ihre mächtige Heilkraft zu erfahren? Ich sage dir daher erstlich: Christus ist das große geistige Licht der Welt, welches alle Menschen, die in diese Welt kommen, erleuchtet, ihnen ihre Werke der Finsterniß und Gottlosigkeit zeigt und offenbar macht, und sie über die Ausübung derselben bestraft.[3] Zweitens: Er ist nicht fern von dir, wie der Apostel Paulus den Atheniensern von Gott erklärte;[4] und Christus selbst sagt: „Siehe! ich stehe vor der Thür und klopfe an; wenn Jemand meine Stimme höret, und die Thür aufthut, zu dem werde ich eingehen und Abendmahl mit ihm halten, und er mit mir.“[5] Kann nun diese Thür, wovon Christus hier redet, wohl eine andere, als die des menschlichen Herzens seyn?

§. 4. Aber dein Herz war bisher, wie die Herberge vor Zeiten, so sehr von andern Gästen angefüllt, deine Neigungen waren so eifrig auf andere Gegenstände deiner Liebe gerichtet, daß für deinen Heiland kein Raum in dir übrig war. Darum ist das Heil noch nicht in deinem Hause eingekehrt, wiewohl es bis zu deiner Thür gekommen ist, und sich dir oft angeboten hat. Auch hast du es schon lange versäumt, obgleich du es zu besitzen vorgegeben hast. – Doch, wenn dein Heiland dich noch ruft, wenn er noch bei dir anklopft, das heißt: wenn sein Licht dir noch scheint, dich noch bestraft; so ist noch Hoffnung da, daß der Tag deines Heils noch nicht vorüber, noch nicht vor deinen Augen verborgen, – daß noch Reue möglich ist; da seine Liebe dir noch nachgehet, und seine heiligen Einladungen zu deiner Errettung noch fortdauern.

Darum, o Christenheit! glaube an ihn, nimm ihn auf, und mache die rechte Anwendung von ihm; dieses ist von unumgänglicher Nothwendigkeit, wenn deine Seele ewig mit ihm leben soll. Er sagte zu den Juden: „Wenn ihr nicht glaubet, daß ichs bin, so werdet ihr in euern Sünden sterben, und wohin ich gehe, dahin könnt ihr nicht kommen“ [6] Weil sie nicht an ihn glaubten, nahmen sie ihn auch nicht an, und verloren also die Wohlthat seiner Erscheinung. Diejenigen aber, die an ihn glaubten, nahmen ihn an, und „Allen, die ihn annahmen,“ sagt uns sein eigener geliebter Jünger, „gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, die nicht von dem Geblüte, noch von dem Willen des Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.“[7] Das heißt: die nicht Kinder Gottes nach den Moden, Gebräuchen, Vorschriften und überlieferten Sagen der Menschen sind, die sich selbst den Namen der Kirche und des Volks Gottes beilegen; denn die wahren Mitglieder der Kirche Christi werden keinesweges nach dem Willen von Fleisch und Blut, oder nach der Erfindung fleischlichgesinnter, mit der Wiedergeburt und Kraft des heiligen Geistes unbekannter Menschen hervorgebracht; sondern wirklich von Gott, nämlich, nach seinem Willen und durch die in ihren Herzen wirkende, heiligende Kraft seines Geistes und Wortes des Lebens, wiedergeboren. Diese haben immer die rechte Anwendung Christi wohl verstanden; ihnen ist er in der That zur Versöhnung, Weisheit, Heiligung, Gerechtigkeit, Erlösung und Rechtfertigung gemacht.

Nun sage ich dir: Wenn du nicht glaubst, daß Er, der vor der Thür deines Herzens stehet und anklopft, der dir deine Sünden der Reihe nach vorhält, und dich zur Buße (d. i. zur Reue und Sinnesänderung) ruft, der Heiland der Welt sey, so wirst du in deinen Sünden sterben, und wohin er gegangen ist, dahin wirst du nie kommen. Denn, wenn du nicht an ihn glaubst, so ist es ganz unmöglich, daß er dir helfen und deine Seligkeit bewirken könne. Er konnte ehemals, wie wir lesen, an einigen Orten nicht viele mächtige Werke verrichten, weil die Menschen nicht an ihn glaubten.[8] Wenn du aber wahrhaft an ihn glaubst, so wird dein inneres Ohr auf seine Stimme in dir aufmerksam seyn, und dann wirst du die Thür deines Herzens seinem Anklopfen öffnen. Du wirst den Offenbarungen seines Lichts nachgeben, und die Belehrungen seiner Gnade werden dir sehr schätzbar seyn.

§. 5. Es liegt in der Natur des wahren Glaubens, daß er eine heilige Furcht, Gott zu beleidigen, eine tiefe Ehrfurcht vor seinen Geboten, und eine sehr zarte Aufmerksamkeit auf das innere Zeugniß seines Geistes in uns erzeugt. Dadurch sind zu allen Zeiten die Kinder Gottes sicher zur Herrlichkeit geführet worden. Denn, so wie Diejenigen, die wahrhaft glauben, Christum mit allen seinen Gaben in ihren Herzen aufnehmen, so ist es auch gewiß, daß Diejenigen, die ihn auf diese Weise aufnehmen, durch ihn Macht empfangen, Gottes Kinder zu werden. Sie empfangen nämlich innere Kraft und Fähigkeit, Alles zu thun, was er von ihnen fordert; Kraft, ihre Lüste zu bekämpfen; ihre Leidenschaften zu beherrschen; den bösen Regungen der verderbten Natur zu widerstehen; sich selbst zu verleugnen und die Welt in allen ihren schmeichelhaften und verführerischen Lockungen zu überwinden. Dieses ist das Leben des heiligen und gesegneten Kreuzes Christi, wovon in dieser Abhandlung noch nähere Erklärung gegeben wird, und welches du, o Mensch! aufnehmen mußt, wenn du je ein wahrer Jünger Jesu werden willst. Wie könnte auch sonst von dir gesagt werden, daß du Christum aufgenommen habest, oder daß du an ihn glaubest, wenn du noch immer sein Kreuz verwirfst. Denn, da Christum aufzunehmen das von Gott verordnete Mittel zur Seligkeit ist, so ist auch das tägliche Tragen seines Kreuzes der einzige wahre Beweis, daß man ihn wirklich aufgenommen habe, und darum hat er es auch Allen als das große Kennzeichen seiner Nachfolge mit den Worten auferlegt: „Wenn Jemand mit nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf, und folge mir.“[9]

Hieran hat es dir, o Christenheit! bisher so sehr gefehlt, und dieser Mangel ist die einzige Ursache deines traurigen Abfalles vom wahren Christenthume. Dieses nun wohl zu erwägen, ist eben sowohl deine Pflicht, als es dir zu deiner Wiederherstellung gewiß sehr behülflich seyn wird. Denn, so wie der Arzt durch die Kenntniß der Ursache einer Krankheit in den Stand gesetzt wird, ein richtiges und sicheres Urtheil über die anzuwendenden Heilmittel zu fällen, eben so wird es auch dir auf dem Wege deiner Genesung Licht und Aufschlüsse geben, wenn du die erste Ursache dieser geistlichen Krankheit und Schwäche, die dich befallen hat, recht einsiehest und reiflich erwägest. Um aber diese Absicht zu erreichen, wird es nöthig seyn, auf...

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