1 Marketing-Konzeption: Die Grundlage
1.1 Aktuelle Rahmenbedingungen des Marketing
Leider zeigt die Realität, insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, dass den meisten Betrieben ihr Geld für das Marketing zu schade ist. Das häufigste Argument lautet dabei, dass nie wirklich klar ist, ob Marketingaktivitäten Erfolg haben. Es wird gebetsmühlenartig Henry Ford zitiert, der gesagt haben soll, dass fünfzig Prozent der Werbung immer rausgeworfenes Geld sind, man aber nicht wisse, welche Hälfte das sei. Als Ergebnis dieser Überlegungen folgern viele Unternehmen, dass es deshalb sinnvoller sei, darauf zu verzichten. Diese Argumentation krankt an zwei Punkten:
• Erstens liegt das Problem der Messung nicht im Marketing begründet, sondern in der Bereitschaft, zu messen. Dies hängt damit zusammen, dass insbesondere kommunikationspolitische Marketingaktivitäten zuerst psychologische Ziele erfüllen wie beispielsweise die Verbesserung des Images und erst in zweiter Linie ökonomische Ziele wie die Steigerung des Gewinns. Während letzteres aus den unternehmensinternen Daten sofort ersichtlich ist, bedarf die Messung der Erreichung von psychologischen Zielen immer des Einsatzes von Marktforschung und kostet damit zusätzliches Geld.
• Zweitens irren Unternehmen, wenn sie glauben, nur weil sie keine Marketingaktivitäten planen, würden sie auch kein Marketing betreiben. Hier kann das berühmte erste Axiom von Watzlawick angeführt werden: »Man kann nicht nicht kommunizieren« (Watzlawick (2011), S. 58). Jedes Unternehmen betreibt zu jeder Zeit in dem Moment, da es auf einem Markt tätig ist, Kommunikation und damit einen wesentlichen Teil dessen, was als Marketing bezeichnet wird. Die Frage, die sich ein Unternehmen stellen muss, ist daher also, ob es dies strukturiert und damit ökonomisch effizient macht oder unstrukturiert und damit ökonomisch ineffizient. Die Frage ist nicht, ob ein Unternehmen Marketing betreiben sollte, sondern ob es dies kaufmännisch sinnvoll betreibt.
Henry Ford soll übrigens auch gesagt haben: Wer aufhöre zu werben, um Geld zu sparen, könne ebenso gut seine Uhr anhalten, um Zeit zu sparen.
Zwei weitere wesentliche Gründe für den eher zögerlichen Einsatz hat sich das Marketing selbst zuzuschreiben. Zum einen ignoriert das Konzept des Marketing-Mix konstant die unternehmerische Realität, die organisatorisch regelmäßig andere Strukturen aufweist, als es das Konzept der »4 Ps« implizieren würde: Es wird in kaum einen Unternehmen eine von einer Marketingabteilung geleitete Zusammenarbeit der Abteilungen geben, die für die Produktbetreuung, die Preisfestlegung, den Vertrieb und die Kommunikation zuständig sind. Vielmehr findet sich häufiger eine Zufteilung der Kompetenzen der Produkt- und Kommunikationspolitik zur Marketingabteilung und der Preis- und der Distributionspolitik zur Vertriebsabteilung. Zum anderen sorgen immer neue widersprüchliche, manchmal auch sinnentleerte Wortkombinationen mit dem Appendix »-Marketing« für eine entsprechende Verunsicherung und aufkommende Gleichgültigkeit bzw. Trivialisierung, die mit der zunehmenden Gleichgültigkeit im Hinblick auf die im Jahresrhythmus erfolgenden Smartphone-Innovationen bei Privatkunden vergleichbar ist.
Umso wichtiger ist es in diesem Umfeld, die grundlegenden Aussagen des Marketing wieder deutlich zu machen, um ein Verständnis für diese wichtigen Zusammenhänge zu erzeugen und zu zeigen, dass Marketing als betriebswirtschaftliche Disziplin nichts anderes ist als die Beschreibung der Realität und die Suche nach Strukturen und Mustern zum einfacheren Verständnis und effektiveren Einsatz vorhandener Mittel.
1.2 Operatives Marketing – Eine erste Einordung
Das operative Marketing kann als der koordinierte Einsatz des absatzpolitischen Instrumentariums beschrieben werden. Die Abgrenzung des operativen vom strategischen Marketing wird oft an der zeitlichen Fristigkeit festgemacht: Während operative Entscheidungen eher kurzfristig sind, sind strategische tendenziell langfristig. Allerdings zeigt gerade die Realität, dass dieses Kriterium allein nicht ausreicht: Strategien können zeitlich kürzer angelegt sein als operative Entscheidungen.
Neben der Fristigkeit sollen hier die organisatorischen Auswirkungen hervorgehoben werden, da sie von besonderer Relevanz für die Erarbeitung einer Marketing-Konzeption mit den darin enthaltenen organisatorischen Aspekten sind: Während strategische Entscheidungen eher Einfluss auf die Organisationsstruktur eines Unternehmens haben, also strukturbestimmend sind, haben operative Entscheidungen eher Einfluss auf den Ablauf im Unternehmen, sind also prozessorientiert. Die Entscheidung für eine Strategie der Kostenführerschaft nach Porter führt beispielsweise zu völlig anderen Unternehmensstrukturen als die Entscheidung für eine Differenzierungsstrategie. Während im ersten Fall alle Abteilungen eines Unternehmens darauf hin untersucht werden, wo Kosten einzusparen sind und Aktivitäten gegebenenfalls ausgelagert werden können, liegt der Fokus der Betrachtungen bei Differenzierungsstrategien eher auf der Suche nach solchen unternehmensinternen Aktivitäten, die für eine dauerhafte Abgrenzung von anderen Unternehmen im Markt entscheidend sein können. Hierbei kann es sich beispielsweise um einen besonderen Kundenservice, ein besonderes Design oder besondere Produkteigenschaften handeln. Abteilungen, die hierzu einen Beitrag leisten, werden entsprechend ausgebaut.
Das absatzpolitische Instrumentarium, der Marketing-Mix, ist in Abbildung 1 wiedergegeben. Der Marketing-Mix führt die einzelnen Instrumente des operativen Marketing zusammen und kann als »die für eine bestimmte Periode getroffene Auswahl von Marketingaktivitäten auf ihrem qualitativen und quantitativen Niveau« beschrieben werden (Meffert (2000), S. 971).
Abbildung 1: Marketing-Mix (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Magrath, 1986)
Die Aufgabe des Marketing-Mix besteht darin, dem Kunden ein aus seiner Sicht optimales Angebot zu machen und dabei gleichzeitig das Angebot aus Sicht des Unternehmens effizient zu gestalten. Der Kunde vergleicht dabei Kosten und Nutzen eines Angebots, wobei die Kombination umgangssprachlich als Preis-Leistungs-Verhältnis bezeichnet wird. Abbildung 2 zeigt die Einflussnahme der einzelnen Instrumente auf die beiden Faktoren und die grundlegenden Abhängigkeiten.
Abbildung 2: Preis-Leistungs-Verhältnis und die operativen Instrumente (Quelle: Eigene Darstellung.)
Die Leistung des Produktes wird im Rahmen der Produktpolitik bestimmt, die Kosten finden ihre Berücksichtigung in der Kontrahierungspolitik. Beide werden beeinflusst bzw. beeinflussen die Vertriebspolitik, denn je nach Preisfindung und Produkt muss eine bestimmte Vertriebspolitik genutzt werden: Ein niedriger Verkaufspreis bedingt beispielsweise indirekte Massendistribution, um die Kosten niedrig zu halten, ein empfindliches Produkt erfordert Spezialtransporte. In Abhängigkeit vom Distributionsweg kann aber auch die Preisgestaltung unterschiedlich sein (Verkaufspreise über das Internet oder über ein Ladenlokal) und ebenso die Verpackung (Transport- und Lagerfunktion), die Teil der Produktpolitik ist. Die Wahrnehmung des Preis-Leistungs-Verhältnisses wird außer über Preis und Produkt entscheidend über die Kommunikationspolitik gesteuert. Im Rahmen von TV-Werbung muss es gelingen, ein positives Image des Produktes aufzubauen und das Bedürfnis zum Konsum zu wecken.
Auch wenn es keine vorgeschriebene Reihenfolge der vier Marketing-Instrumente gibt, so folgt diese Darstellung der in der Literatur üblichen Logik: Die Produktpolitik ist deswegen zuerst zu behandeln, weil es ohne ein Sachgut oder eine Dienstleistung keine Diskussion über die anderen Instrumente gibt. Eng verbunden mit dem Produkt ist der Preis, der deswegen auch als zweiter Aspekt abgehandelt wird. Diese enge Verknüpfung hängt zum einen mit den sich aus der Produktion des Produktes ergebenen Kosten und dem sich daraus ableitenden Preis zusammen, zum anderen mit der aus Kundensicht oft wichtigen Verbindung zwischen Preis und Leistung. Auf die Preis- bzw. Kontrahierungspolitik folgt die Distributionspolitik, deren Ausgestaltung sowohl Einfluss auf die Kosten und damit den Preis hat als auch auf die Wahrnehmung durch den Kunden. Sobald die beschriebenen Instrumente ausformuliert sind, kann schließlich im Rahmen der Kommunikationspolitik die Präsentation nach außen stattfinden. Diese Reihenfolge ändert sich nicht wesentlich, wenn es sich um Dienstleistungen handelt. In diesem Fall müssten drei ergänzenden Instrumente vor der Kommunikationspolitik eingeordnet werden: physical facility (Ausstattungspolitik), process...